In einem Brief kritisieren Geflüchtete die Zustände im Dublin-Zentrum in Eisenhüttenstadt. Sie fürchten sich außerdem vor ihrer Abschiebung nach Polen, wo sie zuvor in staatlichen Einrichtungen unter entsetzlichen Zuständen gelebt haben. Bernhard Fricke, Pfarrer im Ruhestand und Vorsitzender von Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V., fordert, den Geflüchteten ihre Menschenwürde wiederzugeben. Ein Beitrag aus Anlass des Weltflüchtlingstages am 20. Juni.
VON BERNHARD FRICKE.
Eisenhüttenstadt, Frankfurt (Oder).
Die öffentliche Verwaltung sagt, sie sei mit der Aufnahme von Geflüchteten zum Beispiel in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Integration und Soziales überfordert. Diese (rassistische) Argumentation verfängt in der Mitte der Gesellschaft ebenso wie in der Politik und wird auf dem Rücken der Geflüchteten ausgetragen. Die Politik organisiert unrechtmäßige Zurückweisungen an der deutschen Grenze. Sie verstößt gegen geltendes Recht, in dem sie Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, abweist. Auch andere Maßnahmen wie die Bezahlkarte und die Aussetzung des Familiennachzugs sollen die Geflüchteten davor abschrecken, nach Deutschland zu kommen.
Das Schlimmste ist, dass Menschen auf der Flucht ihr Menschenrecht auf Asyl verweigert wird. Die Zurückweisungen („Pushbacks“) nach Polen sind ein Spiegelbild der Pushbacks nach Belarus und somit der Abschottungspolitik von Polen und der EU. An der polnischen Grenze zu Belarus erleben die Geflüchteten eine unglaubliche Brutalität.
Verfahren rechtlich fragwürdig.
Bischof Christian Stäblein sagt dazu: „Dauerhafte Grenzkontrollen und pauschale Zurückweisungen von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen sind … nationale Alleingänge und rechtlich fragwürdige Scheinlösungen. Deutschland (sollte) menschenrechtliche Lösungen verfolgen und geltendes Recht achten.“ Diese Ausgrenzung ist mit dem christlichen Menschen- und Weltbild nicht vereinbar. In Brandenburg haben sich nun Betroffene zu Wort gemeldet. Sie müssen bei „Bett, Brot und Seife“ im Dublin-Zentrum in Eisenhüttenstadt, das dort im März eingerichtet wurde, auf ihre Abschiebung nach Polen warten. Das Dublin-Zentrum soll dazu dienen, Menschen, die kein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten, in das Land der EU zurückzuschicken, in dem sie erstmalig registriert wurden. Für viele ist das Polen.
In ihrem Brief sagen sie: „Polen will uns nicht haben. Ministerpräsident Tusk und andere haben gesagt, dass sie keine geflüchteten Menschen aus Deutschland aufnehmen werden. Viele von uns mussten in Asylgefängnissen, umzäunt von vier bis fünf Zäunen (mit Elektround Stacheldrahtzäunen) leben. Es gab zeitliche Beschränkungen, wann wir den Raum verlassen durften, um an die frische Luft zu kommen (nur mit Wärter). Eine Person unter uns bekam dort ein Baby, es gab andere schwangere Frauen und Minderjährige ohne Eltern in diesem Asylgefängnis. Wir hatten in diesem Gefängnis keinen Zugang zu einem fairen Prozess. All dies führte zu Selbstmordgefahr, einige von uns haben Selbstmordversuche und Depressionen überlebt.
Wenn wir nach Polen abgeschoben werden, ist das Risiko für uns sehr hoch, wieder ins Gefängnis zu kommen. Das sagte uns auch die polnische Grenzpolizei.“ Dieses hohe Risiko bestätigt auch Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
Bundesamt prüft unzureichend.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Gerichte haben die Pflicht nachzufragen, was die Menschen in Polen an der Grenze zu Belarus oder in geschlossenen Einrichtungen erlebt haben. Aber das geschieht nicht. „Wer so ungenügend prüft, kann auch keinen Härtefall feststellen und eine Übernahme der Asylprüfung in das nationale Recht ausüben“, sagt Josephine Furian, Seelsorgerin in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt.
„D“ für Dublin, nicht für Deutschland
Über die Unterbringung im Dublin-Zentrum berichten die Geflüchteten: „Auf unserer Plastikkarte steht ein „D“, das für „Dublin“ steht. Jeder weiß, dass wir die zukünftig nach Polen Abzuschiebenden sind. Wir werden anders behandelt als die anderen im Lager. … Wir werden von der Lagerverwaltung unter Druck gesetzt, nach Polen zurückzukehren. Es ist uns verboten, das Lager von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens zu verlassen. Wir stehen also unter Hausarrest.“ Hier geht es nicht um Straftäter oder Gefährder. Hier geht es um Menschen, die Schreckliches erlebt haben. Als Kirche sollten wir uns klar gegen diese „Aussonderung“ aussprechen. Als Christ:innen beklagen wir die Menschenrechtsverletzungen und setzen uns gleichzeitig für den Schutz von Geflüchteten ein. Das geschieht zum einen durch Seelsorge in Eisenhüttenstadt, durch die Beratung und schließlich in besonderen Härtefällen durch die Gewährung von Kirchenasyl. „Kirchenasyl kann nicht der einzige Weg sein, um nicht komplett zu verzweifeln. Menschenwürde gilt für alle“, sagt Josephine Furian.
Magda Aida Qandil arbeitet in dem Projekt „Schutz von nicht-europäischen Asylsuchenden vor der Rückführung nach Polen“ bei Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V. Es wird von Brot für die Welt gefördert. Sie sagt: „Wir sehen nicht-europäische Asylsuchende mit einer Kette von Gewalt konfrontiert, die sich vom Heimatland, zur EU-Grenze nach Belarus, durch Polen, an die polnisch-deutsche Grenze bis nach Deutschland zieht. Das können wir nicht länger hinnehmen in einem Europa, das behauptet, Menschenwürde und die Gleichheit aller Menschen zu achten.“
Der Brief der Geflüchteten kann in vollem Wortlaut nachgelesen werden unter: https://www.fluechtlingsrat– brandenburg.de/oeffentliche– stellungnahme-zum-dublin– zentrum-von-einer-gruppe– gefluechteter-menschen-aus– der-erstaufnahmeeinrichtung– eisenhuettenstadt/