Alter Mann mit Bart an einem Tasteninstrument

Fred Litwinski: Glück trotz Umwegen

Fred Litwinski war 35 Jahre in Brandenburg an der Havel für das kirchenmusikalische Leben verantwortlich. Der Kirchenmusikdirektor (KMD) wurde von etwa 400 Gästen in einem Festgottesdienst im Juni in den Ruhestand verabschiedet. Das bewegte ihn, der Aufgaben in drei Kirchen versah – St. Katharinen, St. Gotthardt und Auferstehung – stark.

2017 traf ihn infolge eines früheren Hörsturzes ein „Schuss vor den Bug“, so Litwinski. Eine Schwerbehinderung wegen des Gehörs. Der Arzt erklärte, dass ihn jede weitere Probe Nervenzellen koste. „Ich muss aufhören!“, durchfuhr ihn, was er den Sängerinnen und Sängern seiner mühsam aufgebauten, inzwischen sehr erfolgreichen Chöre kaum zu sagen vermochte. 2018 gab er die Chorarbeit ab.

Andere Aufgaben, vor allem das Orgelspiel, versah er weiter. Anfang 2024 kam dann seine vorzeitige Berentung aus gesundheitlichen Gründen. Der Abschied fiel ihm „sehr, sehr schwer“. Ein Lichtblick in der Zeit kam ihm beim Brennholz hacken. Bei Schweiß und körperlicher Verausgabung traf ihn die Erkenntnis: „Ich hatte den richtigen Beruf, meine Berufung. Trotz holpriger Umwege und Wirrungen war es ein Glück!“. Eine Einsicht Litwinskis aus dem Berufsleben: „Lorbeeren, die zum Abschied kommen, sollten öfter unterwegs eintreffen.“ Als Musiker ist man wohl immer auch Zweifler an eigenem Wirken.

Umwege hatte der 1959 in Eberswalde Geborene zu gehen. Kind neuapostolischer Eltern mit regelmäßigem Kirchgang zu sein war stressig. Der Neunjährige kam zum evangelischen Kantor Hermann Euler zum Orgelunterricht.

Ohne Orgel, ohne ihn

1978 ging Fred Litwinski an die Kirchenmusikschule Greifswald. Der Einberufungsbefehl nach ein paar Wochen unterbrach das Studium. Nach zwei Jahren stellte ihm Schulleiter Schlenker ein Ultimatum: Entweder konvertieren oder gehen. Er ging, wollte sich sein Studium nicht erkaufen. Ohne Orgelspiel hielt er es nicht aus. Der Eintritt in die evangelische Kirche kam doch aus Überzeugung, 1984–1986 das Weiterstudium, parallel arbeitete er als Stadtorganist in Eberswalde.

1988 war die Stelle in St. Katharinen in Brandenburg an der Havel ausgeschrieben. Seine Traumstelle, über seiner Qualifikation, in einer Kirche, deren Schönheit nur zu ahnen war. Doch mit einer ihm sehr liegenden Orgel. „Lieber Gott, lass mich die Stelle kriegen!“, habe er damals gedacht. Im September 1989 bekam er sie. Dann der Kraftakt nach der Wende: Litwinski hatte die Chöre der Stadtgemeinden fusioniert und wurde für zwei andere Gemeinden zuständig. 2006 gründete er den überaus erfolgreichen Brandenburger Motettenchor. Die Rückmeldung eines Berliner Violinisten nach der anspruchsvollen h-Moll-Messe Bachs: „So eine herausragende Aufführung eines Laienchors haben wir noch nie begleitet“, ermutigte Litwinski. Chorarbeit mit Kindern – im Studium gemieden –wurde ihm in seinem Format „Eltern singen mit ihren Kindern“ fast am liebsten. Und „daneben“ die Orgelbegleitung der Gottesdienste, Konzerte.

Als die Chorarbeit 2018 wegfiel, träumte der Kantor, wie die Orgeln der Katharinenkirche – vier Werke verschiedener Epochen und Klänge – zusammenzubringen und dem Kirchenbau ein würdiges, eindrucksvolles Instrument zu geben wären. Er fertigte ein Konzept, begeisterte Gemeinde und Gemeindekirchenrat dafür, warb mit einer Anschubfinanzierung durch die Gemeinde Fördermittel und Spenden ein. 2020 wurde die größte Orgelanlage des Landes Brandenburgs durch die Firma Schuke in Werder eingeweiht: Von zwei Spieltischen (Hauptorgel und Chorraum) lassen sich 96 Register, fünf Manuale und Pedal mit 6 364 Orgelpfeifen spielen. Was Fred Litwinski energisch vorantrieb und beendete, zieht Organisten magisch an.

Olivier Latry, Titualorganist der Großen Orgel Notre Dame Paris, begeisterte bei einem Konzert über 1 400 Zuhörer in St. Katharinen. Auch im Ruhestand wird Fred Litwinski „seine“ Orgel spielen, so bei den von ihm ins Leben gerufenen „Mittagsmusiken“, wo er auch unkonventionelle Stücke bringt. Ohne Orgelspiel kann er auch heute nicht sein.

Text und Foto: Andrea von Fournier

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