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Wann kommt die Dunkelziffer ans Licht?

Neues Gutachten über Übergriffe von Klerikern auf Kinder

Sexueller Missbrauch Katholische Kirche
Symbolfoto: epd

Von Uli Schulte Döinghaus

In den 1950er Jahren wurden im katholischen Bistum Berlin 28 Fälle von Kindern und Jugendlichen aktenkundig, die mutmaßlich von katholischen Priestern, Klerikern oder Kirchenmitarbeitern sexuell missbraucht wurden. Die Leitung des Bistums hatten in dieser Zeit Bischof Konrad Graf von Preysing, Bischof Wilhelm Weskamm und Bischof Julius Döpfner inne. Ihnen zur Seite standen als Generalvikare Maximilian Prange und Georg Puchowski. 

In den 1960er und 1970er Jahren wurde das Leid von 62 Kindern und Jugendlichen aktenkundig, das ihnen mutmaßlich sexuell übergriffige Kleriker zugefügt hatten. Die Verbrechen wurden dokumentiert, als Erzbischof Alfred Bengsch die katholische Kirche im Bistum Berlin führte. Ihm zur Seite stand als Generalvikar und Weih­bischof Johannes Kleinedam. Personalverantwortlicher und zugleich Leiter des Referats Seelsorge war Wolfgang Haendly. 

In den 1980er Jahren war Erz­bischof Joachim Meissner oberster Katholik im Erzbistum Berlin, verantwortlicher Seelsorger über Ministranten, Kommunionkinder und Firmlinge. In seiner Amtszeit wurden 19 sexuelle Übergriffe durch Kleriker dokumentiert und in den kirch­lichen Akten protokolliert. Als Generalvikare fungierten in dieser Zeit Johannes Tobei, Roland Steinke, Peter Wehr und Ronald Rother. Personalverantwortliche waren Weih­bischof Wolfgang Weider und Monsignore Otto Riedel.

In den 1990er Jahren wurden die leidvollen Geschichten von 17 Kindern und Jugendlichen in den erzbischöflichen Akten vermerkt, die von Klerikern mutmaßlich missbraucht worden waren. Oberster Seelsorger, Theologe und Priester war in dieser Zeit Erzbischof Georg Sterzinsky, die Verwaltung leiteten weiterhin die Herren Tobei, Steinke, Wehr und Rother, als Diözesanadministrator fungierte Weihbischof Matthias Heinrich, der bis 2012 Personalchef des Erzbistums Berlin war. Ihm folgte Monsignore Hansjörg Günther. 

In den 2000er und 2010er Jahren wurde in den Personalakten des Erzbistums das Leid von 16 Opfern dokumentiert, die von katholischen Priestern und Klerikern mutmaßlich missbraucht worden waren. In dieser Zeit wurde das Erzbistum Berlin von Erzbischof Georg Sterzinsky geleitet, danach ab 2011 drei Jahre lang von Erzbischof Rainer-Maria Woelki, 2015 folgte Heiner Koch. Ihre „Stabschefs“ waren und sind Ronald Rother, Tobias Przytarski und – seit 2017 – Manfred Kollig.

121 Betroffene und 59 Beschuldigte bekannt

Diese Zeitleiste und die Auflistung der Verantwortlichen geht aus einem Gutachten hervor, das im Auftrag von Erzbischof Heiner Koch, erstellt und Ende vergangener Woche präsentiert wurde. Dem Gutachten der Anwaltskanzlei „Redeker Sellner Dahs“ zufolge wurden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 59 katholische Priester und Kleriker laut Personalakten des bischöflichen Ordinariats (Verwaltung) beschuldigt, mindestens 121 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht zu haben. Diese Anschuldigungen und die 

Geschichten der Opfer sind aktenkundig, von einer „nicht unerheb­lichen Dunkelziffer von Missbrauchstaten“ sei auszugehen, so die Gutachter während einer Pressekonferenz. „Die tatsächliche Zahl der Betroffenen ist bis heute nicht bekannt.“

Nur wenige wurden belangt

Sieben Beschuldigte wurden in den vergangenen 75 Jahren kirchenrechtlich belangt, ein Seelsorger wurde aus dem Priesterstand entlassen. In anschließenden staatlichen Gerichtsverfahren mussten viele Fälle wegen Verjährung oder Tod des Beschuldigten eingestellt werden. Fünf Beschuldigte kamen für zwei, drei Jahre hinter Gitter, vier kamen mit Bewährungs- oder Freiheitsstrafen davon, zwei Beschuldigte wurden freigesprochen. 

Was in den untersuchten Personalakten im Einzelnen festgehalten wurde, wissen zurzeit nur einige Verantwortliche unter Erzbischof Heiner Koch und die Gutachter selbst. Die Seiten 63 bis 484, in denen es um die Beschuldigungen und Überführungen geht, sind nicht öffentlich. „Aus Gründen des Persönlichkeitsrechtsschutzes, der Gefahr der Retraumatisierung der Betroffenen und um eine voyeuristische Darstellung zu vermeiden“, so das Erzbistum. Eine „Gutachten-Kommission“ aus Laienkatholiken und Priestern soll stellvertretend für die Öffentlichkeit aufzeigen, wo und von wem vertuscht und verschleppt wurde. Auch ein „Betroffenenbeirat“ sei im Entstehen, so Erzbischof Heiner Koch.

Das Gutachten im Internet: tinyurl.com/Gutachten-Erzbistum

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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