Hochzeitspaar läuft Treppen hoch

Leserbericht: Pop-up-Hochzeitsfestival in Berlin

Das Segensbüro der Evangelischen Kirche in Berlin-Neukölln lud am 13. Juli wieder zum Pop-up-Hochzeitsfestival rund um die Neuköllner Genezarethkirche ein. Unser Leser, Pfarrer im Ruhestand Ulrich Hollop aus Berlin, war dabei. Er schickte uns seine Eindrücke.

Von Ulrich Hollop

Es ist ein Wochenende mit einem strahlend blauen Himmel. Ein buntes Völklein tummelt sich rings um die Genezarethkirche in Berlin-Neukölln. Auf dem Vorplatz, abgeschirmt durch einen leuchtend gelben Jägerzaun, blüht eine bunte Wiese, darüber viele farbenfrohe Luftballons. Die große, gläserne Kirchentür ist weit geöffnet. Darüber drei riesengroße Banner. Das in der Mitte zeigt, verziert mit zwei verliebten Turteltäubchen, noch einmal an, was hier stattfinden soll: ein „Pop-up-Hochzeitsfestival“.

Die Regenbogenflagge wird gehisst

Die beiden Banner rechts und links signalisieren, in welchem Geist man hier zusammenkommt, und das zweisprachig: „LOVE“ rechts und „LIEBE“ links. Und rechts daneben, etwas kleiner, die Regenbogenflagge des diesjährigen „Berliner Pride Month“.

Auf einer Rasenfläche linker Hand lädt eine Doppelliege zum Verweilen ein, eingerahmt von weißen, im Winde flatternden Gardinen, die einen Raum andeuten, der aber einsehbar und offen bleibt. Davor ein Ständer mit der Einladung: „COME AND MARY“. Auf dem Vorplatz linker Hand eine dreirädrige Rikscha, ausgeliehen vom benachbarten Kirchenkreis, bereit und in der Lage, ein Hochzeitspaar zu transportieren. Unter einem roten Luftballon: „JUST MARRIED“.

Nach dem Vorgespräch gleich zur Sache

Bei näherem Hinzutreten ist auch der Ablauf der erwünschten Amtshandlung sehr schnell erkennbar. In einem Anbau rechter Hand erfolgt die Anmeldung mit allen dazugehörigen Formalitäten, sowie die Übergabe des jeweiligen Paares an zwei Pfarrer*innen. Die begrüßen, freundlich zugewandt, das Paar und, falls vorhanden, Angehörige und Freunde, sowie mitgebrachte eigene und fremde Kinder oder – Hunde, fragen ganz gezielt danach, woher sie kommen und warum sie kommen, und versuchen zu er­klären, was sie selbst mit dieser „Segenshochzeit“ intendieren, was dieser Segen für sie selbst bedeutet.

Die Worte, die das Paar sich nachher vor dem Segen gegenseitig zusprechen wird, werden jetzt schon mal bekanntgegeben und gegebenenfalls auch kommentiert. Und falls ein Platz für die gewünschte Segenshandlung frei ist, geht es danach gleich zur Sache.

Es gibt Plätze in und außerhalb der Kirche, ganz nach Wunsch des Paares. Der begehrteste, so scheint es, ist der Platz vor dem Altar. Davor zwei schlichte Stapelstühle, falls gewünscht. Für Angehörige und Freunde stehen Holzkisten bereit, die auch zu sonstigen Veranstaltungen als Sitzgelegenheiten dienen können. Neben dem Altar hat eine Band aus zwei Gitarren, einem Bass und einer Cajon Platz genommen, die die Handlung musikalisch schmücken wird. Im Raum verteilt: mehrere große Blumen aus farbigem Krepppapier.

Küsse und Tränen

Die eigentliche Segenshandlung dauert etwa eine Viertelstunde. Im Mittelpunkt der Worte, die die Pfarrerinnen sprechen, steht die Liebe. Dabei können dann auch ein paar Tränen kullern. Als die Gesegneten sich schließlich küssen, stürzen bereitstehende Fotografen mit ihren Kameras herbei, um diesen Augenblick für ewig festzuhalten. Bei einer anderen Trauung außerhalb der Kirche, im Schatten eines großen Baumes, gab es an dieser Stelle einen Konfettiregen und stürmische Umarmungen der mitgebrachten Freunde und Verwandten.

Es waren durchaus nicht nur junge, frisch verliebte Paare, die sich segnen lassen wollten. Ein Pärchen war schon 30 Jahre ein Paar. Es war so angerührt und so beglückt von dieser Segnung, dass es beschloss, im nächsten Jahr sich wieder dazu anzumelden, während zwei frisch Verliebte so begeistert waren, dass sie entschieden, sich diesen Segen künftig jedes Jahr zu holen.

Es war durchaus sehr eindrucksvoll, um nicht zu sagen überzeugend, was hier geboten wurde, wie hier etwa 20 zumeist junge Pfarrerinnen und Pfarrer sich auf ein solches Wagnis einließen, mit großem Ernst, aber mit noch größerer Freundlichkeit und Freude. Ihr Angebot an eher Kirchenferne hätte niedrigschwelliger nicht sein können. Auch für einen traditionsbewussten Mann der Kirche war es ein erfreuliches Erlebnis, zu sehen, wie hier junge Kollegen und Kolleginnen nach neuen Formen kirchlichen Handelns suchten, um Menschen zu erreichen, denen die herkömmliche Sprache und die traditionellen Handlungen der Kirche fremd geworden sind.

Nicht die Lösung, aber auch kein Unfug

So ein „Pop-up-Hochzeitsfestival“ ist ganz gewiss noch nicht die Lösung, nicht die für alle annehmbare Form einer kirchlichen Trauung. Auch nicht für den Schreiber dieser Zeilen. Es wäre aber ganz gewiss ein großer Fehler, dieses Wagnis abzutun als abwegig oder gar als Unfug und Verrat am Auftrag der Kirche.

„Kommt her zu mir! Alle!“ Diese Einladung ergeht auch heute noch. Und wir sind es selbst, die sie heute auszurichten haben, so einladend wie möglich, so glaubwürdig wie möglich. „Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt. Er selbst kommt uns entgegen. Die ­Zukunft ist sein Land … Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.“ Sollten wir das nicht mehr singen können?

Foto: IMAGO / Beautiful Sports

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