lächelnde Frau in einem blauen Mantel

Christine Bergmann

Christine Bergmann wird Anfang September 85 Jahre alt. Sie blickt auf ein erfolgreiches Engagement als Politikerin und als Beauftragte der Bundesregierung gegen sexualisierte Gewalt zurück. Noch immer hat sie sehr viel zu tun mit ihren verschiedenen Ehrenämtern. Manchmal sucht sie Ruhe beim Pilgern.

von Friederike von Kirchbach

„Ich vergesse alle Geburtstage, mitunter meinen eigenen, aber den 13. Februar vergesse ich nicht. Der 13. Februar ist der Tag des Untergangs von Dresden.“ So beginnt Christine Bergmanns autobiografisches Buch „Von Null auf Hundert“. Jene von uns, die Dresden kennen, verstehen das auf Anhieb. Der 13. Februar wird nie ein Tag wie alle anderen sein.
Sie war sechs Jahre alt, als die Bomben 1945 auf ihre Heimatstadt fielen. Und sie sagt in ihrem Buch, dass mit diesem Tag ihre Kindheitserinnerungen anfangen. „Die Bilder sind alle noch in meinem Kopf“, schreibt sie. Was für eine Erfahrung für ein kleines Kind. Ich frage mich, woher die Kraft kam, mit einem solchen Trauma ein so positiver, freundlicher, zugewandter und aktiver Mensch zu werden?
Christine Bergmann wird Anfang September 85 Jahre alt. Sie hat immer noch sehr viel zu tun mit ihren verschiedenen Engagements und mit den Fragen, die Menschen gern von ihr beantwortet haben möchten.

Erfolgreiche Politikerin und gute Gastgeberin

Der Himmel hat ihr viele Talente geschenkt:

  • promovierte Pharmazeutin
  • erfahrene und erfolgreiche Politikerin
  • Führung von Ministerien
  • Vorträge halten
  • Schwierige Sitzungen leiten
  • wunderbare Köchin, Näherin und Strickerin

Sie liebt Bücher und liest sie schnell. Sie geht gern ins Kino und in die Oper oder ins Konzerthaus.
In ihrer schönen Wohnung mitten in Berlin trifft sich regelmäßig ihre größer werdende Familie und ihre Freundinnen und Freunde. Und alle, die ihre großzügige Gastfreundschaft kennengelernt haben, kommen sehr gern wieder. Inzwischen gibt es schon zwei Urenkel.

Pilgernd die Geburtstage verbringen

Ihre Geburtstage allerdings feiert sie gern unterwegs. So pilgerte sie zum 77. Geburtstag einfach mal 775 Kilometer von Saint-Jean-Piedde-Port bis nach Santiago de Compostela. Später erzählt sie davon im Buch: „Mein Enkel, der Jakobsweg und ich“. Zwei Jahre später war sie zur gleichen Zeit auf dem Franziskusweg zwischen Florenz und Assisi unterwegs.

Ich habe sie 2005, in der Zeit, als sie Mitglied der Kirchenleitung war, kennengelernt. Mir schien es so, dass mit ihr immer ein Glanz aus einer anderen Welt in unsere Runde kam. Ein weiterer Horizont und dazu freundlich und wertschätzende Verbindlichkeit, auch bei kritischen Themen. Dass sie sich sehr engagiert für Gleichstellungsfragen eingesetzt hat, war notwendig und hat unserer Kirche gutgetan.

Einsatz für Betroffene von sexualisierter Gewalt

Sie hat einige Orden und Auszeichnungen erhalten, ich denke aber, das ist ihr nicht so wichtig. Wirklich wichtig ist ihr das Engagement, dem sie sich in den letzten Jahren besonders gewidmet hat. Seit die damalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sie im Frühjahr 2010 fragte, ob sie bereit wäre, das Amt der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs im Auftrag der Bundesregierung zu übernehmen, kämpft sie für die Opfer sexualisierter Gewalt. Und sie trat schon als Mahnende auf, als wir noch ganz am Anfang des Begreifens der Dimension sexualisierter Gewalt auch und gerade in unserer Kirche waren. Wir sind, auch dank ihres Engagements, weitergekommen, wacher geworden in dieser Frage. Aber wir sind noch lang nicht an dem Punkt, an dem wir zufrieden sein können. Auch wenn sie das Amt der Beauftragten inzwischen abgegeben hat, wird sie weiterkämpfen.

Bundesministerin und Konzertbesucherin

Wenn ich Christine Bergmann besuche, könnte sie sehr viel Spannendes aus ihrem Leben erzählen. Zum Beispiel von ihrer als Zeit von 1998 bis 2002 als Bundesfamilienministerin in Bonn und Berlin. Oder zuvor, als Bürgermeisterin in Berlin. Interessant wäre es auch, noch mehr von ihrer Arbeit im Ombudsrat zu erfahren, wo sie, ab 2004 zusammen mit Kurt Biedenkopf und Hermann Rappe, die Folgen der Einführung des Arbeitslosengeldes II (heute Bürgergeld) untersuchte. Aber wir reden dann doch über die aktuelle politische Situation und manchmal auch über kirchliches Ungeschick beim Umgang mit dem Missbrauchsthema. Oder sie war gerade in einem beeindruckenden Konzert und schildert begeistert, wie es war, mit der Sprache einer Person, die sich auskennt.

Spuren, die bleiben

Wir waren auch schon gemeinsam bei einem Konzertbesuch im Kulturpalast ihrer nach wie vor geliebten Heimatstadt. Dresden ist wieder auferstanden aus den Ruinen einer schrecklichen Zeit. Es ist heute anders dort und man sieht Spuren, die bleiben werden. Sie wird sie sicher nicht vergessen. Grundsätzlich aber lebt Christine Bergmann in der Gegenwart und da gibt es noch viel zu tun.

Heute ist sie ein Mensch, der immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein scheint. Wir gratulieren dankbar und herzlich und wünschen ihr noch viele Jahre mit guten Begegnungen und Bewegungen.

Friederike von Kirchbach war von 2000 bis 2005 Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags, von 2005 bis 2015 Pröpstin der EKBO.

Zur Person Christine Bergmann:

Christine Bergmann, geboren am 7. September 1939 in Dresden, ist SPD-Politikerin. Die studierte Apothekerin war die letzte Präsidentin der Berliner Stadtverordnetenversammlung, Bürgermeisterin von Berlin, von 1991 bis 1998 Berliner Senatorin und von 1998 bis 2002 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie war von 2003 bis 2008 Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Von März 2010 bis Oktober 2011 war sie die Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs im Auftrag der Bundesregierung. Von 2016 bis 2023 war sie Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Seit 2011 ist Christine Bergmann Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Zukunft Berlin. Sie ist Mitglied im Ehrenrat von AMCHA Deutschland, der zentralen Organisation für die psychosoziale Hilfe von Überlebenden des Holocaust und ihren Nachkommen in Israel.

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