Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Wir stehen zusammen

Eine Welt, in der wir füreinander da sind. Oder: Die zwei Gesichter Europas

Foto: pixabay

Von Christian Stäblein

Das Gesicht Europas ist klar erkennbar. Schrecken und Entsetzen über den Angriffskrieg Putins äußern sich in großer Hilfsbereitschaft für die Menschen, die dem Bombenterror in der Ukraine entfliehen. Inzwischen sind über sechs Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht, nach Polen, Rumänien, in die Slowakei, in viele Länder Europas und auch nach Deutschland. Ich bin berührt von dieser ­Bereitschaft beizustehen. Kirchengemeinden und Kommunen in Brandenburg, in der schlesischen Oberlausitz und in Berlin unterstützen professionell und zutiefst menschlich. 

Bei einem Besuch im Barnim etwa erlebe ich, dass Mütter mit ­ihren Kindern durch Vermittlung der Kirchengemeinden eine Unterkunft gefunden haben. Und die Berliner Schulverwaltung hat gleichsam von heute auf morgen gut 4000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler ins Schuljahr integriert. Drittes Beispiel: In der Markusgemeinde in Berlin-Steglitz wurde über Nacht das ­Gemeindehaus zur Unterkunft für Geflüchtete. Gerade die in beson­derer Weise Verwundeten und ­Menschen mit Behinderung finden hier Zuflucht. Wir sind Kirche mit ­Geflüchteten, das gehört zu uns. Danke allen, die dafür sorgen. Wir stehen zusammen. Europa steht ­zusammen. Dieses Gesicht Europas ist klar erkennbar.

Gestorben auf der Flucht


Daneben gibt es ein zweites Gesicht. 48 000 Namen werden in der Passionskirche in Kreuzberg von Freitag bis Montag vorgelesen. Es sind die Namen der Menschen, die bei ihrem Versuch, nach Europa zu fliehen, ihr Leben verloren haben, von 1993 bis heute. Eine erschreckende Zahl, die ich mir in ein Bild übersetze: Eberswalde hat um die 41000 Einwohnerinnen und Einwohner. Mehr Menschen als in ­dieser Stadt leben, sind an der „Festung Europa“ zerbrochen. Im Mittelmeer ertrunken. In Last­wagen erstickt. Auf Lesbos in die Mühlen europäischer Ignoranz ­geraten. Das ist das andere Gesicht.

Wir wissen davon und haben ­wiederholt gesagt: An den Grenzen Europas zeigt sich, ob die Werte, für die wir stehen, Bestand haben. Oder ob sie längst untergegangen sind. 

Über 100 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Zu den Gründen, warum sie ihr ­Zuhause verlassen, gehören Krieg, Hunger und Verfolgung, aber auch die Folgen des Klimawandels, der Regionen unbewohnbar macht. Nichts von dem ist neu für uns. Es gilt, Fluchtursachen, wo immer möglich, zu bekämpfen, Lebens­verhältnisse so zu verändern, dass Leben in den verschiedensten Heimaten dieser Welt (wieder) möglich wird. Entwicklungshilfe ist unersetzlich. Ich könnte nicht verstehen, wenn die neue Regierung gerade hier den Rotstift ansetzen will. 

Verengter Blick


Menschen, die auf der Flucht sind, verdienen ein menschen­würdiges Willkommen. Es geht ja nicht darum, 100 Millionen Menschen in Europa aufzunehmen. Der Weltflüchtlingstag, den wir am 20. Juni begehen, war bis zum Anfang dieses Jahrtausends der Afrika-Flüchtlingstag. Weil die Länder auf dem afrikanischen Kontinent sich besonders bei der Aufnahme von Geflüchteten engagieren. Ebenso wie die Länder in Asien in Nachbarschaft zu Syrien. Wir haben nicht selten einen verengten Blick auf die Hilfe, die wir in Deutschland leisten. Migration ist eine Welt­herausforderung. Deshalb begehen wir kommenden Montag den Weltflüchtlingstag. 

Die Frage von Flucht und der ­Suche nach einem Ort zum Leben steht im Kern biblischer Geschichten. Eines der ersten Bekenntnisse der Bibel beginnt mit den Worten: Mein Vater war ein verloren gegangener, fliehender Aramäer. Die Urerfahrungen der Bibel erzählen von dem Gott, der mitgeht, der bei dem Menschen ist, der flieht. Jakob etwa. Oder die Eltern Jesu. Im Kern des Glaubens hütet der Gott, der mitgeht. Mit flieht. Mit ankommt. Die EKBO ist Kirche mit Geflüchteten. Dabei geht es nicht um gönnerhaftes Herunterbeugen, es geht um den Reichtum und die Vielfalt, um Weisheit und das Menschliche, das uns in jenen begegnet, die zu uns kommen. In ihnen begegnet Gott.

Ich bin dankbar, dass die ukrainisch-orthodoxen Christinnen und Christen in der Nathanael-Kirche in Friedenau ein Zuhause gefunden haben. Neben Dach, Essen und Trinken ist Gottes Nähe erinnern ein elementares Menschenrecht. Und ich bin froh, dass die 48 000 Namen der Menschen bis zum Weltflüchtlingstag einmal in unserer Kirche laut ausgesprochen werden. Im Namen Gottes: Es ist eine Welt, in der wir füreinander da sind. Und es kann nur ein Gesicht Europas geben.   

Gedenkaktion Weltflüchtlingstag 2022: Beim Namen nennen – über 48 000 ­Opfer der Festung Europa. 44 Stunden vom 18.-20. Juni.  Sa 8 Uhr - So 11.30 Uhr. So 12.30 - 24 Uhr, Mo, 14-18 Uhr. Passionskirche, Marheinekeplatz, Berlin

Christian Stäblein ist Bischof der EKBO und Flüchtlingsbeauf­tragter der EKD. 

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.