Ausstellungsraum mit Besuchern
Ausstellung im Berliner Missionswerk

Ausstellung: 200 Jahre Berliner Missionswerk

200 Jahre – das wird in diesem Jahr im Berliner Missionswerk gefeiert. Ein längst fälliger Zeitpunkt, sich mit kritischem Blick dem eigenen Erbe christlich-kolonialer Unternehmungen zu widmen. Die alte Ausstellung zur Geschichte des Missionswerks wurde überarbeitet. Eine Gruppe von Pfarrer*innen aus der EKBO und einer der Partnerkirchen des Missionswerk durfte sie vor der offiziellen Eröffnung besuchen.

VON NORBERT VON FRANSECKY

Berlin. Das Berliner Missionswerk (BMW) ist heute so etwas wie das Auswärtige Amt der EKBO. Es ist für die Kontakte zu den internationalen Partnerkirchen zuständig. Bei seiner Gründung vor 200 Jahren war seine Aufgabe eine ganz andere. Das zeigt die sehr zeitgeistige Formulierung des Missionsbefehls an der Frontseite des 1873 eingeweihten Missionshauses am Friedrichshain: „Gehet hin und lehret alle Heiden und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Von Partnerschaft konnte damals keine Rede sein.

Afrika wurde am grünen Tisch in Europa verteilt

Mit welchem Blick Europa im 19. Jahrhundert auf Afrika schaute, dokumentiert ein anderes Ereignis, das in diesem Jahr ebenfalls einen runden Jahrestag hat. Die Berliner Afrikakonferenz von 1884, die am 15. November eröffnet wurde. Um Streitigkeiten unter den Kolonialmächten zu minimieren, wurden in Berlin am grünen Tisch große Teile des Kontinents unter den europäischen Staaten verteilt. Afrika wurde praktisch als Besitz Europas betrachtet. Da das Innere Afrikas noch weitgehend unerforscht war, wurden viele Grenzen einfach mit dem Lineal an Längen- und Breitengraden entlang gezogen. Ein Erbe, unter dem der „schwarze“ Kontinent bis heute leidet. In vielen Fällen wurden verschiedene afrikanische Völker in einem Staat zusammengefasst, was heute zu Konflikten führt. Völker wurden durch Grenzen der Kolonialherren voneinander getrennt und unterschiedlichen Kolonialstaaten zugeordnet.

Kolonisation und Mission

Die europäischen Missionsgesellschaften standen dem Gebaren der Kolonialherren durchaus nicht immer unkritisch gegenüber. Aber auch sie waren durch den damaligen europäischen Blick auf Afrika geprägt. Auch angesichts der aktuellen Diskussionen über den Umgang mit dem kolonialen Erbe hat sich das BMW entschlossen, die Ausstellung zur Geschichte des Missionswerks zur Feier des 200-jährgen Bestehens vollständig neu zu konzipieren. Denn auch wenn sich das Verhältnis zu den afrikanischen Kirchen bereits seit langem vollständig verändert hat, befanden sich in der bisherigen Ausstellung problematische Exponate.

Fokus liegt auf Texten

Unter der Projektleitung von Meike Waechter und Martin Frank, beide Mitarbeitende des Berliner Missionswerks, wurde von der Kulturund Medienwissenschaftlerin Sonja Gruhlke ein neues Ausstellungskonzept erarbeitet. Ein internationaler Beirat unter der Leitung von Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin, stand der Arbeit zur Seite. Das Missionswerk hat sich für ein Ausstellungskonzept entschieden, das konsequent auf Texte setzt. „Wir zeigen nur wenige Objekte, da die Provenienz vieler Gegenstände im Archiv ungeklärt ist.“ Das kann in der Ausstellung gelesen werden. Andere sind zu sehr vom Überlegenheitsgefühl der Europäer geprägt.

Exponate sind nicht auf den ersten Blick zu sehen

Die wenigen gezeigten Exponate sind beim Betreten des Ausstellungsraumes zuerst nicht einmal zu sehen. Die fünf Vitrinen sind auf allen vier Seiten durch Milchglasscheiben verschlossen. Die Exponate werden erst durch das Herunterklappen der Scheiben, auf deren Rückseite sich die erklärenden Texte befinden, sichtbar. Dort befinden sich auch QR-Codes, mit denen unter anderem gesprochene Texte abgerufen werden können.

Zeitleiste ohne blinde Flecken

Ein Schwerpunkt der Ausstellung ist die Zeitleiste, die eine gesamte Wand des Ausstellungsraums einnimmt. Auf farbigen Plexiglasscheiben werden in grün wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Missionsgesellschaft dargestellt und mit Schlüsselmomenten der Kolonialgeschichte verbunden, die in violett zu lesen sind. Dazu kommen die in blau gehaltenen Kurzbiografien einiger wichtiger Persönlichkeiten. Hier sind kleine Fotos der Personen erlaubt, auf die ansonsten konsequent verzichtet wird.
Auf der gegenüberliegenden Wand werden ebenfalls auf farbigen Plexiglasscheiben die 16 Partner -kirchen der Missionsgesellschaft vorgestellt, die auf einer Weltkarte an der Stirnseite des Raumes geografisch eingeordnet werden.

Optische Störungen

Die Ausstellung bemüht sich, die schwierige Balance zwischen selbstbewusster Erinnerung und Schuldgeschichte zu finden. So gibt es „toxische“ Begriffe, die in der Ausstellung nicht getilgt, aber optisch „gestört“ werden. Beispielhaft dafür ist ein im Eingangsbereich der Ausstellung zitierter Grundsatztext von 1824, der mit aktuellen Kommentaren versehen ist. Begriffe wie „Rasse“, „Heiden“, „verwildert“ oder „Aberglauben“ werden benutzt, aber optisch gleich wieder ausradiert.

Zielgruppe ab Oberstufe

Auf die Zielgruppe angesprochen bestätigt Frank, dass die Ausstellung sich nicht für Konfirmandengruppen eigne. Sie sei eher etwas für die Oberstufe. Aber man hoffe, einen größeren Interessentenkreis anzusprechen. Neben der Eingangstür des Missionshauses hängt eine Sprachstation, an der man sich kurze Informationen zum BMW anhören kann. Hier gibt es auch den Hinweis auf die Ausstellung. „Vielleicht lockt das den einen oder die andere Vorübergehende an“, sagt der Afrikareferent des Missionswerks.

Ausstellung: Zu sehen ist die Ausstellung „Mission:Reflexion“ im Berliner Missionswerk, Georgenkirchstraße 70, Berlin-Friedrichshain. Der Ausstellungsraum befindet sich im ersten Stock des Missionshauses, gleich hinter der Bibliothek. Die offizielle Eröffnung findet im Rahmen des Jubiläumsfestes zu 200 Jahre Berliner Missionswerk statt, am Samstag, 14. September, 15.30 Uhr. Das Buch „Mission:Reflexion“ zum Jubiläum ist auch lieferbar.

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