schwarz gekleidete Menschen auf einem Rasen.
Hebräische Chor Berlin e.V. Foto: Andrea von Fournier

Jüdisches zum Klingen bringen

Der Hebräische Chor Berlin e.V. konzertiert weiter, auch wenn dieser Tage Polizei und Sicherheitsdienste nötig sind. Ein besonderer Chor in einer besonderen Zeit

Von Andrea von Fournier

Zarte Töne fliegen durch die Abendluft im Garten. Das Publikum, überwiegend festlich gekleidet, lauscht gebannt. Die Lieder, die es hört, besingen Farben, wie das Rot der Rose, ein lila Kleid oder das Azurblau des Morgens. Sie stehen für die Klangfarben und im übertragenen Sinn für die Sehnsucht der Menschen nach Frühling, Liebe und Frieden.

Sommerkonzert im Garten der „Villa Liebermann“

„Keshet Levana“ (hebräisch für „Weißer Regenbogen“), das Sommerkonzert des Hebräischen Chors Berlin e.V., war ein besonderes Konzert. Es bildete den Abschluss für das Ensemble vor der Sommerpause und fand an einem sinnlichen Ort des Lebens und Kunstschaffens vor grandioser Kulisse statt. Die „Villa Liebermann“, Refugium des berühmten Malers Max Liebermann am Ufer des Berliner Wannsees, das nicht nur für die Farbenpracht, Schönheit und Unversehrtheit der Schöpfung, sondern auch für den Erfolg von Künstlern mit jüdischen Wurzeln im Vorkriegs-Berlin steht, lud zu diesem Musikabend. Hier, so der Eindruck, ist der Chor zu Hause.

Kosmopolitisch und vielfältig

Den Chor gibt es seit 2014. Die zurzeit etwa 30, manchmal 40 Sängerinnen und Sänger des Chors singen vornehmlich auf Hebräisch, aber auch Jiddisch und Ladino. Ihr Repertoire ist so bunt gemischt wie das Ensemble selbst. Frauen und Männer unterschiedlichen Alters aus verschiedenen Ländern der Welt, unterschiedlichen Glaubens oder ganz ohne religiösen Bezug musizieren harmonisch zusammen. Viele sind temporär in Berlin angelangt, des Studiums, der Liebe oder der Arbeit wegen. Etwa ein Drittel der Mitstreiter sind Berliner. Chormitglieder mit jüdischen Wurzeln stammen am häufigsten von außerhalb Israels, so aus Frankreich oder Amerika. Sie sind Kosmopoliten, vereint in der Freude am Chorgesang und der Liebe zu Israel. Sie alle teilen die Intention des Hebräischen Chors, die vielfältige jüdische Musik, jüdisches Leben und Kultur, die es bis vor dem Zweiten Weltkrieg in der Stadt gab, wieder deutlich hörbar zu machen.

Gefühlvoller Auftritt des Hebräischen Chors Berlin in der Villa Liebermann
Gefühlvoller Auftritt: Der Hebräische Chor Berlin. Foto: Andrea von Fournier

Robert Ellis, Bass und Schatzmeister, hat den amerikanischen, israelischen und deutschen Pass in der Tasche. Vor vier Jahren hat er die Webseite des Chors gebaut und bezeichnet sich kulturell als jüdisch, säkular und nicht religiös. Er ist froh, diesen Chor und mit ihm eine Heimat gefunden zu haben. Das sagt auch Jardena Lande, die Vereinsvorsitzende. Als die junge Schweizerin der Arbeit wegen nach Berlin kam, suchte sie Heimat und Sicherheit. Beides, sagt sie, ist für sie in diesem Chor vereint.

Heimat und Dialog

Wie kam es zur Chorgründung? Die deutsche Journalistin Ruth Kinet, die von 2008 bis 2012 aus Tel Aviv berichtete, suchte nach ihrer Rückkehr vergebens nach jüdischem Leben und Kultur in Berlin. Wie der Zufall es wollte, traf sie den israelischen Dirigenten und Komponisten Ohad Stolarz, der 2013 mit dem Ziel, hebräischsprachige Musik aufzuführen, in die Stadt kam. Der umtriebige junge Mann gründete 2014 den Hebräischen Chor Berlin, den er bis 2017 leitete und für den er viele originelle Arrangements und Kompositionen schuf. In der evangelischen Sophiengemeinde in Berlin-Mitte fand der Chor Probenraum und Heimat – bis heute. Dort hat man sich dem christlich-jüdischen Dialog seit langem geöffnet.

Situation mit Beginn des Krieges in Gaza

Karsten Bammel, der als Sänger von Anfang an mit dabei war, hat inzwischen mehrere Dirigenten, Vereinsvorsitzende und noch viel mehr Sangesfreudige erlebt und schätzt den besonderen Spirit untereinander, die Offenheit und den Austausch. Dass sich mit dem Beginn des Krieges gegen die Hamas vieles geändert hat, haben alle gespürt. „Zunächst fanden die Proben unter Bewachung statt. Und eine ganze Weile begannen sie mit Gesprächen über die aktuelle Situation“, sagt er.

Ein Sicherheitsdienst ist auch an diesem Konzertabend in der Villa Liebermann gegenwärtig, die Polizei auf der Straße. Die zusätzlichen Maßnahmen für ihre Sicherheit wissen Chor und Besucher zu schätzen. Alle genießen die Hingabe der großartigen Dirigentin Yael Front, die viele Stücke für ihr Ensemble arrangiert hat. Und das wortlose Verstehen mit Pianist Ben Holzmann, beide aus Israel stammend, und ihrem Chor. Gabriela Hermer und Karsten Bammel moderieren leicht und humorvoll Musik und Texte. Applaus und Zugabe setzen den Schlussakkord.

Jetzt hat der Chor Sommerpause. Highlight des Winters, auf das sich nicht nur Karsten Bammel freut, soll ein gemeinsames Konzert mit allen hebräisch singenden Chören der Stadt in der Synagoge Pestalozzistraße werden.

Der Chor freut sich über gleichgesinnte Mitstreiter, er finanziert sich zum größten Teil aus Spenden.

Bankverbindung:

Sparkasse Berlin, Hebrew Choir Berlin, IBAN DE25 1005 0000 0190 3445 47
Kontakt: www.hebrew-choir-berlin.de

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