Mann mit einem schwarzen Hemd
Olaf Ihlefeldt auf dem Südwestfriedhof Stahnsdorf

Olaf Ihlefeld und der Südwestfriedhof

Olaf Ihlefeldt ist seit 1990 Friedhofsverwalter des Evangelischen Südwestkirchhofes in Stahnsdorf. Mit 206 Hektar ist er der größte evangelische Friedhof in Deutschland und gleichzeitig Kulturstätte. In diesem Jahr findet der Tag des Friedhofs unter dem Motto „endlich und lebendig“ am 15. September deutschlandweit statt. Olaf Ihlefeldt kennt den Südwestkirchhof wie seine Westentasche und erzählt im Interview aus seiner jahrelangen Erfahrung.

Am 1. Januar 1989, als 22-Jähriger, haben sie als Gärtner auf dem Südwestkirchhof (SWK) ihre Arbeit begonnen. Was treibt einen jungen Menschen auf einen Friedhof?

Olaf Ihlefeldt: Das frage ich mich auch. Ich hatte mich damals noch nie „mit Friedhof“ beschäftigt. Ich hatte Gärtner in Sanssouci in Potsdam gelernt, meinen Meister gemacht, aber dort keine Perspektive. In meinem Heimatdorf Güterfelde hat mich ein Gärtner angesprochen: Auf dem Südwestkirchhof suchen sie einen Gärtner. Letztendlich habe ich mich dort beworben. Es war noch in der DDR und an den Mauerfall nicht zu denken.

Vom Park Sanssouci auf einen Friedhof

Am 2. Januar 1989 habe ich zu gärtnern begonnen, auf dem Friedhof. Was ich damals nicht wusste: mein Vorgänger als Friedhofsverwalter, Reinhard Schwarz, war sehr krank und musste in vorzeitigen Ruhestand gehen. Unter der Anleitung des alten Forstmeisters Arno Gosdschan habe ich dann alles gemacht: gärtnern, Bäume fällen, Särge tragen, Urnen bestatten. 1990 habe ich eine Verwaltungsausbildung begonnen. Ich war einfach von diesem Ort angetan – obwohl man sich ja eigentlich in jungen Jahren meist weniger mit dem Friedhof beschäftigt. So bin ich hier hängengeblieben. Was könnte ich alles erzählen!

Es war DDR-Zeit. Beerdigungen gab es kaum auf der im Dornröschenschlaf versunkenen Beerdigungsstätte.

„Dornröschenschlaf“ für unseren Friedhof hört sich immer richtig romantisch an. Es ist aber eigentlich eine Beleidigung für die, die zu DDR-Zeiten unter harten Bedingungen schwer gearbeitet haben. Aus den umliegenden Orten sind die Mitarbeitenden meist mit dem Rad hierher zur Arbeit gekommen. Es heißt aber nicht, hier ist nichts passiert.

Wie viele Mitarbeitende gab es?

Hier waren 30 fleißige Menschen tätig und die Kirche hat immer ihre schützende Hand über den Friedhof gehalten. Aber ich gebe zu, an manchen Stellen gab es schon einen Anschein von „Dornröschenschlaf“. Wunderschöne alte Gräber waren von gigantischen Rhododendronbüschen überwuchert, Unterholz ist gewachsen. Aber es wurde hart für den Erhalt dieses Ortes gearbeitet.

Dann 1990: Vom ehemaligen Westberlin aus waren die Gräber wieder zu erreichen. Blühte der Friedhof und ihre Arbeit wieder auf?

Es war eine sehr spannende Zeit. Für den Friedhof war es ein neues Erwachen und Aufleben. Wir waren in der Zeit der deutschen Teilung von unserem ehemaligen Einzugsgebiet Süd-West-Berlin abgeschnitten.

Ab 1990 wurde Südwestfriedhof für Westberliner entdeckt

Die Westberliner konnten nicht mehr kommen und als sie dann ab 1974 einreisen durften, schreckten die Kontrollen und das „Eintrittsgeld“ ab, das die DDR kassierte. Ab 1990 kamen sie, die ehemaligen Westberliner. Voller Neugier wollten sie das versteckte Brandenburger Land kennenlernen. Sie sind über den Friedhof gewandelt, haben nach den Gräbern ihrer Vorfahren gefragt. Das war auch für mich eine sehr spannende Zeit. Ich musste auf „meinem Friedhof“ selbst auf die Suche gehen. An den äußersten Rändern suchte ich nach Gräbern von 1915, ja sogar nach einem von 1909, dem Gründungsjahr des Friedhofs. Das Einzigartige der Begräbnisstätte habe ich damals kennengelernt, ein riesiges Kulturgut.

Die Idee vom kulturhistorischen Friedhof kam auf. Führungen über den verwunschenen Friedhof?

In mir war eine Liebe entfacht zu diesem Paradies. Aber ich war auch ganz profan Friedhofsleiter. Ich musste mich kümmern, dass alles lief. Die 1990er Jahre waren für Friedhöfe eine sehr schwere Zeit. Die bisherige Friedhofskultur ging verloren. Das betraf viele Friedhöfe. Wir hatten nur 80 Bestattungen im Jahr.

Der Friedhof wurde langsam zum Kulturort

Da kam gemeinsam mit dem Mitarbeiter Gerhard Petzholtz die Idee auf: Wollen wir nicht Menschen über diesen historisch interessanten Friedhof zu den Gräbern der berühmten und nicht so berühmten Menschen führen? Das gab es schon zu DDR-Zeiten, aber nur versteckt. Der Südwestkirchghof war ja ein „Westberliner-Friedhof“. Keiner sollte darüber reden. Die Menschen kamen in Massen. Dann lernte ich Musiker kennen. Die Idee der Konzerte in der wunderschönen nordischen Holzkapelle entstand. 1991 haben wir damit angefangen. Ein Orgelkonzert in einer Friedhofskapelle – damals undenkbar. Ganz langsam ist der Friedhof zum Kulturort geworden, der immer mehr ausgebaut wurde.

Die „lange Nacht der Kultur“ hatte zunächst nicht nur Freunde?

Viele Künstler von außerhalb haben dann gesagt, da geht noch mehr Kultur. Ich habe mich begeistern lassen – damals noch jung. Unsere evangelischen Friedhöfe sind Orte der Verkündigung. Ja, und 2003 die erste Kulturnacht auf einem Friedhof – Deutschlandweit – das hat Schlagzeilen gemacht. Mehr negative als positve, ein Skandal! Das war eine Zeit, in der wir für ganz Deutschland eine Basis geschaffen haben, Kultur auf einem Friedhof zu präsentieren. Unser damaliger Bischof Wolfgang Huber hat uns den Rücken gestärkt. Was die da in Stahnsdorf machen, ist genau richtig. Das ist Würdigung, Verkündigung und das ist pietätvoll, meinte er. Heute ist das ganz selbstverständlich.

Sie haben 2000 mit anderen Freunden des Friedhofs einen Förderverein gegründet.

Wir waren bis dahin sehr aktiv auf dem SWK. Aber wir brauchten ein „Dach“, unter dem die Arbeit weitergehen konnte. Das Ziel: Förderung des Denkmalschutzes und Stärkung der Landeskirche, die Träger des Friedhofs ist. Förderung der Konzerte, der Kulturnächte, Information der Besucher, Veranstaltung von Führungen – einfach Öffentlichkeitsarbeit. Geld sammeln ist wichtig, für die bauliche Instandhaltung und Restaurationsprojekte voranzutreiben. Ich bin richtig stolz auf den Förderverein mit über 350 Mitgliedern! Man zahlt 30 Euro im Jahr. Oder auch mehr, wenn man will. Man kann auch aktiv tätig werden bei vielfältigen Aufgaben, auch beim Frühjahrs- oder Herbstputz. Es geht um die Erhaltung eines Kulturgutes.

Wenn Sie nach 35 Jahren einen Wunsch frei hätten?

Dass der Friedhof in der breiten Masse der Gesellschaft immer mehr Akzeptanz findet. Dass sich Menschen mit dem Thema Sterben, Tod und Trauer beschäftigen. Und dass wir vom Land und vom Bund mehr gefördert werden – als ein besonderer Kulturort.

Das Interview führte Horst Gürtler. Er ist Diakon im Ruhestand, hat 14 Jahre lang in der evangelischen Jugendarbeit der Berlin-Brandenburgischen Kirche gearbeitet und war von 1985 bis 2012 beim Landesausschuss für Innere Mission in der Öffentlichkeitsarbeit tätig.

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