Der neue Teil der KulTour-Serie von Hannes Langbein, dem Direktor der Kulturstiftung St. Matthäus der EKBO.
Von Hannes Langbein
Es gibt noch Maulbeerbäume in Groß Ziethen im Barnim am Rand des Weltnaturerbes Grumsiner Buchenwald. Gleich neben der Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert und im idyllischen Garten des gegenüberliegenden Pfarrhauses, das zugleich auch Pilgerherberge für Jakobswegpilger ist.
Ein Kurfürst brachte die Maulbeerbäume und die Seidenraupen nach Brandenburg
Maulbeerbäume haben in Brandenburg Tradition: Kurfürst Friedrich der Große hatte sich in den Kopf gesetzt, Preußen vom chinesischen Seidenhandel abzukoppeln und eine eigene Seidenproduktion in Brandenburg aufzubauen. Und weil Seidenproduktion nur mit den Kokons der Seidenraupen funktioniert und diese sich ausschließlich von Maulbeerblättern ernähren, verfügte der Kurfürst die brandenburgweite Pflanzung von Maulbeerbäumen. Insbesondere hugenottische Einwanderer, die Ende des 17. Jahrhunderts auch in Groß Ziethen siedelten, versuchten sich im Seidenanbau, dem allerdings unter den brandenburgischen klimatischen Bedingungen wenig Erfolg beschieden war. Nur noch wenige Maulbeerbäume sind erhalten.
Seideanbau war auch immer politisch
In diesem Sommer sind sie Teil eines Kunstprojektes. Seit Anfang August wohnt und arbeitet die Leipziger Künstlerin Deborah Jeromin im Groß Ziethener Pfarrhaus. Sie pflegt eine kleine Seidenraupenzucht, die sich von Groß Ziethener Maulbeerblättern ernährt. Jeromin interessiert die Geschichte des Seidenanbaus in Brandenburg und ihre Verbindungen zur Geschichte der Hugenotten: wie sich das Handwerk der Seidenproduktion auf die sozialen und religiösen Beziehungen in Familien und Dörfern auswirkte, welche politischen Konnotationen im Seidenanbau steckten. Seidenanbau war immer auch politisch. Während des Nationalsozialismus und auch noch in der DDR wurde der Seidenanbau insbesondere für militärische Zwecke, zum Beispiel für Fallschirmseide protegiert und forciert.
Die vielschichtige Geschichte der Brandenburger Seidenproduktion bildet den Resonanzboden für das Kunstprojekt von Deborah Jeromin, das sich in diesen Sommerwochen entwickelt.
Am Samstag, 17. August 2024, um 16 Uhr findet eine erste Präsentation im Pfarrhaus in Groß Ziethen, Kirchstraße 10, 16247 Ziethen, statt, am 12. Oktober, um 16 Uhr dann die Schlusspräsentation des Projektes am selben Ort.
Hannes Langbein ist Pfarrer und Direktor der Kulturstiftung St. Matthäus der EKBO.
Zum Foto: Die Leipziger Künstlerin Deborah Jeromin pflegt Seidenraupen.
Quelle: Hannes Langbein