Dietrich Hallmann (1938–2024) als Propst im Bethaus von Sarepta bei Wolgograd. Foto: privat

Ein Nachruf auf Pfarrer Dietrich Hallmann

Der frühere Cottbuser Superintendent starb am 27. Februar im Alter von 86 Jahren

„Sie dürfen sich nie mit Ihren ­Superintendenten duzen“, lautete der Ratschlag aus der konsistorialen Etage nach meiner Wahl zum Generalsuperintendenten (1995). Und dann begegnete ich Dietrich Hallmann in Cottbus: „Bruder Wischnath, wir sagen in unseren Reihen ‚Bruder‘ und bleiben beim ‚Du‘.“ Damit war die Frage nach ­Anredeform und Brüderlichkeit in Nähe und Distanz erledigt. 

Dietrich Hallmann war zunächst ein herausragender Theologe, dessen theologische Existenz in Sätzen Karl Barths wie Strahlen im Brennglas versammelt werden kann: 

„Wir sollen als Theologen von Gott ­reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott ­reden. Wir sollen Beides, unser ­Sollen und unser Nicht-Können wissen und eben damit Gott die Ehre geben. Das ist unsre Bedrängnis. Alles andere ist daneben Kinderspiel“ (1922). 

Bei Dietrich Hallmann konnten wir spüren, wie da einer charaktervoll diese Dialektik wahrnahm. Er konnte sie ins Verhältnis bringen – Demut und Freude: In Demut blieb er sich bewusst, dass wir Menschen Gott nicht herbeizwingen und ­seine Gaben nicht produzieren können. Und in Freude nahm er seinen Auftrag wahr, dennoch von „Gott in Christo“, so der Theologe Heinrich Vogel, zu reden und in der Kraft des Heiligen Geistes zu erfahren, dass Gott hält, was er verspricht. Man merkte Dietrichs Redeweise mit bayerische Dialekt an, dass ihm Gottes Wort nicht leicht von der Lippe ging, ­sondern auch eine glühende Kohle sein konnte, durch die man verletzt ins Stocken kommt.

Nun kann einem allerdings auch der Atem stocken, wenn man versucht, die Fülle der Stationen seiner Lebens- und Dienstzeit aufzuzählen. Durch das Internet ist es möglich, sofort eine fabelhafte Schilderung von Hallmanns Lebensweg zu lesen und ihn selber in einem Video noch einmal lebendig zu sehen und zu hören. Man gebe bei Google ein: Dietrich Hallmann Rathenow. (Da können einem allerdings auch die Tränen kommen.) Und der feine Nachruf seines Nachfolgers Superintendent Georg Thimme ist zu lesen, wenn man bei Google aufruft: Kirchenkreis Cottbus Hallmann. 

Vier Betonungen aus der Vita des Verstorbenen seien exem­plarisch erinnert:

1. Geboren 1938 und aufgewachsen in München. Dort begegnete ihm die russische Sprache als Wahl-fach. Dadurch konnte er später die Mundart der sowjetischen Besatzer in der DDR und der Christen in der Sowjetunion sprechen, denen er sich so verbunden wusste.

2. Theologie studierte Dietrich Hallmann in West-Berlin, wo er noch vor dem Mauerbau Dorothea Flügge kennen lernte. Die Liebe und die Situation der Kirche in der DDR brachten beide nach Brandenburg. 1964 läuteten die Glocken. Sechzig Jahre waren sie verheiratet – in Freud und auch im Leid. Eines ihrer Kinder starb. Und Dietrich und ­Dorothea nahmen eine einmalige Verbundenheit und Dienstgemeinschaft wahr – besonders in der Oberkirche zu Cottbus.

3. Nach der Verantwortung von Pfarrämtern in Rathenow und Hohennauen wurde Hallmann 1990 ins Superintendentenamt des Kirchenkreises Cottbus berufen. Im Kreis der Superintendenten des Sprengels hatte wohl keine Stimme oft so viel Gewicht wie Dietrich Hallmanns.

4. Er war seit 1989 in der SPD. Da wird man das Wort „charaktervoll“ auch bemühen müssen. Die Genossen hatten es nicht immer leicht mit ihm. Aber er hat ihnen genützt.

Über einen Gottesdienst aus Anlass der Goldenen Konfirmation in Rathenow (2018) schreibt einer, der ihn gut kannte: „Der 80-jährige Dietrich Hallmann hat wie in jungen Jahren das Amt des Pfarrers 

im Festgottesdienst gewissenhaft ­ausgeführt und hat eine glühende Predigt für die Freude bei den Menschen auch im Alter gehalten, die durch Jesus Christus im Bild eines Weinstocks zu den Menschen, die mit den Trauben am Weinstock verglichen werden, fließt. Wenn man diese Freude an Gott verloren hat“, so der geistreiche Prediger, „kann man sie auch wiederbekommen. Man muss bei Gott und der Gemeinde bleiben, dann strömt der Saft wieder.“

Rolf Wischnath war von 1995 bis 2004 Generalsuperintendent des früheren Sprengels Cottbus. 

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