Brandenburg und die AfD

Im Interview spricht Pfarrer Thomas Wisch über seine Bedenken in Blick auf auf die Wahlergebnisse.

Bei den Kommunalwahlen in Brandenburgs Landkreisen und kreisfreien Städten hat die AfD insgesamt 25,7 Prozent der Stimmen erhalten. Damit ist sie die stärkste Kraft geworden. Das höchste Ergebnis erzielte die Partei, die vom Verfassungsschutz des Bundes-landes seit vier Jahren als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird, mit 38,2 Prozent im Lausitzer Landkreis Spree-Neiße, das niedrigste mit 13,7 Prozent in der Landeshauptstadt Potsdam. Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, der evangelische Pfarrer Thomas Wisch, nennt die Entwicklung alarmierend. Es seien schwerwiegende Folgen vor allem in der Kulturpolitik und der Kinder- und Jugendarbeit der Kommunen zu erwarten, sagte er im Gespräch mit Yvonne Jennerjahn vom Evangelischen Pressedienst (epd) am 10. Juni, dem Tag nach der Wahl.

Wie bewerten Sie das Abschneiden der AfD bei den Kommunalwahlen in Brandenburg?
Thomas Wisch:
 Dieser Wahlerfolg einer in weiten Teilen rechts-extremen Partei ist alarmierend. Er zeigt, dass die Normalisierung rechtsextremer Personen und Positionen in den letzten Jahren stark vorangeschritten ist. Viele Wählerinnen und Wähler haben sich dafür entschieden, eine Partei zu wählen, die eben keine menschenrechtsorientierte Politik betreibt, sondern im Gegenteil unser gesellschaftliches Zusammenleben auf verschiedenen Ebenen angreift. Das Ergebnis ist zusätzlich enttäuschend: Die kommunalpolitisch Aktiven haben in den letzten Jahren in vielen Orten Brandenburgs gute Sachpolitik gemacht, die nah an den Bedürfnissen der Menschen lag. Offensichtlich wird dies jedoch kaum honoriert und wertgeschätzt. Das ist bitter.

Welche Folgen haben die hohen Wahlergebnisse der AfD in den Kommunen?
Wir müssen den Tatsachen ins Auge schauen: Die hohen Wahlergebnisse werden schwerwiegende Auswirkung vor allem in der Kulturpolitik und in der Kinder- und Jugendarbeit haben. Es ist davon auszugehen, dass die AfD in den Kommunen versuchen wird, ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen über die Vergabe von Fördergeldern durchzusetzen. Hier ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig stärken und unter-stützen, damit das, was wir in Brandenburg über Jahre aufgebaut haben, auch weiterhin bestehen bleibt. Auch in der Frage der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten müssen wir damit rechnen, dass es sehr viel schwieriger werden wird, auch weiterhin für eine Willkommenskultur einzustehen. Studien haben darauf hingewiesen, dass sich die AfD in den letzten Jahren eher selten konstruktiv in die Kommunalpolitik eingebracht hat. Hier scheint es oft sowohl an Willen als auch an Erfahrung zu mangeln. Sollte die AfD die kommunalen Parlamente künftig weiter als Bühne für demokratiefeindliche und menschenverachtende Propaganda missbrauchen, schadet das in erster Linie dem Gemeinwesen vor Ort.

Welche Beweggründe sehen Sie bei den Wählerinnen und Wählern, einer in weiten Teilen als rechtsextrem eingestuften Partei ihre Stimme zu geben?

Viele Menschen sind offenbar nicht bereit, die Zeichen dieser Welt wahrzunehmen. Die Folgen des Klimawandels zerstören die Lebensgrundlage von Millionen Menschen, die Grundfeste unserer Demokratie gerät in vielen Orten auf der Welt ins Wanken, Menschen müssen vor Kriegen fliehen. Da wäre ja eigentlich die erste Frage: Wie schaffen wir eine Welt, in der alle Menschen gut miteinander leben können? Aber stattdessen sehen wir, dass auf der einen Seite die Ignoranz gegenüber denjenigen, denen es schlechter geht als uns, zunimmt und sich viele Menschen auf der anderen Seite auf ihren Egoismus zurückziehen. Rechtsextreme Parteien spielen auf dieser Klaviatur und unterfüttern dies zusätzlich mit Nationalismus, Rassismus und Abschottungsideen.

Wie können diese Wählerinnen und Wähler zu demokratischen Werten und Zielen zurückgeholt werden?
Wir brauchen wieder mehr Räume des realen Austauschs, in denen wir auch ehrlich miteinander streiten können. Denn im demokratischen Diskurs ist es wichtig, über unterschiedliche Positionen zu sprechen, um kompromissfähig zu werden. Elementar ist dabei jedoch, dass wir klare Grenzen ziehen, nämlich dann, wenn Aussagen diskriminierend, menschenverachtend oder demokratiefeindlich werden. Wir müssen nicht jede Aussage tolerieren. Und es gehört zur demokratischen Auseinandersetzung dazu, Haltung zu zeigen und zu widersprechen. Auch müssen wir immer wieder bewusst machen, dass Rechtsextreme gezielt provozieren und spalten wollen und dabei systematisch und bewusst Grenzen überschreiten, um ihre Positionen zu verharmlosen.

Abbildung: Pfarrer Thomas Wisch sieht die Ergebnisse der Europawahl am 9. Juni mit Sorge und wünscht sich einen ehrlichen gesellschaftlichen Austausch.
Foto: Johannes Becker / Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg

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