Ehrenamtlich tätig zu sein bereichert das eigene Leben, das der Anderen, es bereichert Dörfer und Städte, unser Land und unsere Welt. Ehrenamt ist ein sperriger Begriff, doch mit „notwendigem“ Inhalt. Die gesellschaftlichen Herausforderungen verlangen uns mal wieder einiges ab.
Diktatoren und Imperialisten bestimmen das Weltgeschehen mit Geld und Macht. Die Komplexität der globalen Themen in der Verbindung zu den Entscheidungen in unseren Alltagsabläufen zu erfassen, ist anstrengend. Viele Menschen sagen: „Man kann ja doch nichts machen. Warum soll ich mich engagieren?“
Doch Gleichgültigkeit und Rückzug haben noch nie zu einer Veränderung beigetragen. Wir als Bürger*innen können in sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Bereichen aktiv Einfluss auf die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft nehmen. Dann erleben wir Stärkungsmittel, wenn die Ohnmacht gegenüber komplexen Themen zu groß wird. Ehrenamtliches Engagement bietet eine Plattform, um aktiv, verantwortungsvoll und solidarisch im Alltag zu leben. Der biblische Begriff dafür ist „diakonisch“. Sich mit den eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten einzubringen, prägt und gestaltet Leben und hat Strahlkraft.
Spirituelle Kraft der Hoffnung.
Was wären unsere Kirchengemeinden ohne Gemeinden, Bauvereine und Chöre? Oder die Dörfer ohne die Freiwillige Feuerwehr? Die Städte ohne Sportvereine und die Tafeln? Unser Land ohne Ehrenamtliche in Pflegeheimen und anderen diakonischen Einrichtungen? Europa ohne die Seenotrettung auf dem Mittelmeer? Und was wäre die Prignitz, in der ich lebe, ohne das Demokratie-Forum oder den NABU?
Als Pastorin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) habe ich ohne Ehrenamtliche nicht arbeiten können, besonders nicht in den 15 Jahren als Ausländerseelsorgerin und in über 30 Jahren Weltladen-Arbeit.
Ich kenne unterschiedliche Engagierte, die eine sehr menschliche Lebenshaltung haben. Oft enthält sie eine spirituelle Kraft der Hoffnung oder sogar eine widerständige Motivation des Glaubens. Als Christinnen und Christen haben wir hier einen Schätze in unserer jüdisch-christlichen Tradition: gegenseitiges Wahrnehmen, einander Achten und füreinander Dasein besonders in Notzeiten.
In Zeiten von Individualisierung und gesellschaftlicher Fragmentierung zeigen wir mit dem Ehrenamt, wie es anders gehen kann. Es gibt dem öffentlichen Leben einen humanen Charakter. Es erhält die Farbenvielfalt einer Gesellschaft, aber es hält auch schmerzliche Differenzen aus. Ehrenamtliche Teams entwickeln gemeinsam Ideen, motivieren sich gegenseitig, durchleben zusammen Durst -strecken und wagen Neues.
So ist gerade „Marthas Tisch“, in Trägerschaft der Evangelischen Kirchengemeinde Wittenberge, als sogenannter Dritter Ort entstanden. Die Bahnstraße – früher die wichtigste Einkaufsstraße von Wittenberge – wird mit einem Stadtteilprojekt belebt: Begegnung an einem langen Tisch, ein Ladenlokal ohne Konsumzwang, Hören und Reden, faires Verhalten – beim Genuss von Kaffee und Tee.
In welcher Gesellschaft wir leben wollen
Mit dem Ehrenamt geben wir Anregungen für weitergehende Fragen: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Welche Werte wollen wir an die nächste Generation weitergeben? Welcher Lebensstil beachtet die natürlichen Ressourcen? Ehrenamtliche Arbeit hat auch für die Zukunft einen unverzichtbaren Wert für das gesellschaftliche Zusammenleben.
Geben und Nehmen koordinieren
Darum sind wir hier in der Prignitz in diesem Jahr mit unterschiedlichen Akteuren dabei, eine Ehrenamtsbörse für die Region aufzubauen. Damit wollen wir das Geben und Nehmen passend koordinieren. Das ist im ländlichen Bereich eine aufwändige Aufgabe. Wir stellen aber fest: Eine an -gemessene Würdigung der Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler fehlt an vielen Stellen in unserem Land. Es braucht eine anerkennende finanzielle Unterstützung, zum Beispiel durch steuerliche Erleichterungen oder für die Rentenpunkte. Oft zeigt sich für mich auch: Ehrenamtliches Engagement liegt nicht im Trend. Meine Anregung bleibt trotzdem: Es lohnt sich – für die Welt, für unser Land, für jede Stadt und jedes Dorf, für andere und für uns selbst.