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Haltung zeigen: Rocken gegen Rechts

Als „Nestbeschmutzerin“ wurde Pfarrerin Beatrix Spreng einmal beschimpft. 14 Übergriffe gab es auf die Kirche und das Pfarrhaus. Der Grund: das von der Pfarrerin vor 25 Jahren gegründete Projekt „BAFF“. Denn mit dem, wofür diese vier Buchstaben stehen, konnten und können im brandenburgischen Joachimsthal nicht alle etwas anfangen – „Bands auf festen Füßen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus“. Wo andere Gotteshäuser die Sakristei haben, findet man in der Joachimsthaler Schinkelkirche einen Proberaum. Hier lernen junge Hobbymusiker, wie sie „die Show selber machen können, statt bei den Falschen mitzulaufen.“ Susanne Liedtke besuchte die Gemeinde.

<span style="font-size: 11px;">Klare Botschaft an der Tür zum Proberaum in der Sakristei der Joachimsthaler Schinkelkirche. Junge Musikerinnen und Musiker des Projekts „BAFF: Bands auf festen Füßen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus“ proben hier Woche für Woche, unterstützt von Uwe Kolberg (links). Foto: Susanne Liedtke</span>





In Joachimsthal machen Jugendliche seit 25 Jahren Musik und setzen ein lautes Zeichen gegen Gewalt und Rechtsextremismus

Von Susanne Liedtke

Es sind an diesem Tag nur wenige Jugendliche, die heute zur Bandprobe gekommen sind. Ferienzeit. Alles geht etwas ruhiger zu. So ist noch Zeit für ein Gespräch am voll gedeckten Kaffeetisch. Mit dabei: Pfarrerin Beatrix Spreng und Mitarbeiterin Brigitta Klucke. Im Zimmer stehen Ledermöbel, Bücherregale an den Wänden, der Flügel spielbereit neben einer Trommel und überall Gitarren. Vor dem Fenster: ein üppiger Garten. Auf der hölzernen Anrichte: das Kreuz.

Nach und nach kommen weitere Jugendliche zum Musikmachen oder einfach nur zum Quatschen. Niemand muss klingeln, die Tür des Joachimsthaler Pfarrhauses steht offen – so wie immer. Hier wird gemeinsam geredet, gekocht und gefeiert – und das schon 25 Jahre lang. Seit 1994 ist Beatrix Spreng Pfarrerin in der kleinen Stadt mit 3000 Einwohnern mitten in der idyllischen Schorfheide, die sich die gebürtige Hessin als Ort zum Leben und Arbeiten ausgesucht hat.

Leicht hatte sie es am Anfang nicht: Nur wenige Wochen nach ihrer Amtseinführung griffen rechtsextreme Jugendliche aus dem Ort Berliner Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil Kreuzberg an, die für eine Musik- und Tanzaufführung in der Stadtkirche zu Gast waren. Zusammen mit dem Gemeindekirchenrat entschied Spreng damals: „Wir müssen uns kümmern“, und gründete das Projekt „BAFF: Bands auf festen Füßen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus“.

Ein Rockmusiker aus Templin unterstützt die Jugendlichen
„Wir zeigen den Jugendlichen, wie sie die Show selber machen können, statt bei den Falschen mitzulaufen“, erklärt Beatrix Spreng. Was es dazu braucht? „Proberäume und jemanden, der einem das Musikmachen beibringt“, so die Pfarrerin. Seit 25 Jahren ist dieser Jemand bei BAFF der in der Region bekannte Rockmusiker Uwe Kolberg. Auch er hat an diesem Feriennachmittag noch Zeit für einen Kaffee, bevor er mit der ersten Band in den Übungsraum der Kirche gegenüber geht. „Junge“ von den Ärzten ist der erste Titel, den die Mädchenband „Music Salvation“ heute proben will. Am Schlagzeug sitzt Chantal. Seit vier Jahren ist sie dabei. „Ich konnte mir das Instrument selber aussuchen“, freut sie sich. Noten werden nicht unbedingt gebraucht. „Hören, üben, mitmachen – so läuft das bei uns“, erklärt Profimusiker Uwe Kolberg.

Wo in anderen Gotteshäusern die Sakristei ist, ist in der Schinkelkirche von Joachimsthal der schalldichte Proberaum. Seit 25 Jahren üben hier die ganze Woche abwechselnd sechs Bands: 50 bis 70 Jugendliche, die von Rap bis Rock alles spielen. Mittlerweile gibt es auch vier Tanz- und eine Trommelgruppe.

Niklas ist dabei, seit er zehn ist. Der 18-Jährige spielt in der Band „Fight Night“. „Für uns ist das total normal, in der Kirche Rockmusik zu machen“, sagt er. Außerdem engagiert sich der Abiturient im Plenum, in dem die Jugendlichen ihre Auftritte organisieren und alles ausdiskutieren, was sie beschäftigt.

Zusammen mit der Pfarrerin zu Demos
Denn bei BAFF geht es nicht nur um Musik, sondern um gelebte demokratische Teilhabe. Das ist Beatrix Spreng sehr wichtig. Dazu fährt sie mit Jugendlichen, die möchten, auch mal auf Demos – so zuletzt im Frühjahr auf eine Kundgebung gegen die AfD in Eberswalde.

Die Fremdenfeindlichkeit ist nach wie vor hoch in Joachimsthal. 20 Prozent wählten bei den letzen Kommunalwahlen Ende Mai die AfD. In den ersten Jahren wurde das Projekt massiv bekämpft. Es gab 14 Übergriffe auf Kirche und Pfarrhaus; die Pfarrerin wurde als „Nestbeschmutzerin“ beschimpft. Regelmäßig sind auch in den vergangenen Jahren die Ziegel mit der bunten Aufschrift „BAFF“, die im Beet vor der Kirche stehen, verschwunden. Genauso hartnäckig werden sie von den Jugendlichen immer wieder neu gestaltet und platziert. „Wir wollen machen statt meckern, und dem Rechtsextremismus etwas entgegensetzen“, betont Niklas.

Finanziert wurde das Projekt bisher vor allem durch Spenden und aus Auftritten der Bands. Erst seit wenigen Jahren gibt es auch Unterstützung von der EKBO, worüber alle sehr froh sind. „Denn wir fallen nicht unter die klassische Jugendarbeit“, sagt Beatrix Spreng, die sich in der EKBO in den Ausschüssen für Migration und Finanzen engagiert. Im nächsten Jahr will die Pfarrerin in den Ruhestand gehen. Ein Jugendmitarbeiter und eine Bürokraft werden dann künftig das Pfarramt und BAFF verstärken. Der frisch gegründete Verein „BAFF e.V. Jugendkultur“ soll Ehemalige einbinden und weitere Möglichkeiten zur Unterstützung eröffnen.

Die Kirchengemeinde hat so gut wie keine eigenen Einnahmen, so ist sie auch für den Erhalt der Schinkelkirche auf Fördergelder und Spenden angewiesen. 90000 Euro bräuchte es, um das Kirchengebäude fertig zu sanieren – Geld, das noch nicht da ist. Zwei Seiten der Kirche sind bereits neu in einem sandsteinfarbenen Ton angestrichen; das Baugerüst steht noch. Groß prangt darauf ein Banner mit dem Motto „Mut statt Wut“, das sich die Jugendlichen von BAFF für das Jahr 2019 gegeben haben. Am 7. September wollen sie zusammen feiern. 25 Jahre BAFF – natürlich mit einem großen Konzert im Park vor der Schinkelkirche in Joachimsthal.

Kirche und Wahlen

Die Landeskirche bietet verschiedene Informationsmaterialien zu politischen Wahlen. Die Orientierungshilfe „Mutig streiten – mit Respekt und Argumenten“ gibt Hinweise auf christlicher Grundlage zur Planung von öffentlichen Gemeindeveranstaltungen mit Vertreterinnen und Vertretern von politischen Parteien im Vorfeld von Wahlen. Online hier: www.ekbo.de/mutigstreiten

Die Erklärung „Haltung zeigen“ der Landessynode will Christinnen und Christen Mut machen, über aktuelle Herausforderungen des gesellschaftlichen Miteinanders zu sprechen sowie was es heißt, heutzutage als Christin und Christ Haltung zu zeigen. Die Landessynode bittet derzeit um Rückmeldung und um Anregungen zu dem Papier, per E-Mail an landessynode@ekbo.de. Die Erklärung finden Sie hier: www.ekbo.de/
haltungzeigen

Weitere Informationen zu Kirche [&] Wahlen unter: www.ekbo.de/kircheundwahlen

 

 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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