Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen”

Die Zukunft der Dorfkirche steht auf dem Spiel. Welche Ideen und Konzepte gibt es für den Erhalt dieser wichtigen Kulturdenkmäler? Der gelernte Steinmetz und diplomierte Architekt Frank Röger leitet seit 15 Monaten das Kirchliche Bauamt der EKBO. Am 10. September lädt er zu der Tagung „Dorfkirchen: Geliebt, aber akut bedroht“ in die Uckermark nach Prenzlau in die St.-Jacobi-Kirche ein. Im Interview mit Uli Schulte Döinghaus spricht Röger über die Zukunft der Dorfkirchen in Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz.

Die Dorfkirche im Prignitzort Mesendorf (Kirchenkreis Prignitz) ist ein neugotischer Backsteinbau von 1897-99. Die Lütkemüllerorgel steht seit 1998 im Orgelmuseum Malchow. Noch hält die Substanz, aber die Natur bahnt sich ihren Weg.

Herr Röger, warum veranstalten Sie diese Tagung?

Ich bin seit etwa einem Jahr Leiter des Kirchlichen Bauamtes. In dieser Zeit habe ich versucht, einen Einstieg in die umfassende Thematik zu finden und die wesentlichen Probleme herauszufinden. Schnell wurde mir klar: Dazu gehören auch unsere Dorfkirchen. 

Das Thema ist nicht neu. Kirche und Kulturpolitik beschäftigen sich schon länger damit. 

Spätestens nach der Friedlichen Revolution war klar, dass es einen erheblichen Sanierungsstau an und in den Dorfkirchen gab. So gelang es mit dem sogenannten Dach-und-Fach-Sanierungsprogramm, diesen Instandhaltungsstau an den Außenhüllen sukzessive abzubauen. Mittlerweile sind circa 80 Prozent der Dorfkirchen saniert.

Die äußere Sanierung ist also weithin abgeschlossen, jetzt geht es in die Innenräume. Was muss da gemacht werden?

Mit den technischen Möglichkeiten von damals wurden zunächst die Außenhüllen, das heißt Dächer und Außenwände saniert. Heute stellen unsere Fachleute immer häufiger fest, dass Dachstühle zum Beispiel von Schwamm befallen sind und eine umfassende Sanierung nötig ist. Die Sanierung der Innenräume und Ausstattung ist aber ebenfalls wichtig, um einen angemessenen, schönen und sakralen Innenraum zu erhalten, in dem sich die Menschen gerne aufhalten und Gottesdienste feiern. Die Weiterentwicklung des kirch­lichen Lebens vor Ort soll damit ermöglicht werden.

Wie viele Dorfkirchen sind in der EKBO betroffen?

Wir gehen von 20 und 30 Prozent aller rund 1600 Dorfkirchen aus, also bis zu 500 Gotteshäuser, mit denen man sich beschäftigen muss. 

Wie viel kostet eine Dachsanierung? 

Je nach Größe der Kirche sind schnell Mittel in der Größenordnung von 200000 bis 400000 Euro erforderlich. Allein die Kosten für die Einrüstung sind immens. Nicht selten fallen aber noch weitere Sanierungskosten in ähnlicher Höhe an, wenn etwa Mauerwerk und Fenster der Kirche oder der Turm saniert werden müssen.

Das überfordert die dörflichen Kirchengemeinden, die als Eigentümerinnen auch Bauherren sind, bei Weitem. Selbst der einfallsreichste Gemeindekirchenrat kann für solche Sanierungskosten nicht genügend Rücklagen bilden.

Deshalb gibt es für die Sanierung von Dorfkirchen Fördermöglichkeiten. Zum einen gibt es Mittel des Landes Brandenburg, Denkmalschutzprogramme der Länder und des Bundes aber auch Förderung durch private und öffentliche Stiftungen und Organisationen, wie die Stiftung Deutscher Denkmalschutz, die Stiftung KiBa und die Lottomittel. Auch Fördervereine sammeln für die Sanierung von Dorfkirchen. Auf EU-Ebene gibt es ebenfalls Fördertöpfe zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Hier werden auch Mischnutzungskonzepte gefördert, etwa wenn Dorfkirchen sowohl von den Kirchengemeinden als auch „profan“ genutzt werden. Gelungene Beispiele hierfür ist die Nabu-Kirche in Temmen, die sowohl von Naturschützern als auch für Gottesdienste genutzt wird. Oder die Kirche in Barsikow/Prignitz, in der Pilger auf ihrem Weg übernachten können.

Springt der Staat grundsätzlich ein?

Gemäß dem Staatskirchenvertrag zwischen dem Land Brandenburg und der Landeskirche gibt das Land zum Erhalt für Kirchen und Klosterstifte in Brandenburg rund 1,5 Millionen Euro jährlich. Wir sind dankbar für die Unterstützung, allein diese Mittel reichen kaum dafür aus die Dorfkirchen zu unterhalten, insbesondere unter dem Aspekt stark steigender Baustoffpreise.

Allein der Baustoff Holz ist so teuer wie nie. 

Wir hoffen natürlich alle, dass dieser exorbitante Preisanstieg sich zum Jahresende wieder einpegeln wird. Aber die Baustoffpreise werden auch in Zukunft weiter steigen, deshalb wäre es aus unserer Sicht zielführend, wenn bei Verhandlungen mit dem Land Brandenburg auch „Wertsicherungsklauseln“ in den Staatskirchenvertrag mit aufgenommen werden. Dabei geht es in erster Linie um Hilfe zur Selbsthilfe. Die Kirchengemeinden, die Kirchenkreise und die Landeskirche geben zum Erhalt der Dorfkirchen ebenfalls ihr finanziell Möglichstes. Aber nur gemeinsam können wir es schaffen, die Dorfkirchen für die Zukunft zu erhalten. 

Was hat das Gemeinwesen davon?

Die Dorfkirchen in Brandenburg stellen einen großen Kulturschatz dar. Häufig sind die Dorfkirchen die ältesten, größten und bedeutendsten Gebäude im Ort. Sie sind Zeichen nicht nur des christlichen Lebens sondern auch der Geschichte und Identität des Ortes und der Landschaft. Der Erhalt dieser Kulturdenkmäler sollte deshalb auch ein wichtiges Ziel des Gemeinwesens sein, denn ohne diese Gebäude wird sich das Dorf verändern. Ich habe die große Sorge, dass die Kirche allein den Erhalt der Dorfkirchen in der Zukunft nicht mehr gewährleisten kann. Es gäbe dann nur eine Alternative: Statt Sanierung nur noch Notsicherung der Gebäude zur Gefahrenabwehr.   

Kein gutes Aushängeschild, weder für die kirchliche noch für die kommunale Gemeinde. Was also wäre eine befriedigende Lösung für das größte, ansehnlichste und älteste Haus im Dorf?

Ich sehe drei wesentliche Faktoren, die sich geändert haben und die uns nun zum Handeln bewegen: der Mitgliederschwund innerhalb der Kirchen, der auch andere Körperschaften wie zum Beispiel Parteien und Vereine trifft, die demografische Entwicklung auf dem Lande und erforderliche bauliche Veränderungen an den Kirchen durch Klimawandelanpassungsmaßnahmen. Wir müssen verhindern, dass an vielen Dorfkirchen in der Zukunft provisorische Bauzäune errichtet, Blech­dächer montiert und auf Dauer die Kirchen geschlossen werden. 

Bauzäune und Blech statt dörf­licher Denkmale. Mindestens jede dritte Dorfkirche könnte betroffen sein. Sie malen ein ziemliches Schreckgespenst an die Wand.

Nicht nur ich allein bin in großer Sorge. Aber wenn wir nicht gemeinsam versuchen, innerhalb der nächsten Jahre Lösungen zu erarbeiten, die zukunftsfähig sind, wird es genau darauf hinauslaufen. Wir müssen uns jetzt zusammensetzen, um nicht in zehn Jahren mit dem Rücken an der Wand zu stehen. 

Viele der 1600 Dorfkirchen in Brandenburg werden vielleicht einmal im Monat oder zu den hohen kirchlichen Feiertagen genutzt – im Winter gar nicht. Die Dorfbevölkerung altert rapide, nur noch jeder zehnte Bewohner gehört der Kirche an. Was also tun?

Auch das ist ein Schwerpunkt unserer Tagung in Prenzlau. Nur genutzte Gebäude können auf Dauer erhalten bleiben. Es werden deshalb dringend Mit-, Um- und Weiternutzungskonzepte für Dorfkirchen gesucht. Die Ideen hierfür entstehen natürlich vor Ort. Wir werden bei der Tagung diese Themen mit den Akteuren vor Ort andenken und Beispiele zeigen. Es geht dort auch um die dringend erforderliche Vernetzung aller, die sich für die Zukunft der Dorfkirchen interessieren. Denn wenn wir von kirchlicher Seite den Bedarf nicht mehr haben und wir zugleich davon ausgehen, dass nur ein benutztes Gebäude überhaupt unterhalten und gepflegt werden kann, dann muss man sich Gedanken machen, was für Nutzungsalternativen möglich sind. 

In den Dörfern fehlen Kneipen und Vereinsheime. Also hier ansetzen? 

Warum nicht das Dorfgemeinschaftshaus in der Kirche – das wäre für einige Dorfkirchen eine Möglichkeit. Die Denkmalpflege muss natürlich frühzeitig einbezogen werden, da viele Fragen zu klären sind wie der Einbau einer Toilettenanlage oder einer Teeküche oder zur Barrierefreiheit. Auch für das Kirchenleben als Ganzes kann es ein großer Gewinn sein, wenn eine Kirche nachhaltig und mehrfach genutzt wird. Die Gefahr des Verlustes der Dorf­kirchen als sakraler Raum aber auch als identitätsstiftendes Kulturgut wäre dann gebannt.

Manche denken an Privatisierung. Sparkassen oder Boutiquen, wo einst „Großer Gott wir loben Dich“ geschmettert wurde? 

Das sind aus meiner Sicht keine gelungenen Beispiele für eine „Profanisierung“. Kirchen kann man nicht so einfach abgeben, das Symbol Kirche als Gebäude bleibt ja bestehen, auch wenn der Inhalt sich ändert. Es muss in jedem Fall eine Einzelbetrachtung erfolgen. Konzepte,  die funktionieren, kann man nicht einfach von einem auf den anderen Ort übertragen. Vermeintlich gute Lösungen sollte man regelmäßig auf ihren Nutzen überprüfen.

Aber Leerstand oder seltene Nutzung können auch keine Lösung sein.

Kirche muss sich öffnen, insbesondere die betroffenen Kirchen­gemeinden vor Ort. Und zwar für Ideen anderer Akteure, die diesen Raum mitnutzen möchten. Da gibt es oftmals – verständlicherweise – erst einmal Vorbehalte und Zurückhaltung. Aber: Wenn Offenheit da ist, dann entsteht Diskussion und Lebendigkeit, egal ob sie von der christlichen Gemeinde oder der Dorf­gemeinschaft ausgeht, und es entstehen Projekte für die Dorfkirchen und natürlich Partner. Dieser Prozess ist ein langer, aber auch interessanter Weg, da es um die Potenziale vor Ort geht und letztendlich um die Frage: Wie möchte ich hier leben?

Tagung „Dorfkirchen: Geliebt, aber akut bedroht“. Am 10. September 2021 von 10–17 Uhr im Gemeindezentrum St. Jacobi, Prenzlau. 

Kontakt & Anmeldung online bis Sonntag, 9. August:

Kirchliches Bauamt der EKBO,
E-Mail: bauamt(at)ekbo.de
Telefon: 030 24344-389

Das Anmeldeformular finden Sie unter folgendem Link: kirchenbau.ekbo.de

Die Veranstaltung wird auch im Internet übertragen:

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.