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Zwischen Trauer und Hoffnung

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe

Hochwasserkatastrophe Juli 2021: Zerstörte Wohnwagen auf dem Campingplatz Frings-Mühle in Ahrdorf/Blankenheim. Foto: Raimond Spekking, CC BY-SA 4.0/via Wikimedia

Vor einem Jahr verloren viele Menschen im Ahrtal in Rheinland-Pfalz, aber auch in ­Nordrhein-Westfalen durch das Hochwasser nach starken Regenfällen Familienangehörige, ihre Häuser und ihre Existenz. Wie ist die Situation ein Jahr danach?

Von Volker König

Ich fahre ins obere Ahrtal, zur ­Vorbereitung eines ökumenischen Gottesdienstes zum Flutgedenken. Von den Eifelhöhen führt die Straße durch ein romantisches Waldgebiet. Im Tal glitzert das Wasser der Ahr. Hier kann man Urlaub machen. Tatsächlich zeigt mein Navi hinter der nächsten Biegung einen großen Campingplatz. Als ich um die Kurve fahre, sehe ich aber keinen Campingplatz. Zwischen Straße und Flussufer türmen sich meterhohe Berge von Steinen, Holz und Schrott neben riesigen Abbruch- und ­Zerkleinerungs-maschinen. Es sieht nicht so aus, als ob hier so bald wieder jemand Urlaub machen könnte.

Mit unfassbarer Wucht hat die Flut in der Nacht auf den 15. Juli 2021 Campingplätze ebenso von der Landkarte gespült wie Häuser, Brücken, Bahnstrecken. Menschen sind ertrunken. Andere mussten zusehen und zuhören, wie Nachbarn von der Flut mitgerissen wurden, konnten nicht helfen, das Wasser stand ihnen bis zum Dach. 

Gefühl der Machtlosigkeit und des Kontrollverlusts


Die Flutnacht ist präsent. Normalität und Zerstörung, Wiederaufbau und langwierige Spätfolgen ­liegen dicht beieinander. Auch in der­ ­„heilen Welt“ ohne persönliche Schäden leiden Menschen unter ­Infrastruktur-Schäden: der ÖPNV, die Nahversorgung, soziale Einrichtungen, Schulen, Spielplätze, Vereinswesen – vieles liegt darnieder.

In der „Tragik-Welt“ – über 180 Menschen sind ertrunken - sind die Menschen in Schockstarre. In der „Chaos-Welt“, wo Menschen das ­sicher geglaubte Zuhause verloren haben, ist der Wiederaufbau ein kräftezehrender Weg im Labyrinth von Sachverständigen, Handwerkern, Behörden und Versicherungen. Weit verbreitet ist das Gefühl der Machtlosigkeit, des Ausgeliefertseins und des Kontrollverlusts. 

Hier setzt unser evangelisches Projekt „Seelsorge und Beratung“ an. Mit 14 Pfarrer*innen, Psycholog*­innen und Pädagog*innen unterstützen wir die Betroffenen im Ahrtal, in Swisttal, im Schleidener Tal, an der Inde. Ein Projekt der Diakonie Katastrophenhilfe (DKH). Im Verbund mit den diakonischen Beratungsteams. Sie unterstützen den äußeren Wiederaufbau mit Spenden­geldern der DKH – über 40 Millionen Euro. Großartig. Wir kümmern uns um die innere Aufrichtung und Stabilisierung im sozialen Miteinander: zugewandt, aufsuchend, gut aus­gebildet. Die Menschen und wir selber erleben: Es ist gut, dass Evangelische Kirche da ist. 

Wir lernen für eine Kirche der Zukunft: Hingehen zu den Leuten, kein gewohntes pastorales Setting, sich aussetzen den Menschen und der Situation. Eingeladen und abgewiesen werden. Im ­Rahmen ­eines Projektes, ohne Bestands­garantie, immer wieder das Konzept nachjustierend – eine enorme Herausforderung. Wir ­gehen in ein zweites Jahr. Die Menschen wollen uns nicht gehen lassen – seien es die ­Betroffenen oder die politisch Verantwort­lichen. 

Zum Flutgedenken droht eine zweite Flut, die der Bilder. Es wird ­alles wieder aufgewühlt. Auch was mühsam angefangen hat zu heilen. Die Menschen gehen unterschiedlich in diese Zeit. Die einen wollen feiern, was in einem Jahr geleistet wurde, Helferinnen und Helfer ­werden eingeladen, man erinnert sich an das gute Miteinander. Das totgesagte hohe Gut der Solidarität ist auferstanden. 

Stilles Gedenken


Daneben überwiegen Trauer, Schmerz, Überforderung. Wir gehen sensibel darauf ein. Schaffen Raum für ein stilles Gedenken, bieten Worte an, in die, wer mag, sich ­flüchten kann. Wagen den Spagat zwischen dem Aushalten der Trauer und einer mühsam abgerungenen ­Botschaft der Hoffnung: „Ich habe Pläne des Friedens und nicht des Unheils. Ich will euch Zukunft und Hoffnung schenken“ (Jeremia 29,11).

Diakonie Rheinland-Westfalen, die Evangelischen Kirche im Rheinland, Evangelische Kirche von West­falen und die Lippische Landeskirche bitten gemeinschaftlich um Spenden für Opfer der Unwetterkatastrophe.

Spendenkonto: 
Empfänger: Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. – Diakonie RWL
IBAN: DE78 3506 0190 1014 1550 38 
BIC: GENODED1DKD
Stichwort: Hochwasser-Hilfe
KD Bank

Kirchenrat Volker ­König leitet die Stabsstelle Hochwasserseelsorge und -beratung im Landes­kirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland. 

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1. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
2. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.
3. Frieden? Gert Flessing Das Wort Frieden ist ziemlich abgenutzt. Nicht erst heute ist das so. Als ein gewisser britischer Premierminister einst in London davon sprach, den "Frieden für unsere Zeit gesichert zu haben", war das den Atem nicht wert, den er verschwendet hat.
Ist es heute besser? Ich hörte irgendwann mal was von einer "europäischen Friedensordnung". Selbst das war eine Illusion.
Und unter uns, im eigenen Land? Man mag in keine Diskussion eintreten, weil viel zu oft die Emotionen über die Vernunft siegen. In unserer Kirche ist es leider nicht sehr viel anders.
Sind wir nur noch Kirche für jene Menschen, die eine "richtige Gesinnung" haben? Wobei ich mehr und mehr daran zweifle, dass es jene Gesinnung sein soll, von der Paulus im Philipperbrief schrieb.
Wie soll da Frieden entstehen?
Aber wenn wir selbst nicht, in unserer Mitte, unter dem Kreuz und in der Hoffnung des leeren Grabes lebend, miteinander in Frieden sein können, wie wollen wir dann der "Welt" dazu helfen?
Viel zu oft, auch da, wo sich Kirche und Politik kreuzen, sehen wir den Splitter im Auge des anderen. Das sollte nicht sein. sonst können wir uns alles, was wir so von Frieden und Mitmenschlichkeit erzählen, sparen.

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