Christen der katholischen und evangelischen Gemeinden aus Berlin-Biesdorf machten sich Ende August gemeinsam auf einen Pilgerweg durch die Stadt. Ein Rückblick
Von Andrea von Fournier
Ein Tross von Leuten zieht an diesem sonnigen Samstag durch Kreuzberg. Mittendrin Jürgen Gaymann und Ehefrau Ingrid von der evangelischen Versöhnungskirche in Berlin-Biesdorf. Der 80-Jährige ist von Anfang an beim ökumenischen „Über-den-Tellerrand-Schauen“ Biesdorfer Christen dabei, übernimmt Organisationsarbeiten im Vorfeld und genießt den Pilgerweg später sehr bewusst.
Die Kirchengebäude anderer Gemeinden zu besichtigen, zu erfahren, wie viele Gläubige hier wann und wozu zusammenkommen, ist nicht ungewöhnlich. Bereits zum 11. Mal trafen sich katholische und evangelische Christen, Einwohner aus Biesdorf, Kaulsdorf und Umgebung und inzwischen auch aus dem
Berliner Stadtzentrum zum ökumenischen Pilgerweg nach Kreuzberg. Unbekannte Gesprächspartner, erfrischende und überraschende Ansichten und Einsichten erwarteten die Pilger. Zum zweiten Mal war das quirlige Kreuzberg Ziel. Dichte und Vielfalt der Glaubensrichtungen und Kirchen sind hier groß.
Der Radius wurde größer
Einst war das Pilgern nur zum Kennenlernen umliegender Gemeinden gedacht, erinnert sich Wolfgang Rau von der katholischen Gemeinde, von Beginn an Mitorganisator. Weil aber das Format bei den Teilnehmern so gut ankam, „schwärmte“ man nach und nach in die etwas weiter entfernten Berliner Stadtteile Friedrichsfelde und Karlshorst aus, dann jährlich einmal Anfang September immer weiter der Stadtmitte entgegen. Eine ökumenische Kontaktgruppe sucht die Ziele, stellt Verbindungen zu möglichen Kirchen her, organisiert den Weg und rührt die Trommel. Interessenten am Pilgerweg gab es viele,ungebrochen bis heute.
Unter den circa 40 Teilnehmenden in diesem Jahr sah man mehr ältere als junge. Flotte Läufer und solche, denen das Gehen schon schwerfällt oder die im Rollstuhl sitzen. Die Unterbrechungen an den Stationen waren in der Wärme für alle wohltuend. Katholische, evangelische, freikirchliche und unbekanntere Kirchen wie die Norwegische Seemannskirche oder St. Lukas, „Willkommenskirche“ der Stadtmission, gaben Einblick in das Spektrum Kreuzberger kirchlichen Lebens.
Sehenwerte „Umwege“
Wolfgang Rau und Maria Fischer von der katholischen Gemeinde oder Ralf Kunstmann von der evangelischen Gemeinde bildeten zuverlässig Spitze und Ende der Gruppe und hatten Zeit zum Austausch mit den Pilgern. „Umwege“ gehörten dazu: Zwischen Heilig-Kreuz-Kirche, in der Gästebetreuerin
Marita Schmieder auch Fragen zu Geflüchteten, ihrem Kirchenasyl und zur Kirchenasylbewegung der 1980er Jahre beantwortete, und der neuapostolischen Kirche Baruther Straße wurde ein Friedhof mit
bekannten Berliner Persönlichkeiten besucht.
In der neuapostolischen Gemeinde mit Leiter Stephan Witzke waren die Pilger durchweg erstaunt. Er hob die Bedeutung der Dreieinigkeit hervor, erzählte vom Chor und mitarbeitenden Laien. „Die Liturgie ist fast wie bei uns!“, konstatierten Besucher. Der freundliche Gemeindeleiter erklärte, dass und wie man sich in den vergangenen Jahren tiefgreifend gewandelt habe. Inzwischen muss nicht mehr die ganze Familie in die Kirche gehen und auch Frauen besetzen Funktionen. Stephan Witzke will, da an neuem Standort, in Kürze Gemeindehirten umliegender Kirchen aufsuchen.
„Eingekeilter“ Pfarrer
„Diese Kirche hat mich am meisten beeindruckt“, meinte nicht nur Pilger Matthias Kern. Auf St. Bonifatius waren viele gespannt. „Eingekeilt“ zwischen Hochzeiten und Messe konnte der leitende Pfarrer nicht viel mehr als sie begrüßen, die Pilger sahen sich allein um. Die „Seemannskirche“, einst Heimat norwegischer Seeleute im Ausland, bietet heute Norwegern und Interessierten in der Wartenburgstraße Gottesdienste, Beratung und Kultur. Zur Freude der Teilnehmer ist das 12. Pilgern für 2025 fest ins Auge gefasst.
Für mehr Informationen zur Versöhnungskirchengemeinde in Berlin-Biesdorf: www.ev-kirche-biesdorf.de
Für mehr Informationen zum Pilgern: www.evkgk.de/mitmachen/pilgern
Foto: Eingangsschild der Sjømannskirken, der Norwegischen Seemannskirche in Berlin-Kreuzberg.
Fotoquelle: Andrea von Fournier