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Zusagen an die Kirche wurden verletzt

Teil 1: Der Mauerbau und seine Vorgeschichte

DDR-Grenztruppen beim Ausbau der Grenzbefestigungen, ein Soldat der Volksarmee bewacht die Bau­arbeiten. Im Vordergrund stehen Passanten und ein Polizist aus Westberlin. Aufnahme vom August​ 1961. Foto: epd/akg-images

Wie war das damals, Ende der 1950er Jahre, im Vorfeld des Mauerbaus in West- und Ostberlin? Ingemar Pettelkau, Oberkonsistorialrat außer Dienst und namhafter ­Kirchenjurist der DDR, wirft einen Blick auf die damaligen weltpolitischen Konstellationen und die Ereignisse in der DDR, in deren Spannungsfeld sich die Evangelische Kirche befand. 

Von Ingemar Pettelkau

Der Mauerbau kam nicht unvermittelt. Maßnahmen an den Grenzen in ­Berlin hatten sich schon lange zuvor angekündigt. Am deutlichsten ­wurden die Vorzeichen in der Note der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) an die Westmächte, die BRD und die DDR vom 27. November 1958, dem sogenannten Chruschtschow-Ultimatum. Innerhalb von sechs Monaten sollte West­berlin zu einer entmilitarisierten Freien Stadt auf dem Territorium der DDR werden und dieser die Kontrollrechte zu Lande, zu Wasser und zur Luft über die Wege nach Westberlin zustehen. Westberlin sollte also, seiner Schutzmächte beraubt, einen Status erlangen, der heute vermutlich an den gegenwärtigen Status Hongkongs erinnern dürfte.

Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staatsregierung

In dieser Zeit gab es zwischen der Evangelischen Kirche und der Regierung der DDR Auseinandersetzungen, die ahnen ließen, was von dem Chruscht­schow-Ultimatum zu erwarten war. Im Juni und Juli 1958 hatten mit dem DDR-Ministerpräsidenten Gespräche stattgefunden, in denen eine kirchliche Respektierung des Sozialismus und im Gegenzug die Wahrung der Glaubens- und Gewissens­freiheit von Christinnen und Christen sowie die ungestörte Ausübung kirch­licher Arbeit zugesagt worden waren. 

Dennoch war das ganze folgende Jahr durch Verletzung dieser Zusagen und ständige kirchliche Beschwerden beim Ministerpräsidenten gekennzeichnet. Die Jugendweihe wurde mit staatlicher Unterstützung an den Schulen durch­gesetzt. Wer das Abitur machen wollte, sah sich mit der Aufforderung konfrontiert, an der Jugendweihe teilzunehmen. Die Bibelrüsten wurden als nicht gestattete kirchliche Ferien­lager und Freizeitveranstaltungen diffamiert und teilweise verboten. Am härtesten traf es die Christenlehre. Bestimmungen, die auf der Grundlage eines neuen Schul­gesetzes ergingen, erlaubten diese als außerschulische Veranstaltung frühestens zwei Stunden nach Unterrichtsschluss. Also keine Christenlehre in der siebten Schulstunde, keine Rücksichtnahme auf die Busverbindungen von den Dörfern zu den Schulen.

Die Frist des Chruschtschow-Ultimatums von sechs Monaten verstrich ohne Folgen für die Einheit der Kirche und für Berlin. 1959 wurde zwischen den Außenministern der beteiligten Mächte in Genf verhandelt, wenn auch ohne Ergebnis. Zahlreiche Besuche der leitenden Staatsmänner hatten für Entspannung gesorgt. Aber Vorschläge für UN-Truppen für Westberlin und sogar für den Verzicht auf freie Wahlen geisterten durch westliche Regierungskreise. 

Noch 1960 behauptete der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht in einer programmatischen Rede vom 4. Oktober, zu den Kirchen seien durch die ­Gespräche von 1958 normale Beziehungen hergestellt.

Verbot des Kirchentags 1961 in Ostberlin

In der Praxis sah es nicht so aus. Zum Beispiel wurde ein Kirchentag, der 1961 auch in Ostberlin geplant war, verboten. Die DDR setzte 1960/61 vieles durch, das Menschen, ­darunter viele Christinnen und Christen, veranlasste, über Westberlin aus der DDR zu flüchten: Die letzten Eigentümer von kleinen Privatbetrieben erhielten keine Bankkredite, sondern mussten die Banken als Kommanditisten in ihrer Firma akzeptieren, um als persönlich haftende Gesellschafter wenigstens noch eine Zeit lang ihren Betrieb selbst leiten zu dürfen. Selbstständige Handwerksmeister wurden, scheinbar freiwillig, Mitglieder von Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH).

Am härtesten traf es die Bauern. Sie sollten zu Industrie­arbeitern auf dem Lande werden. Dabei half die Aufspaltung der LPGs in die Kooperativen Abteilungen Tierproduktion und Pflanzenproduktion. Den Bäuerinnen und Bauern sollte dadurch zu einem 8-Stunden-Tag und zu besseren Wohnverhältnissen in den neuen Zentraldörfern mit Wohnungen in Plattenbauten verholfen werden. Nur waren viele von ihnen nicht gewillt, sich so weit von einem bäuerlichen Leben zu lösen und nur noch Arbeiterinnen und Arbeiter ohne den bisherigen Bezug zum bearbeiteten Land und Vieh zu sein. Lehrerinnen und Lehrer berichteten, sie seien in der Ausbildung genötigt worden, gemeinsam ihren Austritt aus der Kirche zu erklären. 

Ärzten und anderen Wissenschaft­lerinnen wurde deutlich gemacht, sie könnten erst nach Eintritt in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) in leitende Positionen gelangen. So standen manche Krankenhäuser in der DDR 1961 am Rande ihrer Arbeitsfähigkeit. Die DDR blutete aus. Täglich gab die Westberliner Rundfunkanstalt RIAS ­bekannt, wie viele Menschen aus der DDR wieder geflohen seien.

Im Vorfeld des 13. August wurden noch einige Nebelkerzen geworfen. So wurde für alle DDR-Bürger*innen, die in Westberlin arbeiteten, am 4. August 1961 zunächst unter Strafandrohung eine neuerliche Registrierung angeordnet. Am gleichen Tag folgte ein Magistratsbeschluss, der für diese sogenannten Grenzgänger*innen die Zahlung ihrer Miete und aller öffentlichen Gebühren einschließlich Rundfunk, Fernsehen und sogar der Hundesteuer in Westmark vorschrieb. Das betraf natürlich auch einige kirchliche Mitarbeitende von Gemeinden in Westberlin.

Am 12. August 1961 beschloss der ­Ministerrat der DDR die Schließung der Grenzen zu Westberlin auf der Grundlage einer Erklärung der Warschauer Vertragsstaaten vom gleichen Tag. Als Hauptgrund wurde in dieser Erklärung „Wühltätigkeit gegen die DDR“ angegeben. Zudem sei der Beschluss dadurch notwendig worden, dass sich ein gewisser Teil von labilen Bürgerinnen und Bürgern durch Betrug, Korruption und Erpressung veranlasst sah, nach Westdeutschland zu gehen, wo sie in großem Umfang für Spionageorgane angeworben würden.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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