Vom 25. bis zum 28. Oktober versammelt sich die Herbstsynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Ein thematischer Schwerpunkt ist „Frieden“. Christine Busch zieht eine Verbindung zu den Orten in der Gesellschaft, in denen kein Friede zu finden ist, und erinnert an den „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“. Auch die EKBO macht sich auf den Weg zur „Kirche des gerechten Friedens“.
Von Christine Busch, Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF).
„Frieden zu bezeugen und für Versöhnung auch dort zu arbeiten, wo Misstrauen, Gewalt und Unterdrückung herrschen, gehört unabdingbar zu den Aufgaben der Christen. Die Kirche Jesu Christi ist dazu berufen.“ Mit diesem Impuls zum praktischen Handeln schließt die EKD-Denkschrift „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ von 2007. Das Friedenszeugnis und die Versöhnungsarbeit bezieht sie ausdrücklich auf Situationen, wo kein Friede zu finden ist, auf Schmerzorte der Gesellschaft. Hier soll sich die Berufung der Kirche zeigen.
Aus der Rückschau liest sich dies wie ein Anknüpfungspunkt zum „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“, zu dem die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) 2013 in Korea alle Menschen guten Willens eingeladen hat. Sein Ziel: eine bessere Welt für alle. Seine Praxis: die alte Tradition des Pilgerns mit spirituellen Momenten über das Innehalten an „Schmerzorten“ und „Kraftorten“ und über die politische Aktion bis zur geistlichen Erneuerung zu verbinden. Das Bild des Pilgerweges drückt die einigende Vision der ökumenischen Bewegung aus, die auf Einheit, Gerechtigkeit und Frieden zielt.
In Europa folgten im Frühjahr 2015 Tausende der ökumenischen Einladung zum Klimapilgerweg vom Nordkap nach Paris. Die Teilnehmenden waren Gäste der örtlichen Umwelt- und Friedensgruppen, schliefen in Gemeindehäusern, freuten sich über offene Kirchen und Getränkestationen.
An „Schmerzorten“ und „Kraftorten“ innehalten
Im Zentrum ihrer Botschaft stand ein klares Votum zur Klimagerechtigkeit und zur Bewahrung der Schöpfung. Sie hielten inne an Schmerzorten wie Büchel in Rheinland-Pfalz, wo 20 Bomben vom Typ B61 modernisiert werden und deren Trägersysteme – deutsche Tornados – neue Steuerungssysteme erhalten sollen. Sie ließen sich inspirieren an Kraftorten wie den Moselschleusen, die zur ökologischen Energieerzeugung genutzt werden. Ihr Weg führte nach Paris zur UN-Klimakonferenz, die am 12. Dezember 2015 mit einem Schutzabkommen endete.
Pilgern ist in Mode. Wer aufbricht, rechnet mit Veränderungen. Pilgerwege sind dynamisch, lassen verschiedene Geschwindigkeiten ebenso zu wie unterschiedliche Frömmigkeiten. Der ÖRK hat das Bild des Pilgerwegs bewusst gewählt. Beim Austausch der Mitgliedskirchen in Korea zur Dekade zur Überwindung von Gewalt (2001–2010) wurde im Licht einer neuen Erklärung zur Einheit bekräftigt: Gott will alles Geschaffene in Einheit und Frieden verbinden. Gemeinschaft, Gerechtigkeit und Frieden sind die Kennzeichen eines Lebens nach seinem Willen.
Unter dieser Perspektive haben die Kirchen den gemeinsamen Pilgerweg als eine „Reise der Verwandlung“ verabredet. Der Horizont dieses Weges ist die Fülle des Lebens, die Gott allen Menschen versprochen hat. Seine Praxis ist eine „transformative Spiritualität“. Seine Kennzeichen sind Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Frieden, die aktiv gelebt werden und darin ihre verändernde, transformierende Kraft entfalten.
Viele Kirchen, viele Christinnen und Christen haben die Vision des „Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens“ aufgenommen. Sie arbeiten an einer geistlichen und praktischen Transformation. Einige Landeskirchen verfolgen dies unter dem Ziel „Kirche des gerechten Friedens“. Darin nehmen sie die ökumenische Selbstverpflichtung an. Ohne ihren Anspruch aufzugeben, die Welt zu hinterfragen, bezeugen sie ihre Bereitschaft, sich selbst im Kern zu überprüfen und zu verändern. Denn die alte Frage nach der Kirche von morgen ist wesentlich eine spirituelle. Die Feier von 500 Jahren Reformation hat die Frage nach Ausdruck und Gestalt des evangelischen Glaubens in der modernen Gesellschaft nicht erledigt, im Gegenteil.
Der Gerechte Frieden ist ökumenischer Konsens
Der ökumenische Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens ist ein Ansatz, der konkrete Friedensarbeit, friedensethische Positionen, friedenspädagogische Entwürfe, Konzepte für wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit sowie den Einsatz für die Einhaltung der Menschenrechte zu integrieren vermag. Er kann in Deutschland auf gewachsene Erkenntnisse und gelingende Praxis bauen, die vor allem seit den 1960er Jahren durch die Gründung von Friedensdiensten und Friedensorganisationen gewonnen wurde. Verstärkt wurde er seit den 1980er Jahren im „Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“ sowie in der Kirchengemeinschaft zwischen EKU/UEK und der United Church of Christ (USA) weiter verstärkt wurde.
Das Leitbild des Gerechten Friedens ist heute weitgehend ökumenischer Konsens. Frieden verstehen wir als einen dynamischen Prozess, in dem Ungerechtigkeit, Gewalt, Unfreiheit, Not und Angst überwunden werden; entsprechend ist gewaltfreie, konstruktive Konfliktbearbeitung die prima ratio christlicher Friedensethik. Friedensgruppen sind in konkreten Projekten vom Weltladen bis zur Friedensbibliothek aktiv. Friedensfachdienste haben eine umfassende Expertise. Sie gewinnen immer mehr, vorwiegend junge Menschen für freiwillige Friedensdienste.
Wer sich für Frieden und Gerechtigkeit engagiert, steht vor komplexen Herausforderungen. 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Armut; Kriege in Syrien, Afghanistan, Mali, Irak und Jemen; die Klimakatastrophe sowie steigende wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit sind Kennzeichen der globalen Krise. Eine Antwort der Vereinten Nationen darauf ist die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung. Sie braucht politische Priorität und auch kirchliche Unterstützung.
Konkrete politische Forderungen gehören auf die kirchliche Tagesordnung: das völkerrechtliche Abkommen zur weltweiten Ächtung automatisierter Waffen, der Beitritt Deutschlands zum Nuklearwaffenverbotsvertrag, der Abzug nuklearer Waffen aus unserem Land und vieles mehr. Es sollte unseren Kirchen gelingen, diese Anliegen übereinstimmend zu unterstützen. Im Konzert der politischen Stellungnahmen müssen sie ihren eigenen Platz haben.
Die kirchliche Stimme hat die Aufgabe, sich Gehör zu verschaffen. Sie soll an Kraftorten und an Schmerzorten Gottes Frieden bezeugen und für Versöhnung eintreten. Sie soll Schritte der Veränderung hin zu weniger Gewalt und weniger Unrecht initiieren. Sie trägt bei zu der großen Friedensbewegung, deren Träger Gott selbst ist.
Die kirchliche Stimme hat die Aufgabe, unverwechselbar zu sein. Sie nährt sich aus Gottes Schalom, der das Heilsein des Menschen, der menschlichen Gemeinschaft und der ganzen Schöpfung bedeutet. Sie bekennt: Christus ist unser Friede. Sie zeigt auf ihn, der in radikaler Weise gewaltlos ist. Das ist ihre Berufung. Wer aus dem Frieden Jesu Christi lebt, kann Gewalt nicht ethisch legitimieren. Das Kirchesein von Kirche entscheidet sich auch an ihrem Friedenszeugnis.
Im Jahr 1990 bekannte sich die Ökumenische Weltversammlung für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung im südkoreanischen Seoul zur Gewaltfreiheit, getragen von der Erkenntnis, dass es keine theologische Legitimation für Gewalt gibt. Der Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens nimmt diese Dimension positiv auf: Frieden.
Alle Vorlagen und die Tagesordnung der Herbstsynode der EKBO finden Sie hier:
www.ekbo.de/wir/landessynode/vorlagen-und-beschluesse/herbsttagung-2017.html
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