Zum sechsten Mal fand die „Woche der Religionen“ für Schüler*innen der 5. Klasse der Hausottergrundschule in Berlin-Reinickendorf in der vergangenen Woche statt. Zweimal im Jahr bietet die benachbarte Evangeliums-Kirchengemeinde zusammen mit dem kreiskirchlichen Freizeithaus „Kreativfabrik“ das Projekt an. Die Schüler*innen lernen hier für eine Woche die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam kennen. Deren Gotteshäuser besuchen einige zum ersten Mal, erzählt Pfarrerin Margareta Trende. Sie koordiniert die Aktion.
Welcher Moment der aktuellen „Woche der Religionen“ geht Ihnen besonders nach, Frau Trende?
Margareta Trende: Die Kinder, von denen die meisten eine andere Muttersprache als Deutsch sprechen, sollten ihr ideales Gotteshaus aus Legosteinen bauen. Eine Gruppe hatte ein sehr hohes Haus gebaut und ein Mädchen erklärte dazu: „In diesem Haus gibt es unten einen großen Saal für alle, aber jede Religion hat auch ihr eigenes Stockwerk. Im Fahrstuhl stehen dann keine Etagen, sondern „Synagoge“, „Kirche“ „Moschee“, „Buddhistischer Tempel“ und so weiter. Das Beste aber ist, dass das Haus am Meer steht. Am Abend baden, essen und spielen alle zusammen.“ Das war für mich so ein besonderer Moment, in dem ich gemerkt habe: Ja, die Kinder verstehen, worum es uns geht. Ihre eigenen Vorstellungen sind oft so bereichernd und kostbar.
Warum ist Ihnen dieses Projekt besonders wichtig?
Als evangelische Kirchengemeinde versteht sich unsere Gemeinde als „Kirche im Kiez“. Wir wollen als Christ*innen, als Kirche für alle Menschen in unserem Kiez da und relevant sein. Dafür öffnen wir unsere Türen. Dabei fragen wir uns: Wofür stehen wir? Was können wir dazu beitragen, dass Menschen gerne in unserem Kiez leben? Wie können wir unseren Glauben leben, damit Kinder Toleranz und Respekt zwischen den Religionen erleben und erfahren können? Dazu dient die „Woche der Religionen“. Diese Woche ist so wichtig, weil die Schüler*innen durch die Begegnungen mit uns als Christ*innen, mit Jüdinnen und Juden, mit Muslimen und Muslimas Vorurteile wirklich abbauen können. Das haben wir bei den vergangenen Malen schon sehr deutlich gespürt.
Welche positiven Erfahrungen konnten Sie sammeln?
Gab es am Anfang noch starke Vorurteile vor allem gegenüber Jüdinnen und Juden, so schwanden diese einfach durch die gemeinsamen Gespräche und die Begegnungen. Ein anderes Beispiel, das zeigt, wie Vorurteile abgebaut wurden, erlebten wir beim vergangenen Mal: Ein Kopftuch tragendes Mädchen aus Afghanistan kam am ersten Tag sehr schüchtern in unsere Kirche. Sie war noch nie in einer Kirche gewesen und ich merkte ihr an, dass sie sich unwohl fühlte. Im Laufe der Woche ging es immer wieder auch darum, dass die Kinder ihren Lieblingsplatz in der Kirche finden sollten. Am Ende der Woche hatte dieses Mädchen ihn gefunden: Es war die Kanzel und sie hielt beim Vorstellen der Ergebnisse eine wunderbare Rede.
Welche Programmpunkte haben bei den jungen Menschen großes Interesse geweckt?
Beeindruckt waren die Schüler*innen von der Synagoge und dem Gespräch mit dem Rabbiner. Da wir durch eine Polizeikontrolle gehen mussten, haben sie erfahren können, was es heißt, immer bedroht leben zu müssen. Auch der Besuch in der afghanischen Moschee ist immer sehr beliebt, denn die Kinder können zum einen eine Moschee mitten in einem Gewerbegebiet in unserem Kiez kennenlernen und sie erleben dort einen sehr toleranten und weltoffenen Islam. In unserer Kirche durften sie in Begleitung unseres Kirchenmusikers an der Orgel spielen. Das hat vielen sehr gefallen.
Wie geht es jetzt nach dem Projekt weiter?
Die Kinder werden das Thema weiter an der Schule begleiten. Meine Kollegin, Pfarrerin Manuela Michaelis, und mich kennen sie nun besser und werden öfter in unserer Kirche vorbeikommen, wo es immer etwas Süßes, etwas zu Trinken oder bei Bedarf ein Gespräch für sie geben wird. Im Herbst werden wir mit den Schüler*innen der dann neuen 5. Klasse wieder eine „Woche der Religionen“ durchführen.
Die Fragen stellte Constance Bürger.