Mit der Einführung einer Jugendquote und einem verschärften Gewaltschutzgesetz zeigt die Landessynode, dass sie bereit ist, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen und die evangelische Kirche zukunftsfähig zu gestalten.
Von Constance Bürger und Joana Lewandowski
Berlin. Die Tagung der Landessynode vom 20. bis 22. November in Berlin hat vermutlich viele Beteiligte bewegt – nicht nur durch ihre musikalischen Akzente, sondern vor allem durch wegweisende Entscheidungen. Ein zentraler Beschluss: Ab 2027 gilt für die Landessynode eine Jugendquote. Damit setzt sie auf eine stärkere Beteiligung junger Menschen. Mindestens 14 der 108 Synodalen müssen dann jünger als 27 Jahre sein. Trotz Diskussionen über die Umsetzbarkeit stimmte die Synode mit großer Mehrheit zu. „Ich bin dankbar, dass die Jugendquote mit riesiger Mehrheit beschlossen wurde“, sagte Präses Harald Geywitz.
Bischof Christian Stäblein stellte in seinem Eröffnungswort die Bedeutung junger Perspektiven auch im Blick auf die aktuelle Wehrdienstdebatte heraus. Er würdigte die neue Friedensdenkschrift der EKD, warnte aber vor überhöhten Erwartungen. Umso wichtiger seien Friedensgebete und Friedenslieder. „Wir werden sie brauchen – vermutlich mehr, als uns lieb ist.“
Friedensdienst-Antrag vertagt
Mehrere Synodale brachten einen zivilen Friedensdienst ins Gespräch. „Wir haben bisher nur militärische Antworten auf die Bedrohungen der Zeit“, sagte Pfarrerin Katharina Köhler aus Dissen. Der Tagungsausschuss „Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung“ hat daraufhin einen Antrag den Synodalen vorgestellt. Die Synode beschloss jedoch dazu eine Vertagung.
Einstimmig angenommen wurde hingegen ein neues Gewaltschutzgesetz. Ab 2026 müssen alle Beschäftigten und viele Ehrenamtliche alle fünf Jahre ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, das unter anderem Informationen über mögliche Vorstrafen wegen Sexualdelikten enthält. Auch bei Einstellungen muss es vorgelegt werden. Zudem werden Schutzkonzepte künftig für alle kirchlichen Ebenen verpflichtend. Konsistorialpräsidentin Viola Vogel sagte, die Kirche habe sich im Umgang mit sexualisierter Gewalt schuldig gemacht: „Das ist beschämend und unerträglich.“
Segnungspraxis überdenken
Einen Anfang haben die Synodalen gemacht beim Thema Segnung. Der Ausschuss „Theologie, Liturgie und Kirchenmusik“ wurde beauftragt, Grundlagen und Praxis von Segnungen neu zu klären. Die Synodalen reagierten damit auf den Fall einer Segnung im Sommer von vier in einer Beziehung lebenden Männern durch eine Berliner Pfarrerin. Mehrere Medien hatten den Fall kürzlich skandalisiert. „Trauung ist die einzige Form, in der wir ausdrücklich zwei Menschen in ihrer Beziehung segnen“, betonte Stäblein in seinem Bischofswort. Und weiter: „Segnung ist für Menschen, die darum bitten.“ Er sprach sich für eine Schärfung der Segenstheologie und -praxis aus.
Unabhängig davon stimmten die Synodalen einem Vorschlag zur Erneuerung der Ordnung für Sakramente und Lebensfeiern zu. Die gesetzliche Beschlussfassung folgt im Frühjahr. „Die Gesellschaft hat sich verändert“, sagte Pröpstin Christina-Maria Bammel. Neue Fragen an die kirchliche Ordnung seien hinzugekommen, es brauche weniger Vorgaben. Ulrike Voigt, Pfarrerin für Mahlow und Glasow, begrüßte den Vorstoß: „Ich finde es wunderbar, wenn sich Kirche von Ordnungen auch mal lösen kann“, sagte sie.
Christina-Maria Bammel: Eine neue Bischöfin aus der EKBO
Für Pröpstin Bammel war es eine Tagung zwischen Lübben, wo die Landessynode mit einem Gottesdienst eröffnet wurde, Berlin und Braunschweig, wo sie am Samstag war: Dort wurde sie auf der zeitgleich tagenden Synode der Landeskirche Braunschweig zu deren neuer Bischöfin gewählt.
Christian Stäblein gratulierte ihr mit den Worten, „dass sie eine biblisch fundierte, zukunftsgerichtete Bischöfin sein wird, die aus der Hoffnung des Evangeliums lebt und diese Hoffnung verbreitet“. Nach der Wahl sagte Bammel, dass ihr wichtig sei, „in aufgeregten und empörten Zeiten in dieser Gesellschaft, wo auch eine Menge Verunsicherung ist“, mit „gelassener, vergnügter evangeliumsfreudiger Haltung“ für die Menschen da zu sein.
Aufgabe der Kirche: Öffentliche Seelsorge
Auch Bischof Stäblein hob in seinem Bischofswort die „öffentliche Seelsorge“ als zentrale Zukunftsaufgabe hervor. Die Kirche sei weniger eine moralische Instanz, die „Richtigkeiten“ verkündet, sondern zunächst ein Ort, an dem Überforderung, Angst und Wut gehört und „abfließen“ können – „als Dienst an der Seele der Gesellschaft“. Eine Kirche, die nur moderiert und zuhört, greife jedoch zu kurz. Sie müsse auch Position und Werte beziehen, etwa in Fragen von Migration, Krieg und Frieden oder gesellschaftlicher Spaltung.
Stäblein sagte, der Schutz von Flüchtlingen dürfe nicht infrage gestellt werden. Zugleich dürften die Herausforderungen unter anderem durch die Fremdheit von Kulturen und Lebensweisen nicht kleingeredet werden. Wer dies verschweige, fördere den Populismus, der das Miteinander gefährde.
Angesichts zunehmender antisemitischer Angriffe erklärte die Synode ihre Solidarität mit allen, die sich gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit engagieren. Der Tagungsausschuss „Ökumene, Mission, Dialog“ hatte dazu im Laufe der Tagung eine Vorlage eingebracht. „Wer unsere jüdischen Geschwister angreift, greift uns an“, heißt es in dem Beschluss: Die Synodalen rufen Gemeinden auf, die Themen Antisemitismus, Demokratie und interreligiöser Dialog in Gottesdiensten und Bildungsangeboten kontinuierlich zu vertiefen.
mit epd



