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Zum Aufbruch bereit

Gemeindestrukturgesetz, Ältestenwahl und Hoffnung: Die Frühjahrstagung der Landessynode

Von Sibylle Sterzik und Friederike Höhn

Meinungsstark, debattierfähig und optimistisch: So präsentierte sich die Fünfte Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz bei ihrer ersten Arbeitstagung am vergangenen Freitag und Samstag. Wie schon die Synode im Herbst und die konstituierende Sitzung im Februar fand auch diese Tagung, erstmals unter Leitung von Präses Harald Geywitz, als Videokonferenz statt.

Wie lässt sich Aufbruch gestalten?

Gleich zu Beginn ging es lebhaft zu: Das vom Ältestenrat vorgeschlagene Rahmenthema der Legislaturperiode „Wer aufbricht, der kann hoffen“, eine Zeile aus dem Lied „Vertraut den neuen Wegen“ (1989) von Klaus Peter Hertzsch, begrüßten die Synodalen einhellig. Doch welche Themen dazu auf der Tagesordnung künftiger Synodal­tagungen bis 2026 stehen sollen, gab Anlass zur Diskussion. 

Zu sehr nach innen gerichtet seien die vorgeschlagenen Themen Stärkung der Gemeinden, Zusammenarbeit zwischen Kirche und Diakonie, Bürokratieabbau, Intensivierung der Ökumene sowie zeit­genössische Kommunikation. Es fehle das Thema Mission und die Arbeit für den Klimaschutz sowie die Erneuerung von Glauben und Spiritualität, monierten die Synodalen. Diese wurden ergänzt. Bevor sich eine Grundsatzdiskussion zur Frage „Wie kann Erneuerung geschehen?“ entwickelte, beschloss die Synode, dass alle Ausschüsse bis zur Herbsttagung über das Thema diskutieren sollen und es bei der Herbsttagung auf die Tagesordnung zu setzen.

Auch beim üblicherweise eher unspektakulären Beschluss zur Annahme des Jahresberichts des Amts für kirchliche Dienste entspannte sich eine Debatte über das kirchliche Leben der Zukunft. Angeregt von einem Beitrag über postparochiales Leiten debattierte die Synode darüber, ob sich die EKBO immer mehr zur Projektkirche entwickele – Stichwort „Dritte Orte“ – und dabei die Orts­gemeinden vergesse. Dabei sei gerade die regionale strukturelle Präsenz von Kirche als Gegenüber von Politik und Kommunen ihre Stärke, so Claudia Wein. Bischof Christian Stäblein, der den Begriff „Dritte Orte“ für neue Formen kirchlicher Präsenz geprägt hat, bat das Präsidium darum, das Thema für eine der kommenden Tagungen vorzubereiten.

Rolle von Nicht-Kirchenmitgliedern im kirchlichen Leben

Erwartet hitzig ging es auch bei der Aussprache zum Kirchengesetz über kirchengemeindliche Strukturen weiter. Wie können kleinste Gemeinden ihrem Auftrag nachkommen, ohne von Verwaltungsaufgaben überlastet zu werden? Vorgeschlagen wurden die Bildung von Zusammenschlüssen als Pfarrsprengel oder Gesamtgemeinden, um die Zahl der Körperschaften zu verringern. Auf Gemeindeebene würden Ortskirchenräte entstehen, die das gemeindliche Leben vor Ort organisieren. 

Lange wurde diskutiert, ob in die Ortskirchenräte, wie es die Vorlage der Kirchenleitung vorsah, auch Nicht-Kirchenmitglieder berufen werden sollten. Befürchtet wurde eine Verwässerung des Wesenskerns als Gemeinschaft von Gläubigen. Demgegenüber votierte die Prignitzer Superintendentin Eva-Maria Menard für die Berufung von nichtkirchlichen Mitgliedern. „Wovor haben wir Angst?“ fragte sie und begrüßte eine neue „Bewegungsfreiheit“. Andere Synodale sahen darin auch eine missionarische Chance, etwa Pfarrerin Anna Trapp: „Es ist das Beste, was wir in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen werden“, sagte sie zum Gesetz.

Das beschlossene Kirchengesetz stellt nun sicher, dass in einem Ortskirchenrat mindestens vier gewählte Ortskirchenräte höchstens zwei Nichtkirchenmitglieder berufen können. Die Synode sprach sich zugleich dafür aus, die Zahl ihrer mehr als 1000 Gemeinden zu verringern und künftig eine Mindestzahl von 300 Gemeindegliedern einzuführen. Darüber soll bei der Herbst­tagung entschieden werden.

Ältestenwahlgesetz vertagt

Hoch her ging es auch bei den Beratungen zum Ältestenwahlgesetz. Hier sollte diskutiert und beschlossen werden, die Gemeindekirchenräte aus Kostengründen nicht mehr alle drei Jahre, sondern nur noch alle sechs Jahre neu zu wählen -wie in fast allen Mitgliedskirchen der EKD üblich. Der Grund: Kosten und Aufwand zu sparen. Druck für diese Entscheidung entstand durch die bald anstehenden Vorbereitungen für die GKR-Wahlen im Herbst 2022.

Dazu wurde vorgeschlagen, diese ausfallen zu lassen. Folglich würde sich die Amtszeit der 2016 gewählten Ältesten von sechs auf neun Jahre verlängern. Gegen den Entwurf votierten vor allem Jugendvertreter. Eine Verpflichtung für sechs Jahre sei für einen jungen Menschen unrealistisch, so Jan Schönrock. Der von ihm und Sigrun Neuwerth vorgeschlagene Vierjahreszyklus fand am Ende allerdings zunächst keine Mehrheit. Pfarrerin Katharina Köhler befürwortete den Gesetzentwurf: Drei Jahre seien als Amtszeit viel zu kurz, um in die Arbeit hineinzufinden. Der Ordnungsausschuss stellte fest, dass die Amtszeit nicht ohne weiteres verlängert werden könne. Ausschussvorsitzender Fabian Eidtner überzeugte das Plenum davon, die Wahl 2022 stattfinden zu lassen und für drei Jahre zu wählen und das Thema bei der Herbsttagung im Rahmen der ohnehin vorgesehenen umfangreichen Novellierung des Ältestenwahlgesetzes erneut zu diskutieren.

Zum Aufbruch gehören auch Buße und Erneuerung

Neben den schwungvollen Diskussionen stellte das Wort des Bischofs einen Höhepunkt der Synodentagung dar. Bischof Christian Stäblein dankte den Menschen in den Gemeinden für ihren Trost für Menschen in der Corona-Pandemie: „Wir sind da – mit dem Trost, der nicht uns gehört, aber der uns hat, ganz und gar, der uns bindet an Gott und frei macht für den Nächsten.“ Er erinnerte auch an die über 80 000 an den Folgen einer Corona-Infektion verstorbenen Menschen.

„Lasst uns eine mutige Kirche sein, eine in der Tradition von Worms“, rief er die Synodalen auf mit Bezug auf Martin Luthers Einstehen für das Evangelium vor 500 Jahren auf dem Wormser Reichstag. „Was diesen 18. April ausmacht, ist das: Hörbar wird eine Stimme, die aus innerer Freiheit heraus dem Aufbruch mehr vertraut als dem Beharren auf Institution und Tradition. Und das, genau das steht heute für eine Kirche, die sich evangelisch nennt. Das ist es, was wir uns und was wir den Menschen schuldig sind.“ Der Aufbruch gehöre zur DNA unserer Kirche, deshalb dankte der Bischof Präses und Präsidium für das Synodenmotto „Wer aufbricht, der kann hoffen“.

Aufbruch gebe es aber nicht ohne Buße und Erneuerung, so Stäblein. Und nannte zwei Gründe dafür: sexuellen Missbrauch und das Unrecht an gleichgeschlechtlich Liebenden in der Kirche. „Die Evangelische Kirche hat sich schuldig gemacht, als Menschen in dieser Kirche missbraucht worden sind, sexuell missbraucht (…) Wir haben uns schuldig gemacht an gleichgeschlechtlich Liebenden. Wir haben sie über Jahrhunderte diskriminiert, abgewiesen, in Nischen und ins Abseits gedrängt, aus der Öffentlichkeit und von Ämtern ferngehalten, an vielen Stellen ihr Leben zerstört, seelisch und körperlich.“ Im Juli will die Kirchenleitung darum das bereits im September 2020 ausgesprochen Schuldbekenntnis erneuern. 

Zur Schuldgeschichte der Kirche gehöre auch der Antisemitismus. Stäblein dankte für alle Dialogbereitschaft von jüdischer Seite. Und fügte hinzu: „Solange ich Bischof dieser Kirche sein darf, werde ich dem entgegen treten, wo auf welchem Hintergrund auch immer antijüdisches Gedankengut nicht benannt und so weiter tradiert wird.“

Abschließend dankte er für alle neu entstandenen digitalen Formate. „Diese Kirche ist aufbruchsbereit und aufbruchsfähig“, so sein Fazit. „Weil wir um den Trost im Sterben wissen, haben wir Mut zum Leben. Und Liebe für den Nächsten. Hier stehen wir also. Und laden ein. Laden alle ein, die an einer solchen Kirche mit bauen wollen, ob Distanzierte, Zweifelnde, Fragende. Kommt, lasst uns gemeinsam auf den Weg gehen, tun, was dran ist, erneuern, was nur ist, wenn es wird. Es ist Zeit für die Kirche der Reformation.“

Das Wort des Bischofs stieß bei den Synodalen auf uneingeschränkte Zustimmung. Präses Harald Geywitz regte dazu an, die Rede auf allen Ebenen zu teilen und breit zu diskutieren.

Weitere Beschlüsse und Personalia

Die Synode beschloss den Kollektenplan für die Jahre 2022 und 2023 sowie ein Kirchen­gesetz, das der Frauenarbeit und der Familienbildung in der EKBO je eigene neue Strukturen gibt. Für Details wird die Kirchenleitung noch eine Rechtsverordnung beschließen. Außerdem wird es künftig in der EKBO eine eigene durch Wahl legitimierte Pfarrvertretung geben, wie sie in fast allen Landes­kirchen der EKD üblich ist. 

Zudem wurden drei Synodale in die Ständigen Ausschüsse nachgewählt: Jürgen Engelhard in den Haushaltsausschuss, Wolfgang Bartsch in den Ausschuss Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung und Friedrich Wilhelm Haug in den Ausschuss Öffentlichkeit und Kommunikation, Digitalisierung und Vernetzung.

Präses Harald Geywitz verabschiedete Barbara Eschen als Landessynodale. 

Ihre Amtszeit als Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Ober­lausitz (DWBO) endet im Juni 2021. Als „Stimme der vielfältigen diakonischen Einrichtungen und Aktivitäten in unserer Landeskirche“ habe sie viele Synodale damit angesteckt, die diakonische Perspektive einzunehmen, so Geywitz und dankte ihr dafür im Namen des gesamten Kirchenparlaments.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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