In der diesjährigen Reihe „#beziehungsweise – jüdisch und christlich: näher als du denkst“ geht es um die Jahreszeiten. Eine jüdische Pädagogin und ein katholischer Erzbischof schreiben im Dezember über die Bedeutung des Lichts.
Licht und Lichter in der jüdischen Tradition
Von Jessica Schmidt-Weil
Licht spielt in vielen Religionen eine wichtige Rolle, besonders in der dunklen Jahreszeit als Symbol für Wärme und Hoffnung. Im Christentum stehen Kerzenlichter zu Advent und Weihnachten im Mittelpunkt, im Judentum vor allem zu Chanukka, einem nachbiblischen Fest, das am 25. Kislew (jüdischer Monatsname – die Red.) beginnt. Aber auch bei vielen anderen Anlässen ist Licht in jüdischer Tradition bedeutungsvoll.
Licht tritt uns schon in der Schöpfungsgeschichte entgegen, Dort werden wir nach der Schaffung von Himmel und Erde auf das Licht als ersten Schöpfungsakt Gottes aufmerksam gemacht (1. Mose 1,3). Licht trennt das Chaos von göttlicher Ordnung, den Tag von der Nacht. Doch wofür soll das Licht stehen? In übertragener Bedeutung für die göttliche Gegenwart, für Erkenntnis (Psalm 119), für Wahrheit (Sprüche 6,23) oder auch für Israel als Licht der Völker, damit Gottes „Heil bis an das Ende der Erde reicht“ (Jesaja 49,6). Die Bedeutungen sind also vielfältig.
Weiße Kerzen zu Schabbat
Weiter heißt es in der Schöpfungsgeschichte, dass Gott den 7. Tag heiligte und von all seinem Werk ruhte (1. Mose 2,4). So soll auch der Mensch am Schabbat ruhen und keine Arbeit verrichten. Um den Schabbat einzuleiten, werden traditionell zwei weiße Kerzen, früher Öllampen, entzündet. Ein Kerzenzünden erfolgt auch an den Jomim Tovim-Festtagen. Der Schabbat und Festtag wird schließlich auch mit einem Kerzensegen verabschiedet. Weiterhin wird im Gedenken an die Verstorbenen eine Kerze entzündet, die sogenannte Jahrzeitkerze.
Das wichtigste Licht in der Synagoge allerdings ist das Ner Tamid, ein Licht, das ewig brennt. Schon während der Wüstenwanderung bestand die Verpflichtung, das Ner Tamid im Stiftzelt (transportables Heiligtum – die Red.) „beständig“ anzuzünden (2. Mose 27,20) wie auch später im Tempel. Zu den Lichtern gehört ferner die Menora, ein siebenarmiger Leuchter. Zehn Menorot befanden sich im salomonischen Tempel im Raum vor dem Allerheiligsten, und wurden abends angezündet (2. Mose 27,21). Die Menora versinnbildlicht die Kraft der Tora als Licht für alle Völker (Jesaja 42,1-9). Sie ist Zeichen der jüdischen Identität und Symbol des Staates Israel.
Die Legende des Öl-Wunders
Die Chanukka-Lichter aber sind am zahlreichsten. Das Fest hat seinen Ursprung in der Makkabäer-Revolte (167–160 v. Chr.). Damals rebellierte die jüdische Bevölkerung gegen Hellenisierung und religiöse Unterdrückung durch die seleukidische Herrschaft. Doch nicht die Revolte, sondern die Legende des sogenannten Öl-Wunders wird im Talmud (bT Schabbat 21b) betont: Ein kleiner Krug mit geweihtem Öl, der für einen Tag gedacht war, brannte wundersamerweise acht Tage lang, bis neues geweihtes Öl verfügbar war.
Die Mizwa, die Pflicht zu Chanukka ist es, eben dieses Wunder zu verbreiten (Pirsum HaNes). Neben traditionellen Speisen (Latkes, Sufganiot) oder Spielen (Dreidel) steht das Entzünden der neunarmigen Chanukkia im Vordergrund. Es werden 8 Tage hindurch über tägliches Hinzufügen eines weiteren Lichts Kerzen auf der Chanukkia entzündet. Sie wird nach Sonnenuntergang an einem gut sichtbaren Ort aufgestellt, darf jedoch nicht zum Zwecke der Raumbeleuchtung genutzt werden. Dieses Fest mit seinen Speisen, Spielen und kleinen Geschenken im Kreise von Familie und Freunden erzeugt auch ein
Gefühl des Zusammenhalts.
Chanukka und Weihnachten
Im Christentum steht in der Adventszeit der Adventskranz im Mittelpunkt. An den vier Sonntagen vor Weihnachten werden die Kerzen entzündet, um die Ankunft Jesu vorzubereiten. Weihnachten feiert die Geburt Jesu, der die Menschheit erleuchten soll, auch symbolisiert durch Weihnachtsbäume.
Chanukka erinnert uns im Kontrast zu Weihnachten aber an ein historisches Ereignis, den Sieg der Makkabäer und hebt damit den Überlebenswillen des jüdischen Volkes hervor. Die damals siegreichen Makkabäer wurden nicht nur zum Symbol der zionistischen Bewegung, sondern dienen auch heute als Namensgeber für jüdische Sportvereine. Chanukka steht somit für ein Selbstbewusstsein und Willensstärke gegenüber Angriffen aller Art, da man sich nicht nur auf Wunder verlassen kann. Gerade nach dem barbarischen Angriff der Hamas auf Israel zeigt das Fest seine Wichtigkeit. Es geht nicht nur um die Freiheit unseres Glaubens, sondern auch um die Verteidigung und Bewahrung unserer demokratischen Werte und Lebensweise gegenüber terroristischem Unheil.
Licht in dunkler Jahreszeit
Ob in der jüdischen oder christlichen Tradition – Licht kann als Symbol der Hoffnung und Überwindung von Dunkelheit verstanden werden. Das Entzünden von Lichtern während der dunklen Jahreszeit verbindet uns Menschen und kann in dunkelsten Momenten unsere Herzen erhellen.
Das jüdische Lichterfest Chanukka beginnt am 25. Dezember (25. Kislew) und dauert 8 Tage.
Jessica Schmidt-Weil ist stellvertretende Jüdische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin (GCJZ).
Ein Hoffnungszeichen
Von Heiner Koch
„Es ist ein Ros entsprungen.“ Mit diesen Worten beginnt das beliebte Weihnachtslied aus dem 16. Jahrhundert, das in den kommenden Tagen wieder in vielen Kirchen erklingen wird. Das Lied besingt die Geburt Jesu, die Christen und Christinnen zu Weihnachten feiern. Dass Jesus mitten im kalten Winter, wohl zur halben Nacht geboren wird, kann dabei metaphorisch gedeutet werden. So verkörpert der Winter mit seinen kalten, dunklen Tagen und Nächten eine Zeit des Leids und Elends in der Welt.
In unseren Tagen denken wir besonders an den seit über zwei Jahren tobenden Krieg Russlands gegen die Ukraine, an die zahlreichen, von der Hamas ermordeten Opfer in Israel am 7. Oktober des vorigen Jahres, an die nach Gaza verschleppten Geiseln, an den andauernden Krieg in Gaza mit unzähligen Toten und Verletzten. Wir denken aber auch an die erschreckende Zunahme von Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt gegen andere Menschen in unserer Gesellschaft. Zudem sorgen sich viele Menschen zu Recht um das friedliche Zusammenleben in unserem Land, aber auch um unsere Mitgeschöpfe und die Umwelt.
Das Licht der Hoffnung am Weihnachtsbaum
In diesen schweren Zeiten sendet Gott mit der Geburt Jesu ein Hoffnungszeichen, ein Licht, das die Finsternis vertreibt und die Dunkelheit erhellt. Dieses Licht der Hoffnung leuchtet an unseren Weihnachtsbäumen, die sich mit den Lichtern der Chanukkaleuchter verbinden, die unsere jüdischen Glaubensgeschwister in diesen Tagen entzünden. Diese Zeichen des Lichts stehen für unseren gemeinsamen Glauben, dass es Gott gibt, dass er für uns da ist und uns Menschen besonders in Zeiten der Not und Bedrängnis und sogar über den Tod hinaus nicht allein lässt. So dürfen wir mit unseren jüdischen Geschwistern auf eine neue Zeit hoffen, die uns Frieden und Erlösung bringt. Gemeinsam dürfen wir diese Hoffnung in unsere Gesellschaft hineintragen.
Auch wenn wir – jüdisch- und christlicherseits – in diesen Tagen gemäß unserer je eigenen Tradition verschiedene Feste feiern, so ruft uns Christgläubigen das Weihnachtslied zugleich in Erinnerung, dass wir durch Jesus bleibend mit dem Judentum verbunden sind.
Wurzeln im Judentum
Das Christentum wäre ohne das Judentum nicht denkbar. Indem wir singen „Von Jesse kam die Art, davon Jesaja sagt“ erinnern wir uns daran, dass Jesu Wurzeln tief im Judentum verankert sind. Denn die Evangelisten haben die Weissagung des Propheten Jesaja 11,1 mit Jesus in Verbindung gebracht. Danach stammt, wie wir in der Christmette vom Evangelisten Matthäus hören, Jesus aus dem Hause des Königs David ab, das von seinem Vater Jesse (Isai), dem König von Juda und Israel, begründet wurde.
Die Anerkennung der jüdischen Abstammung Jesu und seiner Verwurzelung im Judentum verpflichtet Christen und Christinnen, uns immer an die Seite unserer jüdischen Glaubensgeschwister zu stellen und ihnen besonders in Zeiten der Not und Bedrängnis beizustehen. Denn, so Dietrich Bonhoeffer: „Wer nicht für die Juden schreit, darf auch nicht gregorianisch singen.“
Heiner Koch ist Erzbischof des Erzbistums Berlin.