Pfarrer Peter Storck
Pfarrer Peter Storck

Berlin: Pfarrer kämpft gegen Wohnungsabriss

Pfarrer Peter Storck kämpft gegen den Abriss eines Wohnblocks in der Habersaathstraße. Er setzt sich für Obdachlose und Mieter ein

Von Ulrike Mattern

Im Dezember vor knapp drei Jahren besetzte eine Gruppe von rund 50 obdach- und wohnungslosen Menschen die seit Langem leerstehenden Wohnungen in der Habersaathstraße 40–48 nahe dem Museum für Naturkunde in Berlin-Mitte. In dem Wohnblock im Besitz der Arcadia Estate lebte noch etwas mehr als ein Dutzend Mieterinnen und Mieter mit regulären Verträgen. Der Eigentümer wollte die Häuser mit circa 100 Wohnungen abreißen. Die Bewohner*innen wehrten sich im Laufe der Jahre vor Gericht und bekamen Recht: Ihre Kündigungen sind unwirksam.

Der Schwebezustand hält an

Damals, im Winter 2021, drohte nach der Besetzung im Leerstand umgehend die Räumung. „Ich wurde angefragt, mit dem Eigentümer von Arcadia Estate, Andreas Pichotta, und dem damaligen Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel, zu sprechen, um die sofortige Räumung zu verhindern“, sagt Pfarrer Peter Storck. Infolge der Verhandlungen vereinbarten die Parteien eine befristete Duldung. „Es gab einige Zusagen, aber leider dann keine legalen Mietverträge für die Besetzerinnen und Besetzer“, so Storck. Ein „Schwebezustand“, der bis heute anhält.

Gründung der ersten Notübernachtung für wohnungslose Frauen

Pfarrer Storck ist seit Ende 1988 in Kreuzberg unter anderem in der Obdachlosen- und Flüchtlingsarbeit tätig. In der St.-Jacobi-Gemeinde in der Oranienstraße gründete er mit anderen die erste Notübernachtung für wohnungslose Frauen; später wurden an diesem Ort geflüchtete bosnische Familien untergebracht. Ab 2000 wechselte Storck zur Gemeinde Heilig-Kreuz-Passion. In der Gitschiner Straße 15 wurde in Trägerschaft der Gemeinde ein Kulturzentrum für obdachlose Menschen aufgebaut, das sich durch Spenden und Patenschaften finanziert. Weihnachten wird mit obdachlosen und armen Menschen zusammen in der Kirche gefeiert, es gibt Benefizkonzerte für die Kältehilfe, eine Wärmestube und „Laib- und Seele“-Ausgabestelle. Auf dem Friedhof vor dem Halleschen Tor finden Obdachlose eine würdevolle Ruhestätte im „Grab mit vielen Namen“. Auch bei der Besetzung des Oranienplatzes in Kreuzberg durch geflüchtete Menschen von 2012–2015, die in Berlin Asyl beantragt hatten, vermittelte Pfarrer Storck.

Interimspfarrer und Krankenhauspfarrer

Seit Anfang dieses Jahres sei er „Interimspfarrer“ im Kirchenkreis Berlin Stadtmitte. Er unterstützt Gemeinden, die einige Zeit keine Pfarrperson vor Ort haben, und übernimmt besondere Aufgaben. Zuletzt war Storck acht Monate in der Martha-Gemeinde in Kreuzberg, bis Ende Oktober ist er als Krankenhauspfarrer im Klinikum am Urban und Klinikum Friedrichshain tätig. Er unterstütze aber auch bei Trauungen und Beerdigungen. „Das ist eine schöne Art, Pfarrer zu sein. So lernt man noch mal eine Menge“, sagt er lachend. Nächstes Jahr geht Storck in den Ruhestand.

Auf die wachsende Zahl von Menschen, die auf der Straße leben, blickt er mit Sorge. „Wie in einem Brennglas spitzen sich die Konflikte zwischen Arm und Reich extrem zu.“ Der Wohnungsmarkt sei in Teilen zu einer „spekulativen Geldanlage geworden“. „Das ist ein Riesenthema und löst eine große Resignation bei Menschen aus, die das Gefühl haben, aus einer Notlage nicht mehr aus eigener Kraft herauszukommen.“ Es sei wichtig, dass die Kirche öffentlich Partei ergreife für Obdachlose und Geflüchtete.

Dinge am Laufen halten

Für die ehemaligen Wohnungslosen und Langzeitmieter in der Haabersathstraße sieht es zurzeit nicht gut aus. Ende August hat das Bezirksamt den Abriss des Wohnblocks in Mitte genehmigt. Nach Ansicht des Berliner Mietervereins gegen „lasche Auflagen“, ein Ausweg sei die „Rekommunalisierung des Wohnhauses“. „Wir werden weiterreden und versuchen, Alternativen zum Abriss zu benennen“, sagt Pfarrer Peter Storck. „Meine Rolle ist eine klassisch moderierende: Dinge am Laufen zu halten, auf den Punkt zu bringen und konstruktive Gesprächssituationen herzustellen. Da gibt es in unserer Kirche eine lange Tradition.

Foto: Evangelischer Kirchenkreis Berlin Stadtmitte

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