von Uli Schulte Döinghaus
Berlin. Abends ab 19 Uhr ist Einlass. Wer den richtigen Klingelknopf drücken will, muss ein bisschen suchen, bis sie „Notübernachtung Marie“ findet. Was dann geschieht, ist denkbar unbürokratisch. Obdachlose Frauen, die sich tagsüber in der Stadt aufhalten, können hier, in der Tieckstraße 17, Nähe Nordbahnhof, für eine Nacht oder bis zu drei Wochen am Stück wohnen. Zehn Schlafplätze stehen zur Verfügung. Besonders während der kalten Jahreszeit ist die Nachfrage größer. Nicht selten müssen Frauen abgewiesen oder in eine andere Einrichtung übermittelt werden.
Im hippen Szeneviertel gibt es die Notübernachtung
In der Tieckstraße 17 in Berlin-Mitte sind drei Einrichtungen zu Hause. Sie werden von der Koepjohann’schen Stiftung und dem Diakonischen Werk Berlin Stadtmitte e.V gemanagt, die Wohnplätze für Frauen (auch mit Kindern) in Not anbietet und Betreutes Wohnen organisiert. Die 232 Jahre alte Koepjohann’sche Stiftung ist als Mitglied der Diakonie eine Trägerin von fünf Einrichtungen. Die Diakonie Berlin-Stadtmitte ist Trägerin von über 36 sozialen Projekten, die im öffentlichen Auftrag umgesetzt werden. Stiftung und Diakonie bezogen vor fünf Jahren das gemeinsame Haus, das zuvor der Berliner Golgatha-Kirchengemeinde (heute: Weinberg-Gemeinde) als Pfarr- und Gemeindehaus diente. Im hell und freundlich sanierten Wohn- und Beratungshaus, einem geschützten Umfeld, finden wohnungslose und von Obdachlosigkeit bedrohte Frauen gute Beratungs- und Betreuungsangebote sowie angemessene Unterkünfte auf Zeit.
Die „Notübernachtung Marie“ ist eine sichere und geschätzte Adresse. Die Frauen kommen aus der ganzen Welt. Wie erfahren sie davon? Tagsüber informieren die Einrichtungen der Kältehilfe oder die Bahnhofsmission über das Angebot. Im Laufe der Jahre ist auch Mundpropaganda zur wirkungs -vollen Werbung für die „Notübernachtung Marie“ geworden.
Krisenbegleitung und Kleiderspende
Wer will, kann anonym bleiben und am nächsten Morgen wieder seiner Wege gehen. Andere Frauen wissen die zusätzlichen Beratungs- und Unterstützungsleistungen der Sozialarbeiterinnen in der „Notübernachtung Marie“ zu schätzen. Am Anfang geht es immer um die blanke Existenz und ums Geld zum Überleben in der Sozialbürokratie. „Wir bieten aber auch psychosoziale Beratung und Krisenbegleitung an, nach der viele fragen.“ Frauen, die hier ankommen, seien oft orientierungslos, von psychischen und körperlichen Krankheiten gezeichnet, erschöpft. Das sagt Elisa Lindemann, die Einrichtungsleiterin.
Was sie mit ihren Kolleginnen, die hier teils im Tagdienst, teils in der Nacht arbeiten, leistet, ist mühsam und kleinteilig. Immerhin können sie ihren Besucherinnen für ein paar Stunden helfen, mit Schlaf, Frühstück und Abendessen. Dazu bietet „Marie” Möglichkeiten für Körperpflege, Duschen, Waschmaschine und frische Kleidung.
Die Finanzierung der sozialen Einrichtungen in der Tieckstraße ist gesichert, aber wenn es um Extras geht, dann sind Spenden und Sponsoren stets willkommen. Neulich konnte sich das Frauenhaus über eine Spende eines Berliner Rotary-Clubs freuen, die aus stapelweise neuer Unterwäsche und neuen Socken bestand.
Gelegentlich gelingt es sogar, Frauen eine eigene Wohnung zu vermitteln. Angesichts der Wohnungsnot in Berlin und angesichts immer weniger öffentlichen Engagements im Sozialen Wohnungsbau sind dies nur Tropfen auf dem heißen Stein.
Weitere Informationen www.koepjohann.de/marie