Seit 2013 ist Heidrun Dörken Senderbeauftragte für den Hessischen Rundfunk in Frankfurt, davor war sie ab 1999 Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Von 1992 bis 1995 gehörte sie zu den Sprecherinnen beim "Wort zum Sonntag" in der ARD. Nun kandidiert Heidrun Dörken für das Bischofsamt in der EKBO. Im Interview spricht sie überStärkung der Kasualien und den Kontakt mit Ausgetretene, den sie als Bischöfin intensivieren möchte.
Frau Dörken, wo waren Sie als Sie gefragt wurden, ob Sie für das Amt der Bischöfin der EKBO kandidieren möchten?
Ich war zu Hause, habe den Anruf zunächst nicht selbst entgegengenommen und hörte dann: Eine Frau Präses aus Berlin hat angerufen. Da dachte ich: Ach, das ist bestimmt wegen der Moderation für den Kirchentag in Dortmund. Da muss ich schauen, ob ich das machen will. Ich wusste gar nicht, dass die EKBO eine Bischöfin sucht. Dann habe ich mich total gefreut und dachte: Das ist jetzt ein toller Zeitpunkt in meinem Leben.
Sie können ja die erste Bischöfin dieser Landeskirche werden. Aktuell stehen zwei Frauen an der Spitze von 20 EKD-Gliedkirchen. Was muss die Kirche tun, um Gleichberechtigung auf allen Ebenen mitzugestalten?
Bei uns ist es genauso wie überall bei Führungspositionen: Familienleben und Berufstätigkeit müssen vereinbar sein – für Männer und Frauen. Daran mitzuwirken wäre mir ein Anliegen. Das ist nicht so einfach in kirchenleitenden Berufen, weil auch sehr viel abends und am Wochenende stattfindet. Aber dass es möglich ist, zeigen vorhandene Beispiele: In Nürnberg etwa gibt es geteilte Leitungsämter und das funktioniert seit Jahren.
In Ihrem Vortrag betonten Sie unter anderem, dass Ihnen die Stärkung der Kasualien und der Kontakt mit Ausgetretenen wichtige Anliegen sind. Wie würden Sie das als Bischöfin persönlich umsetzen?
Der christliche Glaube braucht eine persönliche Begegnung. Ich habe den Ehrgeiz, dass jedes Kirchenglied einmal im Jahr einen persönlichen kirchlichen Kontakt hat. Bei den Kasualien ist es klar: Da kommen die Leute zu uns. Aber wir müssen auch um sie werben, zum Beispiel für die Taufe, wenn ein Kind geboren wird.
Kontakt mit Ausgetretenen erhält man leider erst so spät. Aber auch hier will ich nochmal fragen: Was war denn los? Die Leute sollen das Signal bekommen: Ich bin denen wichtig. Solch ein Signal an alle Kirchenglieder sollte Schwerpunkt von Kirche sein.
Meine Aufgabe als kirchenleitende Pfarrerin bestünde darin, möglichst viele zu ermutigen, das zu machen und gemeinsam nach Strukturen zu suchen, wie sie das besser machen können. Aber natürlich würde ich mich auch sehr freuen, so oft wie möglich persönlich mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Sie haben sich in der Vergangenheit ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Aus Ihrer eigenen Erfahrung heraus: Was muss die Kirche für ihre Ehrenamtlichen tun?
Es wird ja immer von Dankkultur für Ehrenamt gesprochen, das finde ich auch sehr wichtig. Dass ehrenamtliches Engagement an seine Grenzen stößt, ist vollkommen klar. Wichtig ist, diese Grenzen ernstzunehmen und zu benennen. Mein Ehrenamt war zeitlich begrenzt, was ich für eine gute Lösung halte. Wir waren Mentoren für ein Jahr – und dann entschied jede und jeder selbst, ob und wie es weitergeht. Und ich fand das sehr verheißungsvoll.
Die größte Wertschätzung für mich ist immer Fortbildung und Supervision. Mehr Anerkennung und Dankbarkeit gibt es nicht, als zu sagen: Wir bilden unsere Lektoren weiter. Wir machen Sprechtraining, ihr habt Möglichkeiten, euer Tun zu reflektieren. Das sind die Sachen, die einen glücklich machen, wenn man im Ehrenamt ist. Allerdings gibt es das auch nicht zum Nulltarif.
Volle Fußgängerzonen und Stadien – leere Kirchen. Was müssten wir anders machen?
Mehr Leute besuchen am Wochenende einen evangelischen Gottesdienst als Spiele der ersten Liga. Das würde ich nicht gegeneinander ausspielen. Aber wenn wir etwas anders machen wollen, dann ist es die Sprache. Die muss man verstehen. Kirche sollte sich nicht als ein Verein von Insidern gerieren, sondern als Gemeinschaft, in die man auch reinkommen kann.
Wir müssen uns auch im migrantischen Milieu noch mehr verorten. In meinem Stadtteil in Frankfurt am Main gibt es viele Iraner, die sich haben taufen lassen. Da gibt es endlich noch eine andere Kultur, die sagt: Auch für uns ist evangelischer Glaube wichtig.
Welchen Beitrag kann die Kirche für eine friedliche demokratische Gesellschaft leisten?
Da sind zwei Aspekte wichtig. Einmal denke ich, dass ein Mensch mit Gottvertrauen, der sich nicht vor allem und jedem fürchtet, in der Demokratie handlungsfähiger ist. Er weiß, er macht nicht alles richtig, aber auch nicht alles falsch und kann sich anderen zuwenden.
Und wir können irre stolz auf unsere demokratischen Strukturen sein. Von unten nach oben – so baut sich alles auf. Klar ist das manchmal mühsam. Aber wir sind gut in Demokratie, auch weil wir uns immer
wieder zusagen lassen: Fürchte dich nicht.
Und welche politische Botschaft sollte die Kirche ausstrahlen?
Die Kirche wird immer, und gerade im Bischofsamt oder kirchenleitend, die Stimme erheben für die, die keine Stimme haben: für die Schwachen, dort, wo die Würde des Menschen verletzt wird. Aber wir sind ja auch niemand, der anderen Leuten vorschreibt, was sie zu wählen haben und was nicht. Dafür sind die Menschen mündig genug.
Wie leben Sie persönlich Spiritualität im Alltag?
Die Losungen lese ich immer, aber das ist nicht mein Hauptpunkt. Ich habe immer wieder biblische Bücher, die mich für eine Zeit lang beschäftigen. Letzten Sommer war das Deuterojesaja, den ich wieder ganz neu entdeckt habe und denke: Wow, unfassbar, vor 550 vor Christus war da jemand, der gesagt hat: Gott kommt zu allen Enden der Erde zu den Heiden. Darüber tausche ich mich auch mit anderen aus. Und dann habe ich mir irgendwann mal angewöhnt, Wolkenguckerin zu werden. Ein, zwei Minuten in den offenen Himmel und die Wolken zu schauen – das gibt mir unheimlich viel Frieden und Stille.
Haben Sie theologische Vorbilder?
Ich denke da an Marlies Flesch-Thebesius. Ich glaube, wenn ich als Mädchen nicht auch Pfarrerinnen gesehen hätte, Frauen im Talar, dann wäre ich heute sicher nicht selbst Pfarrerin.
Das Interview führte Friederike Höhn