Blick auf einen See mit blauem Himmel
Seeblick von der Kirche Foto: Herold

Zarenkirche St. Peter und Paul auf Nikolskoe

von Klaus Büstrin

Seit fast 190 Jahren steht St. Peter und Paul auf Nikolskoe am Steilufer der Havel. Mit ihrer architektonischen Gestalt wie mit ihrem Glockenspiel lädt die Kirche zum Verweilen ein. Sie gewährt mit musikalischen Vespern und mit Gottesdiensten der Seele Einkehr. Dass die Gottesdienste am Sonntagnachmittag stattfinden, ist nicht nur ein Entgegenkommen an Ausflügler, die den Gottesdienstbesuch mit einem Spaziergang verbinden. St. Peter und Paul trägt dadurch auch zur Vielgestaltigkeit des gottesdienstlichen Angebotes in Berlin bei.

Hier gibt sich Kirche total offen: Als der Gottesdienst gerade beginnen soll, spricht ein Besucher den Pfarrer an: „Ich habe heute meinen 80. Geburtstag. Da wünsche ich mir das Lied 295 ‚Wohl denen, die da wandeln‘“. Auch auf der Liedertafel wird der Anschlag schnell geändert und Organist Mirlan Kasymaliev eröffnet die Feier musikalisch. Den Wunsch des Besuchers erfüllt er später.

Ein Ort für Hochzeiten

Außergewöhnliches ist hier die Regel: 60 Trauungen und Taufen jährlich fordern Flexibilität von den Mitarbeitenden. Matthias Hoffmann-Tauschwitz ist mit der Kirche bestens vertraut. Aus dem preußischen Landadel abstammend, hat er jüdisch-liberale wie christliche Wurzeln. 40 Jahre lang gehörte der Diplomingenieur dem Kirchlichen Bauamt der EKBO an, das er zuletzt als Kirchenoberbaurat 15 Jahre leitete. Jetzt ist er Vorsitzender des Kuratoriums von Sankt Peter und Paul, dem auch Johannes Krug, Superintendent des Kirchenkreises Teltow-Zehlendorf angehört.

Seine Sicht fasst der Architekt und Kunsthistoriker so zusammen: „Der Anspruch, vieles als Event erleben zu wollen, nimmt auch in unserer Kirche zu. Insbesondere der Kasual-Gottesdienst wird von vielen als ein umfassend und frei gestaltbares Groß-Event betrachtet. Das geht aber nur äußerst eingeschränkt, die Kirche ist kein frei verfügbarer Eventraum; sie hat eigene unveränderliche, liturgische und raumkünstlerische Qualitäten von höchstem Denkmalwert.“

Heimat für Zar Nikolaus

Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860) hatte ihren Vater, König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840), dazu bewegt, am steilen Hang über der Havel eine Kirche im russisch-orthodoxen Baustil mit Zwiebelkuppelturm bauen zu lassen: Ihr Ehemann, der spätere Zar Nikolaus der I., sollte ein wenig Heimatliches wiederfinden. Gebaut wurde von 1834 an. Schon am 13. August 1837 feierte der preußische Monarch die Einweihung durch Generalsuperintendent Bischof Daniel A. Neander.

Eine Prinzessin wünschte sich Glockenspiel, was bis heute stündlich spielt

Die preußische Prinzessin wünschte schließlich, dass „Glocken mit ihrem Feierklange die abendliche Stille durchbrechen sollten“. Seitdem erklingen stündlich Lieder von einem heute neuen Glockenspiel mit 24 Glocken: „Üb‘ immer Treu und Redlichkeit“ oder der Choral „Lobet den Herren“. Der Dichter Theodor Fontane schreibt: „Die Peter-Paulskirche zu Nikolskoe verfolgt also … neben ihrer gottesdienstlichen Aufgabe vor allem zweierlei: sie soll als Bild in der Landschaft wirken und soll zweitens mit ihren Glocken die Stille romantisch-feierlichen Klanges unterbrechen. Die Aussicht gerade von diesem Punkt aus zu den schönsten hiesiger Gegend zählt.“ Für Glaubenserlebnisse war diese Kirche gebaut.

Das sah auch der frühere Bischof für Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Wolfgang Huber, so. In der Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum von Nikolskoe macht er klar: „Die einmalige Ausstrahlung von St. Peter und Paul hängt damit zusammen, dass sich hier Glaube und Natur, Kirche und Kultur sowie Gegenwart und Geschichte unmittelbar miteinander verbinden.“

Finanzierung aus Spenden

Es sei gut zu erleben, wie ein Gebäude „aus sich selbst heraus zu den Menschen spricht … als eindrucksvolles Zeugnis für die gestalterische Kraft preußischer Könige und Architekten, vor allem aber als ein Gotteshaus, in dem Menschen Glaubensgewissheit und Zuversicht gewinnen können“.

Außergewöhnlich ist auch die Finanzierung der Kirche im UNESCO-Weltkulturerbe: Zuweisungen aus Kirchensteuern gibt es praktisch nicht. Die Verantwortlichen müssen alles aus Spenden und Gebühren finanzieren. Der bauliche Unterhalt liegt beim Land Berlin. Man hofft aber, dass in Zukunft die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten dafür eintritt.

60 Geistliche begleiten die Gottesdienste

Ute Hagmayer trägt als Pfarrerin Verantwortung für die Gottesdienste sonntags um 15 Uhr. Die Kirche hat keine eigene Gemeinde und keinen Gemeindekirchenrat, kann aber auf 60 Geistliche zurückgreifen, die hier immer wieder Gottesdienste begleiten. So werden am Sonntag, 31. August, vier Pfarrerinnen und Pfarrer mit dem Berliner Hochzeitssommer Pop-up-Hochzeiten feiern. Sich segnen zu lassen, ist auch möglich für Paare, die schon lange verheiratet sind. „Es gibt schon viele Anmeldungen, sodass wir an drei oder vier Orten 4 Stunden lang in und vor der Kirche ‚am Band‘ Paare segnen werden“, so Hagmayer.

Noch eine Ungewöhnlichkeit ist für Gäste wichtig: Wer mit seinem Hund spazieren geht, darf ihn in die Kirche mit hineinnehmen. Total offen eben.

Termine der Segenshochzeiten sind am 31. August: Anmeldungen unter 030/805 21 00 oder per E-Mail an die Küsterei. Kuesterei@Kirche-nikolskoe.de Mehr Infos unter: kirche-nikolskoe.de

Aktuelles

Newsletter