Mann mit Glatze, Brille und liafarbenem Hemd
Superintendent Michael Raddatz. Foto: epd-bild/Christian Ditsch

Michael Raddatz möchte Generalsuperintendent werden

Seit 2016 ist Michael Raddatz Superintendent des Berliner Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg. Nun möchte er Generalsuperintendent des Sprengels Berlin werden.

Von Joana Lewandowski

Berlin. Wenn Michael Raddatz über Kirche spricht, dann spricht er über mehr als Gebäude, Liturgien oder Traditionen. Er spricht über Menschen, über Begegnung, über eine Kirche, die mitten im Leben steht. Er leitet als Superintendent den Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg – mit dem Ziel, Kirche neu zu denken, neue Räume für Seelsorge zu öffnen und auch schwierige gesellschaftliche Themen nicht zu scheuen. Jetzt bewirbt er sich für das Amt des Generalsuperintendenten im Sprengel Berlin. Seine Vision: eine Kirche, die zuhört, handelt und sich mutig in die Gesellschaft einbringt.

Michael Raddatz wurde 1965 in im Westen des Schwarzwalds geboren und studierte Evangelische Theologie in Berlin und Prag. Sein Vikariat führte ihn ins britische Birmingham, bevor er in der Berliner Gethsemanegemeinde seine erste Pfarrstelle antrat – einem zentralen Ort der Friedlichen Revolution in der DDR. Diese Erfahrungen haben ihn geprägt: Kirche kann ein Ort der Hoffnung sein, auch in schwierigen Zeiten.

Raddatz initiierte das erste Geistliche Zentrum für Demenz

Es folgten Stationen als Dompfarrer an der Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin und als Gemeindepfarrer in Wannsee, wo er sich aktiv für den Bau von Flüchtlingsunterkünften engagierte. Seit 2016 bringt er als Superintendent seine Expertise in interreligiöser Zusammenarbeit, Erinnerungskultur und die Weiterentwicklung kirchlicher Strukturen ein. Er initiierte das erste Geistliche Zentrum für Demenz, fördert digitale Seelsorge und engagiert sich als Jurymitglied der „Dritten Orte“ – einem Projekt, das innovative kirchliche Räume jenseits traditioneller Gemeindestrukturen auszeichnet.

Für Raddatz ist Seelsorge keine Randaufgabe der Kirche, sondern eine ihrer zentralen gesellschaftlichen Funktionen. „Die Begleitung von Trauernden ist ein wichtiger Dienst der Kirche an der Stadt“, sagt er. Doch er sieht auch die Herausforderungen: „Die meisten Gemeinden sind nicht mehr ausgestattet, um Seelsorge in diesem Ausmaß zu leisten.“ Seine Antwort darauf ist Vernetzung und Zusammenarbeit. „Es geht um eine Zusammenarbeit mit der unternehmerischen Diakonie und der Seelsorge für die Seelsorger.“

Raddatz möchte mehr Fokus auf Seelsorge und Trauerarbeit setzen

Er möchte als Generalsuperintendent die Trauerberatung und Seelsorge stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken und breiter aufstellen – sei es durch spezialisierte Anlaufstellen, Kooperationen mit der Wirtschaft oder neue, niederschwellige Angebote. Denn für ihn gehört Kirche genau dorthin: mitten ins Leben der Stadt, an die Orte, an denen Menschen Unterstützung brauchen.

„Ich habe da eine Lust, Projekte mit einer breiten Stadtgesellschaft zu entwickeln und auch in der Stadt sichtbar zu machen“, beschreibt Raddatz seine Motivation. Ihn reizt das Generalsuperintendentenamt, weil es Freiräume für langfristige Entwicklungen schafft – „ohne Geld und Macht im Vordergrund“.

Musikprojekt „Lebensmelodien“: Jüdische Musik aus der Zeit des Holocaust neu gespielt

Das interreligiöses Musikprojekt „Lebensmelodien“ zeigt, wie seine Ideen Gestalt annehmen. „Es ist organisch gewachsen“, er finde es „toll, wie dieses Projekt Vertrauen und Offenheit fördert“. Die Initiative, die jüdische Musik aus der Zeit des Holocaust neu erklingen lässt, hat international Beachtung gefunden – zuletzt mit einem Auftritt vor der UNO. Gemeinsam mit seinem Freund und musikalischen Projektleiter Nur Ben Shalom hat Raddatz das Projekt entwickelt. Es ist ein lebendiges Zeichen dafür, dass Erinnerung nicht statisch ist, sondern Dialog und Verständigung schaffen kann.

Seine Arbeitsweise ist oft spielerisch und experimentell. „Es ist egal, ob es funktioniert oder nicht, es muss ausprobiert werden. Vielleicht klappt es ja.“ Mit neuen Formaten will er kreative Freiräume für neue Ideen schaffen. Diese Offenheit möchte er auch in die digitale Zukunft der Kirche tragen. Die kirchliche Digitalisierung ist für Raddatz kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um Kirche zugänglich und ansprechbar zu machen. „Ich glaube kaum, dass in fünf Jahren noch jemand Öffnungszeiten – Dienstag zwischen 9 und 11 Uhr – an der Küsterei ernstnimmt.“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Sein Ansatz: Kirche muss dort sein, wo die Menschen sind – auch online.

Raddatz plant Kontaktaufnahme zu Gemeindegliedern über Soziale Medien

Für das diesjährige Kontaktjahr der EKBO plant er deshalb ein besonderes Experiment: Die erste Kontaktaufnahme mit Gemeindegliedern soll über soziale Medien erfolgen – mit dem Ziel, dass daraus echte Begegnungen entstehen. „Das reizt mich, das anzustoßen. Und zu sehen, wie die Unterschiede zwischen Lichtenberg und Zehlendorf da sind.“ Seine Vision ist eine Kirche, die die digitalen Möglichkeiten nutzt, um die Menschen in der Stadt noch direkter anzusprechen.

Mit seiner Bewerbung als Generalsuperintendent verfolgt Raddatz eine klare Mission: eine Kirche, die auf die Herausforderungen der Zeit reagiert, die gesellschaftlichen Wandel nicht nur begleitet, sondern aktiv mitgestaltet. Ob in der Erinnerungskultur, der sozialen Gerechtigkeit oder im interreligiösen Dialog – für ihn ist Kirche kein Selbstzweck. „Kirche muss die Sprache der Menschen sprechen und auf sie hören. Sie ist kein Ort, der nur für seine Mitglieder existiert, sondern ein Ort, der Sinn stiftet – auch für die, die sich nicht als klassische Kirchenmitglieder verstehen.“

Sein Ansatz ist dabei so pragmatisch wie inspirierend: Kirche als Ort der Begegnung, als Partnerin der Stadt, als Impulsgeberin für neue Ideen. Und immer mit einem Blick für das, was wirklich zählt: den Menschen.

Generalsuperintendent*innen-Wahl des Sprengels Berlin.

Nach dem Kirchengesetz der EKBO werden Generalsuperintendent*innen durch einen Wahlkonvent gewählt. Dieser besteht aus den gewählten Mitgliedern der Landessynode, den Präsides (Vorsitzenden) der Kreissynoden und den Superintendenten des Sprengels Berlin. Den Vorsitz hat Bischof Christian Stäblein. Die Amtszeit endet am 31. Dezember 2031.Die Wahl findet am 30. März in Berlin statt. Der Generalsuperintendent, die Generalsuperintendentin ist für die geistliche und seelsorgerliche Leitung einer Region in der Landeskirche verantwortlich und vertritt in diesem Gebiet den Bischof im kirchlichen und öffentlichen Leben. Er oder sie gehört der Kirchenleitung und der Landessynode an. Neben dem Sprengel Berlin gibt es in der EKBO den Sprengel Görlitz mit Generalsuperintendentin Theresa Rinecker und den Sprengel Potsdam mit Generalsuperintent Kristóf Bálint. Der Sprengel Berlin umfasst die Kirchenkreise Nord-Ost, Stadtmitte, Süd-Ost, Charlottenburg-Wilmersdorf, Neukölln, Reinickendorf, Spandau, Steglitz, Teltow-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg.

Termine:

Sonntag, 2. März,
14 Uhr: Vorstellungsgottesdienst Michael Raddatz.
Sonntag, 9. März,
14.30 Uhr: Vorstellungsgottesdienst Cornelia Weber
Sonntag, 16. März,
14 Uhr: Vorstellungsgottesdienst Julia Helmke.

Alle Vorstellungsgottesdienste finden in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche statt.

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