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Biogas aus dem eigenen Stall

Wer fliegt, schadet dem Klima – Tiere und Engel mal ausgenommen. Ist es also nicht paradox, wenn unsere Kirche zu Gunsten von Umweltschutzprojekten quer über den Globus düst? Patrick Roger Schnabel, Leiter des Kirchlichen Entwicklungsdienstes der EKBO, erklärt, wie die flugbedingte Freisetzung von Treibhausgas ausgeglichen wird. Und stellt ein aktuelles Projekt vor: „Biogas für Kleinbauern“. Für dieses reisten Bischof Markus Dröge und Roland Herpich, Direktor des Berliner Missionswerkes, nach Kuba.

<span style="font-size: 11px;">In einem Vertrag hielten Roland Herpich, Direktor des Berliner Missionswerkes, Bischof Markus Dröge und César Barroso die Neuentwicklungen in der Klimapartnerschaft fest. Foto: Patrick Roger Schnabel</span>





Biogas – bei uns ist das ein umstrittener „grüner“ Energieträger: In Großanlagen werden Raps, Mais, Zuckerhirse, Zuckerrüben oder Sonnenblumen zu Gas vergoren. Lebensmittel wandern so in die Energieproduktion, landwirtschaftliche Flächen werden zu riesigen Monokulturen umgewidmet. Immer wieder belasten Lecks Grundund Oberflächenwasser. Anders auf Kuba: Hier kommen vielfach kleine Anlagen zum Einsatz, die umweltverträglich sind und die Lebensqualität von Kleinbauern sichtbar und spürbar verbessern. Davon konnten sich im Frühjahr Bischof Markus Dröge und der Direktor des Berliner Missionswerks, Roland Herpich, auf Kuba überzeugen. Der Leiter des Kirchlichen Entwicklungsdienstes der EKBO, Patrick Roger Schnabel, berichtet von der Begegnungsreise.

Entwicklungszusammenarbeit hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Früher haben wir Spenden gesammelt, um den Armen in Entwicklungsländern zu helfen. Heute planen wir gemeinsam mit unseren Partnern Projekte, die die Entwicklung unserer gefährdeten Schöpfung weltweit voranbringen. Das Projekt „Biogas für Kleinbauern“ auf Kuba veranschaulicht das treffend.

Die Biogas-Anlagen sind denkbar einfach aufgebaut. Jeder Campesino – so heißen die Kleinbauern, die nur für ihre Familie, bestenfalls für den lokalen Markt wirtschaften – kann sie bauen und betreiben. Es reichen zwei, drei Schweine. Vom Stall läuft eine Gülle-Rinne in einen großen, unterirdischen Behälter, den man mit ein paar Säcken Beton selbst gießen kann. Etwa 15 Jahre sind diese Behälter nutzbar. Hier werden die Exkremente der Nutztiere mit Bakterien vergoren, dabei trennt sich das Methan von den übrigen Stoffen. Es wird durch schlichte Gartenschläuche in die häusliche Küche abgeleitet, wo es einen Gaskocher betreibt; übriges Methan beleuchtet nachts über Lampen Haus und Hof.

Diese Methode hat für die Familien viele Vorteile. Der offensichtlichste ist kostenlose, zuverlässige Energieversorgung. Viele Höfe, gerade in abgelegeneren Regionen, sind nicht ans ohnehin unzuverlässige Stromnetz angeschlossen. Die meisten kochen auf offenen Kohlefeuern oder uralten Kohleöfen. Das ist, genauso wie die wenigen alten Elektroherde, teuer und schlecht für die Lungen und das Klima. Eine durchschnittlich große Anlage von 6,5 Kubikmetern reicht für bis zu acht Personen. Schon das spart täglich circa 12 Kilowattstunden Strom oder 10,4 Kilogramm Holz. Nur vier Familien bewahren mit ihren Anlagen so im Jahr 1,3 Hektar Wald pro Jahr.

Das Methan der Exkremente fällt ohnehin an. Für die Bauern kostest es nichts, für das Klima ist es besser. Es wird genutzt, statt zusätzlich zu den Emissionen der Herde in die Atmosphäre zu entweichen. Und: Die Kochzeit verkürzt sich um zwei Drittel, die Familie gewinnt Zeit für andere Verrichtungen.

Neben finanziellen, wirtschaft lichen und gesundheitlichen Gewinnen gibt es aber noch weitere Vorzüge. Wenn Gülle und Kot vorher überhaupt genutzt wurden, hat man sie als Dünger auf den Feldern verteilt. Dadurch kommt es leicht zur Überdüngung des Bodens, zur Verschmutzung des Grundwassers, zu üblen Gerüchen und zur Belastung der Lebensmittel mit Keimen. Der Gärprozess in der Anlage entspricht hingegen einer Art Schnellkompostierung. Der Gärrest ist, einmal unter Kubas Sonne getrocknet, ein leichtes, geruchsarmes Substrat. Es riecht allenfalls nach Humus, und so kann es auch verwendet werden. Dieser Biodünger schont Böden und Gewässer, die Gärung hat alle schädlichen Keime abgetötet und Stoffe wie Ammoniak und Nitrit abgebaut.

„Mich hat am meisten beeindruckt, dass es dabei nicht nur um Energiegewinnung geht, sondern um eine Veränderung der ganzen Art, in der Höfe bewirtschaftet werden“, sagt Roland Herpich. Die Tiere werden in ordentlichen, sauberen Ställen gehalten, es liegt – wie leider sonst oft auf Kuba – kein Müll herum, Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden groß geschrieben.

César Barroso, der die Delegation von Hof zu Hof führte, erklärt warum: „Natürlich könnte man auch einfach nur so eine Biogas-Anlage bauen. Aber das ist unserem ökumenischen Zentrum in Santiago de Cuba zu wenig. Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz. Unsere Klienten lernen, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. So erzielen sie höhere Erträge und leisten einen wichtigen Beitrag für die Erhaltung der natürlichen Ressourcen.“ César Barroso ist der Projektkoordinator für Permakultur beim Centro Lavastida in Santiago de Cuba.

Die ökumenischen Zentren „Lavastida“ in Santiago und „Reflexión y Diálogo“ in Cardenas haben das Knowhow und die Materialien für die Biogasanlagen und ökologische Landwirtschaft. Seit Jahren schulen sie – unterstützt von Berliner Missionswerk und Brot für die Welt – Kleinbauern in mehreren Provinzen in Zentral- und Ostkuba. Bei dem Besuch der deutschen Delegation im Frühjahr konnte die Zusammenarbeit aber auf eine neue Ebene gehoben werden.

Bischof Markus Dröge und Direktor Roland Herpich unterzeichneten einen Vertrag über eine Energie- und Klimapartnerschaft mit den lokalen Partnern. Dahinter verbirgt sich eine Idee, die der Kirchliche Entwicklungsdienst der EKBO zusammen mit dem kirchlichen Kompensationsfonds Klima-Kollekte gGmbH entwickelt hat. Zusätzlich zu der schon bestehenden Projektförderungwird das erfolgreich getestete Vorhaben auf neue Areale ausgedehnt. Berliner Missionswerk und Landeskirche wollen, unterstützt von der Klima-Kollekte, künftig weitere Mittel für den Bau neuer Anlagen zur Verfügung stellen.

Natürlich kann man vieles, etwa Projektbearbeitung, auch per E-Mail und am Telefon erledigen. Aber uns geht es im Kern um das christliche Miteinander und um eine weltumspannende kirchliche Gemeinschaft. Und Ökumene ist Begegnung. Dazu muss man reisen, nach Mittelamerika und aus Mittelamerika, nach Afrika und aus Afrika, nach Asien und aus Asien – auch wenn dadurch mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt. Das kann man nur verantworten, wenn man es an anderer Stelle wieder einspart.

Also berechnen die Expertinnen der Klima-Kollekte gGmbH, wie viel Treibhausgas die Flüge im Dienst der Kirche jedes Jahr verursachen. Mit ihrem Klimaschutzkonzept bemüht sich die EKBO, die Umweltauswirkungen der Kirche zu reduzieren. Dies passt zusammen mit dem Ansatz der Klima-Kollekte, die nach der Trias "vermeiden-reduzieren-kompensieren" handelt: Klimaschädliche Klimagase sollen eingedämmt und unvermeidbare Emissionen über Klimaschutzprojekte in Ländern des Südens kompensiert werden.

Die entstehenden Ausgleichszahlungenfinanzieren über die Klima-Kollekte – zusätzlich zu dem bisherigen Engagement der Landeskirche und des Berliner Missionswerkes – die Biogasanlagen auf Kuba. Die kubanischen Partner bauen dann vor Ort die neuen Anlagen, die man braucht, um eine entsprechende Menge Kohlendioxid einzusparen. Die Klima-Kollekte hilft beim Projektstart, der technischen Berechnung der benötigten Mengen und der Qualitätsüberwachung.

„Als wir mit dem Bau der Anlagen begonnen haben, hatten wir solche Kooperationen noch nicht im Blick. Nun aber werden wir das auch anderen internationalen Partnern vorschlagen“, sagt Pedro Gonzáles, Projektkoordinator im Ökumenischen Zentrum „Reflexión y Diálogo“ in Cardenas. Gonzáles ist selbst viel mit dem Flieger unterwegs, um die Arbeit seines Zentrums vorzustellen und Spenden einzuwerben. „Wenn wir damit erfolgreich sind, können wir sogar überkompensieren, also mehr Treibhausgas einsparen, als unsere Flüge verbrauchen“, hofft er.

Die Kuba-Partnerschaft gilt vielen als das „Juwel“ unter den Auslandsbeziehungen von Landeskirche und Berliner Missionswerk. Immer wieder begeistert die kleine Schar kubanischer Protestanten mit ihrer Kreativität, die sie unter den Bedingungen einer sozialistischen Mangelwirtschaft und eines harten Wirtschaftsembargos entwickeln muss. Die Biogas-Projekte zeigen warum.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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