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Zweimal auf der falschen Seite des Gesetzes?

Zwangsumgesiedelte an der innerdeutschen Grenze mussten lange um die Anerkennung dieses Unrechts kämpfen. Einer von ihnen: Burghard Sültemeyer.

Zwangsumsiedlung DDR, Aktion Ungeziefer, Sperrgebiet Elbe
Für seine Rechte ging Burghard Sültemeyer 1995 auf die Straße. Das Plakat von damals hat er noch. Foto: Susanne Atzenroth

Von Susanne Atzenroth 

Burghard Sültemeyer erlebte eine unbeschwerte Kindheit am Elbdeich. Familie und Freunde waren seit Generationen Bauern in der Lenzerwische in der Prignitz. An den Morgen des 3. Oktober 1961, als die Polizisten an die Tür klopften, kann er sich noch genau erinnern. Er war acht Jahre alt und packte gerade in seinem Zimmer den Ranzen für die Schule. Plötzlich füllten verzweifelte Schreie und Schluchzer seiner Mutter das Haus. Die Beamten in Zivil hatten seinen Eltern soeben ein Schriftstück vorgelesen, nach dessen Wortlaut sie eine „Gefahr für Ordnung und Sicherheit im Grenzgebiet“ darstellten – mehr erfuhren sie nicht. 

Innerhalb von drei Stunden hatte die Familie Haus und Hof zu verlassen. Für das, was sie in dieser Zeit zusammenpacken konnten, standen Lastwagen zum Abtransport bereit. Der junge Burghard griff seinen Schulranzen und steckte noch ein Radio hinein, das weiß er genau. Dann brachten die Fahrzeuge die aufgelösten Eltern und ihr schnell zusammengepacktes Hab und Gut in ein 150 Kilometer entferntes Dorf in Mecklenburg, nach Klein Grenz. 

„Aktion Ungeziefer“ hießen die Zwangsumsiedlungen

Die Erinnerung daran ist auch heute – nach fast 50 Jahren – so präsent, dass sie ihm die Tränen in die Augen treibt. Mehr als 10000 Menschen im Sperrgebiet entlang der Elbgrenze der DDR wurden zwischen 1952 und 1961 in generalstabsmäßig geplanten Operationen gewaltsam ins Hinterland umgesiedelt. Decknamen dafür waren „Aktion Ungeziefer“ und „Aktion Kornblume“.

Die erste Nacht in Klein Grenz mussten sie auf Stroh in einer Scheune schlafen, ihre Möbel standen unter einer Plane draußen auf dem matschigen Hof. Dafür hatten die Eltern von Burghard Sültemeyer schon am ersten Tag zur Arbeit in der Landwirtschaftlichen Produk­tionsgenossenschaft (LPG) zu erscheinen. Dann kam sein Vater ins Gefängnis – unter dem reetgedeckten Dach ihres Bauernhauses sei angeblich Munition versteckt gewesen.

„Zu Zeiten der DDR durften wir nicht über das erlittene Unrecht sprechen. Wir erfuhren erst nach der Wende, wie viele Menschen wie wir betroffen waren“, erzählt Burghard Sültemeyer. „Manchmal wurden wir wie Verbrecher behandelt“, erinnert er sich. Einer seiner Lehrer habe ihm jeden Morgen einen Schlag auf den Kopf gegeben, die Mitschüler grenzten ihn aus. Erst als die Familie 1965 einen Bauernhof im havelländischen Großderschau erwarb, wo bereits andere Familienangehörige lebten, bekam ihr Leben wieder eine gewisse Normalität. Burghard Sültemeyer machte eine Ausbildung zum „Mechanisator für Landwirtschaft“ und arbeitet mit Begeisterung als Busfahrer, 30 Jahre war er Mitglied im Gemeindekirchenrat, sang im Chor und spielte mit bei den Bläsern.

Das Gefühl der Bedrohung verlor er bis zum letzten Tag der DDR nicht. Doch auch im wiedervereinigten Deutschland blieb ihnen die Anerkennung des erlebten Unrechts lange verwehrt. „Die Zwangsumsiedlungen waren im Einigungsvertrag nicht geregelt“, so Burghard Sültemeyer. Zehn Jahre schrieb er Anträge und beteiligte sich an Sammelklagen, bis die Familie ihre Ländereien in Mödlich zurückerwerben konnte. Für seinen Vater erstritt er mühsam die Rehabilitierung und eine Entschädigung von 8000 Euro. 

Trost fand Burghard Sültemeyer schon immer in der Musik und der plattdeutschen Sprache. Beides verbindet er, wenn er mit selbstübersetzten plattdeutschen Schlagertexten auf Geburtstagsfeiern auftritt.

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(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Kirchen erhalten.... Heinz-Walter Knackmuss Lieber Herr Röger,die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, hat auf meine Anregung eine Verordnung erlassen, dass mit Zustimmung des Denkmalschtzes und des Konsistoriums Photovoltaik auf Kirchen der Normalfall sein soll. Das wäre eine Möglichkeit die Stromversorgung der Kirchengebäude autark zu machen, denn die Akkus erlauben eine Versorgung bei Tag und Nacht und durch die Einspeisungen noch Geld zu Verdienen und evtl. eine Heizung zu betreiben. Nun sind aber die Pfarrer dagegen und blockieren solche Maßnahmen. Sie haben im voauseilenden Gehorsam Angst, dass der Denkmalschutz das Projekt für Ihre Kirche ablehnen würden oder führen ästhetische Gründe an. Ich würde gern für die SMA in Rathenow dafür eine Spenenaktion starten, aber es fehlt die Zustimmung des Pfarrers. Ich finde, die Kirchenleitung müsste auch die Pfarrer motivieren, solche Projekte zu unterstützen.Wenn es den Christen mit dem Erhalt der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, müssten Photovoltaikanlagen auf alle Kirchendächer.
2. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.
3. "Kontrast könnte nicht größer sein" Wolfgang Banse Die evangelische, protestantische Kirche sollte eindeutig Stellung, Position beziehen, wo sie steht im Bezug was die AFD betrifft.Lippenbekenntnisse sind nicht gefragt, sind fehl am Platz.Die Kirchen sollten sich intensiv beteiligen Ausländerfeindlichkeit, im Bezug:"Suchet der Stadt Bestes" Das Wächteramt, welches die Kirchen inne haben, sollte zum Vorschein kommen, im Bezug Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit,Behindertenfeindlichkeit.Aus der jüngsten deutschen Geschichte, hier 1933 bis 1945 sollten Lehren gezogen werden.Die Kirchen sind KPÖR, dieses sollten sie leben, erfahrbar werden lassen, im Bezug AFD. In drei neuen Bundesländern finden 2024 Landtagswahlen statt.Beide Amtskirchen sollten ein gemeinsames Wort zu den jeweiligen anstehenden Landtagswahlen herausgeben, im Hinblick auf die AFD.Flagge,Gesicht zeigen,wo für die Kirche, die Kirchen im Jahr 2024 stehen.

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