„Ich stärke jedes Kind …… und kann doch nicht alle Wünsche erfüllen. Aber darum geht es auch gar nicht, wenn wir auf Kinderrechte blicken“, sagt Christiane Baumann, Kinderdiakonin und Integrationspädagogin in Berlin. Gedanken zum Weltkindertag am 20. September unter dem Motto „Mit Kinderrechten in die Zukunft“ – über das Fundament unserer Gesellschaft.
von Christine Baumann
„Wir ernten, was wir säen“, singt die legendäre Band „Die Fantastischen Vier“ und man könnte fragen – haben wir überhaupt ein Bewusstsein für das Säen? Wissen wir, dass Kinderrechte nicht nur Serviervorschläge für gesellschaftliche Bildung und demokratische Prozesse sind, sondern Saat und Fundament? Kinder haben das Recht zu spielen, sie haben das Recht gesund zu leben, zu lernen und eine Ausbildung zu machen, die ihren Bedürfnissen und ihren Fähigkeiten entspricht. Behinderte Kinder haben das Recht auf besondere Fürsorge und Förderung. Alle haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung. Kinder haben das Recht, im Krieg und auf der Flucht besonders geschützt zu werden – kaum zu glauben, wenn wir Bilder von Flucht und Vertreibung sehen. Kinder haben das Recht, bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen und zu sagen, was sie denken. Wirklich? Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, in Ihr Umfeld schauen, würden Sie dem klar zustimmen? „Kinder dürfen heutzutage alles“ höre ich oft, sie seien „grenzenlos“ und „fordernd“. Tatsächlich sind Kinder von Geburt an Teil der Gesellschaft und nicht in Wartestellung. Sie müssen sich nicht bewähren, um Teilhabe zu erwerben oder gehört zu werden.
In die Zukunft investieren
Unser Grundgesetz und die darin festgeschriebenen Kinderrechte bilden den Rahmen für unser gesellschaftliches Zusammenleben. Papier jedoch ist geduldig. Erst durch uns, unsere Haltungen und unser Handeln werden diese Grundlagen mit Leben erfüllt. Auf unser Säen kommt es an. Werfen wir – bildlich gesprochen – die Samenkörner irgendwohin, wo gerade Platz ist?
Ich habe den Eindruck, dass politisch Verantwortliche nicht überzeugt sind, alle Kraft in unsere Kinder zu investieren. Ja, es ist ein lebendiges, millionenfaches Investment in die Zukunft. „Aus Kindern werden Leute“ hieß es einst. Und diese „Leute“ entscheiden dann selbst, wie und wo sie ihr Leben gestalten.
Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen
„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“, behauptet ein afrikanisches Sprichwort. Schon klar, aber schauen wir uns mal um – Bildung und Bildungspolitik, Chancengleichheit, Inklusion – alles gut? Die OECD-Studien der vergangenen Jahre zum Stand des Bildungssystems bescheinigen etwas anderes. Zehntausende Jugendliche verlassen unser Schulsystem ohne Abschluss und diese Bildungsarmut pflanzt sich in spätere Lebensphasen fort.
Alle Kraft dem Lachen und Weinen der Kinder
Können wir uns das leisten, wo wir doch in frühkindliche Bildung und Frühförderung Milliardensummen stecken? Und dürfen wir überhaupt irgendwen verlieren? Im Kindergarten zum Beispiel lassen wir unsere ganze Kraft, unseren Glauben, alle Geduld und unseren Lebensvorrat an Freude, Lachen und Tränen in den Alltag fließen. Unseren Kindern geht es gut, aber offenbar nicht allen. Nicht in Deutschland und in der Welt. Es wäre naiv zu mutmaßen, wir hätten „alles im Griff“. Für mein Pädagoginnen-Team besteht die tägliche Herausforderung darin, die individuellen Bedürfnisse und vielfältigen Wünsche des einzelnen Kindes im Blick zu haben und dennoch die gesamte Kindergartengemeinschaft im selbstbewussten, selbständigen Handeln zu stärken.
Demokratie wächst mit Kindesbeinen
Aber das ist unsere Aufgabe. Das ist Säen auf unser demokratisches Fundament von Kindesbeinen an. Wer jedoch scheiternde Kinder und Jugendliche übersieht, nimmt eine scheiternde Gesellschaft in Kauf. Wir werden eines Tages ernten dürfen oder ernten müssen. Ernten werden wir in jedem Fall.
Christine Baumann ist Integrationspädagogin und Diakonin im Forscher-Kindergarten „Apfelbäumchen“ in Berlin-Bohnsdorf