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„Wir brauchen Führungsfrauen“

Seit 2004 ist Pfarrerin Dorothea Braeuer Personalreferentin für die Ordinierten in der Landeskirche und Referatsleiterin für die Spezialseelsorge. Nun geht sie in den Ruhestand. Zum Abschluss verriet sie im Interview mit Maike Schöfer, welche Momente ihre Arbeit bereichert haben, wie man junge Pfarrer*innen aufs Land locken kann und warum es sich lohnt, den Pfarrberuf zu ergreifen.

Dorothea Braeuer
Gemeinsam mit Anja Siebert-Bright (links) und Christina-Maria Bammel (rechts) rief Dorothea Braeuer 2019 ein Mentoringprogramm für Frauen in Führungspositionen ins Leben. Die Erhöhung des Frauenanteils auf der mittleren Leitungsebene der Kirche ist ihr ein wichtiges Anliegen gewesen, denn: „Hier werden Zukunftsfragen verhandelt.“ Foto: Sibylle Sterzik

Frau Braeuer, was hat Sie damals bewogen, in die Personalabteilung des Konsistoriums zu gehen?

Nach 15 Jahren erfüllendem Pfarrdienst in der Matthäus­gemeinde in Berlin-Steglitz, davon zwei Jahre als stellvertretende Superintendentin, suchte ich eine neue Perspektive auf den Pfarrdienst. Das Konsistorium war mir damals noch eher fremd und fern, doch nach einigen Ermutigungen bewarb ich mich und wurde zu meiner Überraschung durch die Kirchenleitung gewählt. Ich hatte nicht damit gerechnet, denn ich kam aus dem Westteil Berlins und war nicht promoviert. 

Was war die schönste Veränderung in Ihren Dienstjahren, was die Pfarrer*innen im ordinierten Dienst betrifft und in der Spezialseelsorge?

Nach den einschneidenden Sparbeschlüssen Ende der 1990er Jahre konnten wir in der Zeit der guten Einnahmen einige Bereiche wieder aufbauen. So arbeiten inzwischen wieder 20 evangelische Geistliche in der Gefängnisseelsorge. Die Notfallseelsorge, die Flughafenseelsorge und die Feuerwehrseelsorge haben feste Pfarrstellen, die Telefonseelsorge ist im landeskirchlichen Haushalt verankert und die Krankenhausseelsorge hat durch die Verlagerung in die Kirchenkreise viel Aufwind bekommen. Im Pfarrdienst freue ich mich über den wachsenden Anteil der Frauen. Inzwischen sind es 40 Prozent.

Sie haben als Frau besonders Frauen gefördert, zuletzt mit dem Mentoringprogramm für Frauen in Leitungsfunktionen. Was war Ihnen dabei wichtig?

Mein Ziel war, vor allem den Anteil der Superintendentinnen zu erhöhen, denn im Gesamtephorenkonvent liegen wir aktuell immer noch bei nur rund 15 Prozent mit vier Superintendentinnen und 21 Superintendenten. Hier werden Zukunftsfragen unserer Kirche verhandelt, und diese sollen nicht nur von einer homogenen Gruppe beraten werden, sondern von der gleichen Anzahl von Frauen und Männern. Aber auch an anderen Stellen brauchen wir Führungsfrauen.

Was haben Sie als besonders schön in Ihrem Amt empfunden?

Die vielen Gespräche mit den Pfarrerinnen und Pfarrern, die eine neue berufliche Perspektive suchten. Es machte mich glücklich, wenn wir die richtige Stelle oder eine andere Lösung fanden. Besonders schön war auch das Eingebundensein in den Kreis der Kolleginnen und Kollegen im Konsistorium und in den Konvent der Superintendentinnen und Superintendenten im Sprengel Potsdam, die Vernetzung in der EKD sowie die strukturierte und konzentrierte Arbeit in den Gremien. 

Und was hat an Ihren Nerven gezerrt?

Belastend war, wenn sich Konflikte im Pfarrdienst so verhärtet hatten, dass keine Dialogbereitschaft zu erkennen war und jede kritische Reflexion des eigenen Anteils fehlte.   

Sie sind dafür zuständig, Pfarr­stellen zu besetzen. Wie viele offene Stellen gibt es aktuell?

Zurzeit sind vier Stellen zum ersten Mal und acht Stellen erneut ausgeschrieben. Dazu kommen etwa fünf Stellen, die gar nicht mehr ausgeschrieben werden, weil sich mehrmals niemand beworben hat.

Was macht die Besetzung schwer?

Die Anzahl der Stellen und der Pfarrer*innen ist nahezu ausge­glichen. Es gibt zurzeit nur wenige Bewerbungen, möglicherweise ist das Aufbrechen in eine neue Stelle in der Corona-Zeit schwerer als sonst, weil es ja immer die ganze mitziehende Familie betrifft. Pfarrstellen in und um Berlin sind einfacher zu besetzen als Landpfarrstellen, denn hier lassen sich leichter Arbeitsplätze für die Partner*innen finden. 

In den nächsten Jahren geht fast die Hälfte der Stelleninhaber*innen in den Ruhestand. Droht eine Unterversorgung der Gemeinden?

Es kommen aber auch jedes Jahr rund 20 junge Pfarrerinnen und Pfarrer und einige aus anderen Landeskirchen wieder dazu. Der Rückgang der Einnahmen und die kleiner werdenden Gemeinden fordern zu neuen Konzepten heraus. Es wird in der EKBO aber immer den Pfarrdienst geben, der sich gemeinsam mit Ehrenamtlichen und mit anderen kirchlichen Berufen und kommunalen Angeboten vernetzt und kirchliches Leben in vielfältigen Formen gestalten wird.

Welche Ideen oder Anreize gibt es in der Landeskirche, um junge Theolog*innen zu bewegen, aufs Land zu gehen?

Die Weite und Schönheit des Landes Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz, alte Dorfkirchen und sanierte Pfarrhäuser auf großen Grundstücken, grüne Alleen, blauer Himmel, tiefe Seen. Das Pfarramt auf dem Lande wird wahrgenommen und geachtet und die Pfarrer*innen werden mit offenen Armen empfangen. Eine „Landzulage“ gibt es nicht, denn jeder Pfarrdienst hat andere Lasten und Freuden, und es wäre schwer, den Pfarrdienst auf dem Lande durch Anreize höher zu bewerten. Die beste Werbung sind Pfarrerinnen und Pfarrer, die sich bewusst für eine Landpfarrstelle entschieden haben.

Sie sagten einmal in einem Video, Pfarrer schauen in Abgründe. Welche können das sein?

In der Seelsorge müssen die Pfarrerinnen und Pfarrer vieles hören und bei sich behalten, was kaum auszuhalten ist: Schuld, körperliches und seelisches Leid, Missbrauch, Gewalterfahrungen, ethische Konflikte am Anfang und Ende des Lebens und vieles mehr. Besonders in der Spezialseelsorge sind sie für Menschen da, die oft gar keinen Bezug (mehr) zur Kirche haben, aber durch die Seelsorge eine entlastende und heilsame Begegnung erfahren.

Was macht einen Pfarrer im beruflichen Leben glaubwürdig? Und im privaten Leben?

Verkündigung, die den biblischen Text mit dem Alltag der Menschen verbindet, seelsorgerliche Zuwendung, Freude an Begegnungen mit allen Menschen, Verlässlichkeit, Aufrichtigkeit, Uneitelkeit. Und im privaten Leben ebenso glaubwürdig zu bleiben.

Was würden Sie Studierenden sagen, wenn Sie fragen, warum es sich lohnt, den Pfarrberuf zu ergreifen?

Es ist ein wundervoller Beruf, viele Antworten nach dem Sinn und der Tiefe des Lebens finden sich in der Theologie: Ihr habt die Chance, junge und alte Menschen an den Übergängen des Lebens zu begleiten, Menschen in den Gemeinden zusammenzuführen und eure musikalischen, literarischen, betriebswirtschaftlichen und anderen Gaben einzubringen.

Welche Ratschläge geben Sie Ihrer Nachfolgerin mit auf den Weg?

Keine. Sabine Habighorst ist eine sehr kompetente, leitungserfahrene und in der Seelsorge hervorragend ausgebildete Pfarrerin. Ich freue mich sehr, dass sie gewählt wurde. Sie wird es gut machen.

Dorothea Braeuer wird am Montag, 14. Dezember, um 9 Uhr bei der Andacht in der Bartholomäuskirche in Berlin-Friedrichshain verabschiedet. Anmeldung erforderlich, E-Mail: a.greiner(at)ekbo.de

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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