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Widerstehen und widersprechen

An der Seite von Juden stehen, um des ­Juden Jesus und um der Wahrheit der Schrift willen

Grafik: Uwe Baumann

Von Kristóf Bálint

Erstklässler Noah steht am Fenster und sieht in den Himmel. Es ist spät. Die Sterne funkeln in der Dunkelheit. Versonnen blickt er in das Heer der Sterne und sagt zu seinem Opa hinter ihm: „Opa, ich mag Sterne gern. Sie funkeln so schön.“

Anderntags gehen beide einkaufen. Am Schaukasten der Kirche klebt ein Stern. Er ist gelb, in ihm steht ein Wort. Im Hintergrund die Andeutung von KZ-Häftlings­klei- dung und zwei Worte: „Wieder   soweit?“ Noah bleibt stehen und betrachtet ihn. „Was ist das für ein gelber Stern? Der sieht komisch aus.“

Dieser Stern ist ein Zeichen für G’TTes Volk. In dessen Sprache heißt er „Schild Davids“. Er ist letztlich zum Zeichen des Volkes geworden. Noah fragt nach: „Ist das da ein Aufkleber der Juden?“ „Nein und ja. Der jüdische ist blau. Ihn trennt viel vom gelben Stern. Den blauen Stern nutzen die Juden bis heute mit Stolz. Beim gelben ist das anders und eine lange Geschichte.“

Noah, der Geschichten mag, sagt: „Erzähl sie mir, Opa.“ Opa überlegt, wie er kindfasslich das Grauen schildert, das selbst Erwachsenen nicht eingeht, wurde doch schließlich fast genau vor 80 Jahren am Wannsee der Holocaust im ­Detail geplant.

„Du musst wissen, dass dem Volk der Juden Entsetzliches widerfahren ist. Unzählig viele Menschen, soviel wie Du Sterne siehst, wurden getötet. Wer Jude war, musste ihn als Erkennungszeichen tragen. Später wurde er von den Nazis abgeholt und im Konzentrationslager umgebracht. Die Nazis wollten alle Juden vernichten.“ Noah betrachtet seinen Opa, dessen Stimme stockt. Er spürt, dass ihm das Reden darüber nicht leicht fällt.

„Steht da jetzt Jude im Stern?“ „Nein, da steht Ungeimpfter – ein ungeheuerlicher Vergleich.“ Mit Ungeheuern kennt Noah sich aus, denn er liebt auch Drachen und Ritter. „Wieso Ungeheuer?“ bohrt Noah nach. „Wenn Du später einmal Bilder siehst, was Juden angetan wurde, dann wirst Du verstehen. Das ist so schrecklich. Noch nie ­haben sich Menschen etwas derart Schreckliches angetan. Deshalb findet es Opa eine Ungeheuerlichkeit, dass Menschen jetzt glauben, dass es Ihnen genauso (er)geht.“

Nach einer kurzen Pause: „Du weißt ja, dass Du nicht lügen sollst, weil ich Dir sonst nicht vertrauen kann!“ „Und umgedreht“, erwidert der kleine Steppke sogleich. „Aber hier lügen Menschen und behaupten das sei die Wahrheit. Sie behaupten mit diesem Stern, dass Sie von der Regierung genauso verfolgt werden, genauso schikaniert und genauso umgebracht wie von den Nazis. Sie gehen montags auf die Straße und rufen ‚Wir sind das Volk‘, weil wir das vor 30 Jahren ­gegen eine Diktatur schon einmal gemacht haben. Doch damals stand uns die Polizei drohend mit Waffen gegenüber. Heute begleitet die Polizei diese Aufmärsche und sorgt für Ordnung. Dabei sind das nur Wenige, die nicht einmal Angst haben müssen vor den Folgen ihres Protestes, so wie wir ­damals. Die wirklichen Diktaturen haben Menschen verfolgt und im schlimmsten Fall sogar getötet. Das alles, wird nun mit diesem und anderen Aufklebern behauptet, sei heute genauso. Es ist eine schwer zu verstehende Welt, in der wir leben, mein Noah.“

Was wie ein ersonnener Dialog wirken könnte, ist Realität auf unseren Straßen. Menschen behaupten, dass es ihnen so geht wie den Juden, weil sie sich nicht impfen lassen wollen. Die Aufkleber existieren, werden auf Kirchen und Schaukästen in der EKBO geklebt, im Hintergrund KZ-Sträflingskleidung. Hat denn keiner die Bilder von Leichenhaufen, Brennöfen von Topf & Söhne und ausgemergelten, befreiten Menschen vor Augen, der solch Widersinniges behauptet? Ist die Wahrheit beliebig formbar geworden und von der Freiheit der Rede und Meinung gedeckt? Solche Aufkleber dürfen straffrei in Deutschland gedruckt werden – schon das ein Beweis für die Lüge.

Was tut not? Solchen Behauptungen widerstehen und widersprechen. Aufkleber abziehen. An der Seite von Juden stehen, um des ­Juden Jesus und um der Wahrheit der Schrift willen. Uns die Frage stellen, was mache ich, wenn ich ­gegen Coronamaßnahmen protestiere? Ist es richtig, gegen etwas zu protestieren, das dem Schutz der Allgemeinheit dient, auf die jede:r von uns ­angewiesen sein kann?

Dialogangebote schaffen. Wer unter 40 ist, weiß nicht mehr, was eine Diktatur ist. Ihm/ihr muss dies von uns Älteren erklärt werden, damit der Unterschied deutlich wird.

Uns ist gesagt: „Wenn ihr ­bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Diese Wahrheit gilt es zu verteidigen – aus der Schrift.

Kristóf Bálint ist Generalsuperintendent des Sprengels Potsdam. 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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