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„Das alles stimmt mich hoffnungsvoll“

Martin Herche war acht Jahre lang Generalsuperintendent des Sprengels Görlitz. Am Sonntag wird er mit einem Festgottesdienst in der Peterskirche in Görlitz in den Ruhestand verabschiedet. Im Interview mit Bettina Bertram spricht der Theologe über Kirche auf dem Land, den Strukturwandel in der Lausitz und seine Pläne für die Zukunft

<span style="font-size: 11px;">Martin Herche beim Kreuzweg 2017. Foto: Bettina Bertram </span>

 

Martin Herche war acht Jahre lang Generalsuperintendent des Sprengels Görlitz. Am Sonntag wird er mit einem Festgottesdienst in der Peterskirche in Görlitz in den Ruhestand verabschiedet. Im Interview mit Bettina Bertram spricht der Theologe über Kirche auf dem Land, den Strukturwandel in der Lausitz und seine Pläne für die Zukunft


Herr Herche, was werden Sie mit Ihrer neu gewonnenen Freizeit anfangen?

Ohne Dienste komme ich vielleicht dazu, mal ein Punktspiel am Samstag oder Sonntag im Stadion der Freundschaft in Cottbus anzusehen. Ich hoffe sehr auf den Klassenerhalt meines Clubs Energie Cottbus.

Was planen Sie noch für den Ruhestand?

Ich bleibe weiterhin Bundesvorsitzender der Gemeinschaft evangelischer Schlesier und Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Evangelisches Schlesien. Deshalb bin ich in der kommenden Woche bei einer Tagung schlesischer Pädagogen. Im Sprengel werde ich in nächster Zeit keine Termine übernehmen, obwohl meine Frau und ich weiterhin in Görlitz wohnen.

Welches Buch werden Sie als erstes lesen?

Mich faszinieren die Biografien von Katechetinnen, die ich sammeln und aufschreiben möchte. Pfarrerbiografien gibt es viele, aber diese Frauen in den Gemeinden haben Erstaunliches mit ihrem Glauben, ihrem Mut und ihrem pädagogischen Geschick geleistet. Dieses starke Engagement muss unbedingt gewürdigt werden. Der Sprengel wurde 2011 aus den Sprengeln Cottbus und Görlitz zusammengelegt. Er umfasst die Regionen Ost- und Südbrandenburg.

Waren Sie gern viel unterwegs?

Ja, auf jeden Fall. Der Generalsuperintendent muss zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fahren. Klar konnte auch jeder gern nach Görlitz kommen, aber es war mir wichtig, so oft wie möglich bei den Menschen zu sein. Ich hatte bei den Generalkirchenvisitationen mit fast allen 389 Gemeindekirchenräten Kontakt und besuchte regelmäßig die Kreissynoden. Es war ein intensiver Austausch mit den Synodalen, mit der Basis. Und die Mitglieder der Visitationskommission kamen aus den verschiedenen Dienstbereichen aus allen Teilen des Sprengels, sodass die Zahl der Multiplikatoren enorm gewachsen ist. Ich glaube, es gibt heute eine gegenseitige Akzeptanz und vielleicht sogar ein Zugehörigkeitsgefühl im Sprengel.

Wie sehen Sie die kirchliche Zukunft auf dem Land?

Ich habe im Sprengel einen so großen Reichtum an geistlichem Leben in den Gemeinden und Einrichtungen erlebt, natürlich in den Gottesdiensten, aber zum Beispiel auch bei Kinderbibelwochen oder in Posaunen- und Kirchenchören, in Schulgottesdiensten von Wriezen, Fürstenwalde, Cottbus bis nach Görlitz. Das alles stimmt mich hoffnungsvoll. Ich war bei den Visitationen immer froh, wenn wir im Gespräch recht bald nach Gott gefragt haben – nicht erst nach Klärung der Strukturfragen. Für mich haben Strukturfragen keine Heilsbedeutung. Das sind keine Ewigkeitsfragen. Als Kirche des Auferstandenen kommen wir von einem grandiosen Neuanfang her. Das kann uns im Blick auf immer wieder notwendige Strukturdiskussionen entspannter und grundsätzlich fehlerfreundlich sein lassen.

Was heißt das konkret für die Gemeinden?

Mir ist wichtig, dass für die Gestaltung des Gemeindelebens immer beide Seiten im Blick sind – die Erwartungen in den Gemeinden und die Möglichkeiten der Haupt- und Ehrenamtlichen. Ich bin immer dafür, dass kirchliches Leben ortsnah gestaltet wird und die Kirche im Dorf bleibt, aber zugleich bin ich ein glühender Verfechter der Regionalarbeit. In meiner eigenen Gemeindepraxis habe ich sie als entlastend und bereichernd für alle Beteiligten erlebt. Und ich habe immer gern mit Lektorinnen und Lektoren und Prädikantinnen und Prädikanten zusammengearbeitet. Ihr Einsatz wird zukünftig noch an Bedeutung gewinnen.

Die Arbeitsmarktprobleme im Sprengel führten die Kirche zu ihren ureigensten Aufgaben: an die Seite der Menschen.

Als es vor einem Jahr bei Siemens und Bombardier in Görlitz darum ging, dass Menschen in ihrer Würde verletzt wurden, weil ihre Arbeit wegfallen sollte, haben wir starke solidarische Signale gesetzt. Wir haben uns mit Fürbittandachten, mit dem Weihnachtsliedersingen am Werkstor von Siemens und mit Gesprächen und Seelsorgeangeboten an die Seite der Betroffenen und ihrer Familien gestellt. „Die Kirche ist da, wo die Menschen sind“, haben wir gesagt.

Eines Ihrer Themen war auch immer der potenzielle Kohleausstieg und Strukturwandel in der Lausitz – eine Frage, die
Familien, Freundeskreise und Kirchengemeinden spaltet.

Der Konflikt aus sozialer Verantwortung und ökologischer Verantwortung für Klimaschutz und Heimat zerreißt die Betroffenen. Diese Dramatik ist komplex und nicht aufzulösen. Ich habe gelernt, es anders zu beschreiben, nachdem ich immer wieder mit Vattenfall, beziehungsweise der LEAG, Umweltgruppen und Betroffenen Gespräche geführt habe. Ich beobachte, dass es etwas Verbindendes zwischen allen Beteiligten gibt: das Interesse an einem guten Leben in der Lausitz – mit sehr unterschiedlichen Ansätzen. Ich beobachte bei den Engagierten unglaublich viel Kompetenz, bürgerschaftliches Engagement, große Einblicke in wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge und auch in Rechtsfragen. Außerdem eine starke Fähigkeit, sich zu vernetzen und zu mobilisieren und eine überaus große Bereitschaft, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Wenn man diese Geschichten erzählt, sehen der Sprengel und die Lausitz als Ganzes eher wie ein „Zukunftslabor“ aus.

Welche der vielen Veranstaltungen bleiben Ihnen in besonderer Erinnerung?

Der Lausitzkirchentag in Cottbus von 2015 – bei unvergesslichen 40 Grad! Das Besondere war, dass ganz viele Akteure aus dem gesellschaftlichen und politischen Bereich und aus Bürgerinitiativen mitgearbeitet haben – während wir als Veranstalter anfangs kaum wussten, wie wir das alles schaffen sollten. Dann waren so viele Helfer da, einschließlich der iranischen Flüchtlinge, die uns beim Zeltaufbau unterstützten.

Und ökumenisch?

Da denke ich an die ökumenischen Versöhnungsgottesdienste in Cottbus und Görlitz zum Reformationsjubiläum. Konfessionsverschiedene Eheleute sagten mir, sie hätten damals den schönsten Tag ihres Lebens erlebt. Ich denke auch an die Begegnungskirchentage mit der Diözese Breslau oder an die Veranstaltung zum Gedenken an die erste lutherische Predigt 1518 vor 500 Jahren in Neukirch an der Katzbach …

… bei der die polnischen Geschwister zudem noch 100 Jahre polnische Unabhängigkeit unter rotweißer Fahne mitfeierten.

Genau. Dann erinnere ich mich gern an eine Kitaeinweihung in Seelow, an die Treffen mit den Menschen in der Stadtmission und in der Gefängnisgemeinde Görlitz, die Feier der Neufassung der wendischen Bibel 2018 und den Besuch der Jugendscheune Melaune. Da ging es um die erste Gemeinde und als vertrauensbildende Maßnahme wurde jeder aus der Gruppe an einer Seilwinde mit vereinten Kräften 20 Meter gen Himmel gezogen.

Was sagen Sie Ihrer Nachfolgerin?

Dass sie sich auf ihren Dienst freuen kann. Für mich ist es der schönste Sprengel der EKBO.

 

Der Gottesdienst zur Verabschiedung von Martin Herche und zur Einführung von Theresa Rinecker findet am 14. Oktober um 14 Uhr in der Peterskirche in Görlitz statt.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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