lächelnder weißhaariger Mann mit Brille

Nachruf Leopold Esselbach

Zum Gedenken an Leopold Karl Arnold Esselbach.

Dass sich die Diskursethik, zu deren Vertretern ich gehöre, gut mit einer nachbonhoefferschen Ethik vereinbaren lässt, erfuhr ich zu meiner Freude – und auch wohl zu meiner Überraschung –, als meine Frau Bernadette und ich 2011 von Berlin in die ehemals preußische Garnisonstadt Neuruppin zogen, die eine lebendige protestantische Gemeinde hat. Denn dort begegneten wir Frau Ursula Esselbach, geborene Schönherr, und Generalsuperintendent im Ruhestand Leopold Esselbach. Aus der Bultmannund der Bonhoeffer-Schule kommend, vertrat er eine historischkritisch aufgeklärte Bibelexegese und eine politisch überaus wache und informierte Verantwortungsethik. So lebhaft wie klar sprach beides aus jeder seiner Predigten, die er völlig frei auf einer Stufe des Schinkel-gotischen Chors der St.-Trinitatis-Kirche hielt.

Exegese nach Bultmannschen Methode

Seine Exegese zeigte, in welch hohem Maße er sich die Bultmannsche Methode angeeignet und für eine geistesgegenwärtige Theologie sowohl des Neuen als auch des Alten Testaments, hier zugleich auf den Spuren Hermann Gunkels, fruchtbar zu machen verstand. Er transferierte den sprichwörtlich gewordenen „Sitz im Leben“ der biblischen Texte so behutsam wie politisch engagiert in die brandenburgische Gemeinde und in die bundesrepublikanische Gegenwart, immer mit europäischer Perspektive, ökoethischer Orientierung und geschichtlichem Sinn.

Autonomer Sozialdemokrat als Mann der Kirche in der DDR

Leopold Esselbach war ein autonomer Sozialdemokrat und biblisch geprägter Selbstdenker, der aus seiner Zeit als Mann der Kirche in der DDR reiche Erfahrungen mitbrachte, Erfahrungen eines ebenso kommunikativen wie widerständigen Geistes. Durch und durch glaubwürdig, war er davon überzeugt, dass Gott ihn an die Stelle, die er schließlich einnahm, gestellt habe. Vielleicht gerade, weil er selbst ganz andere als theologische, nämlich naturwissenschaftliche Interessen und Berufswünsche gehegt hatte. Aber als Sohn eines Pfarrers war es ihm in der repressiven DDR verwehrt, zu studieren, was er wollte. Was ihm offenstand, war hingegen eine akademische Ausbildung im Schatten der Kirche, sozusagen. Und diesen Weg konnte er annehmen, weil der in Gefilde seines politisch-ethischen Engagements führte. Dieses Esselbachsche Engagement war es, das viele, auch meine Frau und mich, faszinierte.

Garten in Neuruppin war idealer Gesprächsort

Zudem war Leopold Esselbach umgeben von Frau Ursula. Sie, die so gebildete wie lebhaft charmante Protestantin und begabte Gärtnerin, war eine großzügige Gastgeberin und lud gern zu Kaffee und Tee. Sei es in ihrem wunderschönen Garten, sei es im gepflegten Wohnzimmer – wir verbrachten wir bei politischen und persönlichen Gesprächen so angenehme wie horizontoffene Nachmittage.

Wiewohl fast erblindet, schrieb Leopold Esselbach noch hochinteressante Kolumnen für die „Märkische Allgemeine“ und nahm teil am kirchlichen und politischen Leben Neuruppins. Mit ihm ist ein stetes helles Licht im 94. Lebensjahr erloschen. Die Orientierungskraft seiner Predigten und Texte bleibt ungebrochen. Wir bleiben ihm im Nachdenken und in Dankbarkeit verbunden.

Dietrich Böhler war bis zu seiner Emeritierung 2013 Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin

Foto: Leopold Esselbach im Jahr 1991 Foto: Elke Petra Thonke

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