Aus welchem Steinbruch kommt der Grabstein, der an einen lieben Verstorbenen erinnert? Ein Plädoyer, genauer hinzuschauen und faire Grabsteine zu nutzen.
Von Barbara Neubert
Wenn ich über Friedhöfe gehe, schaue ich mir gerne die Grabsteine an. Die wunderbarsten Namen habe ich dabei entdeckt, Jahreszahlen mit geschichtlichen Ereignissen verbunden. Manche Grabsteine erzählen mit ihrer Form etwas über das Leben des Menschen, der dort beerdigt liegt. Wahre Kunstwerke sind darunter.
Aber was ist mit dem Material selbst? Aus welchem Stein ist der Grabstein gemacht? Wo kommt er her? Wer einen Grabstein aussucht, schaut nach dem Farbton, der Maserung, ob er poliert wurde oder rau ist. Und dann frage ich mich: Woher kommt der Stein und unter welchen Bedingungen wurde er abgebaut? Will ich einen Grabstein, an dem wortwörtlich Blut klebt, weil Arbeitsschutz nicht eingehalten wurde, keine Handschuhe, keine Masken getragen wurden?
Kinderarbeit und Staublunge
Viele Grabsteine, die bei uns gekauft werden, stammen aus Indien, China oder Vietnam. Die Arbeitsschutzgesetze werden oft weder kontrolliert noch eingehalten. In Indien führt es dazu, dass in vielen Steinbrüchen Kinder arbeiten. Sie schleppen viel zu schwer für ihr Alter und werden den Teufelskreis der Armut nicht verlassen, weil keine Zeit für die Schule bleibt.
Arbeitsschutz wie Schuhe und Atemmasken werden selten genutzt. Da der Lohn so gering ist, können die Arbeiter ihn sich nicht leisten. Die Besitzer des Steinbruchs sorgen nicht dafür. Das ist ein großes Problem. Denn der Staub, der beim Abbrechen der Steine entsteht, wird eingeatmet. Viele erkranken an Silikose, der berüchtigten, gefährlichen Staublunge.
Man sieht es dem Grabstein nicht an
Oft sind es Wanderarbeiter, die in den Steinbrüchen arbeiten. Sie sind aus ihren Dörfern weggegangen, um das Überleben ihrer Familien zu sichern. Weit weg von zuhause sind sie nicht gut geschützt, kennen niemanden, der ihnen helfen könnte.
Will ich einen Grabstein, der unter solchen Bedingungen abgebaut wurde? Und woher weiß ich, ob es genau den Stein betrifft, den ich schön finde? Dem Stein ist nicht anzusehen, unter welchen Bedingungen er entstanden ist.
Alternative: Faire Grabsteine
Es gibt Alternativen: 1. Manche Grabsteine haben ein Siegel, wie bei Fairem Kaffee. Die zwei wichtigsten Siegel oder Zertifikate sind XertifiX und WiN=WiN Fair Stone. 2. Man kann einen Naturstein aus Deutschland auswählen oder 3. einen nicht mehr gebrauchten Grabstein wiederverwenden. Bei der Suche kann der örtliche Steinmetz helfen.
Es gibt Möglichkeiten und Alternativen. Und so können die Grabsteine auf dem Friedhof ihre
Geschichten weitererzählen. Ein schöner Grabstein ist eine wunderbare Weise, an einen Menschen zu erinnern und ein respektvoller Umgang mit dem Tod. Mit einem Stein ohne Verletzung von Kinder-, Menschen- oder Arbeitsrechten ist er auch ein respektvoller Umgang mit den Lebenden.
Weitere Informationen auf Anfrage via Mail.
Pfarrerin Barbara Neubert ist Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst am Berliner Missionswerk.



