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Kirche muss Strategie überdenken

Bedeutet der Einzug der AfD im Bundestag das Aus für die Religionsfreiheit? Markus Kowalski sprach mit Rolf Schieder, Sprecher des Forschungsbereichs Religion und Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin, über das, was Kirche jetzt tun sollte, über den Islam und Beheimatungsgefühle.

<span style="font-size: 11px;">Foto: epd</span>



Bedeutet der Einzug der AfD im Bundestag das Aus für die Religionsfreiheit? Markus Kowalski sprach mit Rolf Schieder, Sprecher des Forschungsbereichs Religion und Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin, über das, was Kirche jetzt tun sollte, über den Islam und Beheimatungsgefühle.

Wie steht es nach dem Einzug der AfD um die Religionsfreiheit?

Gott sei Dank ist die Religionsfreiheit so gesichert, dass die AfD nichts dagegen machen kann. Das Problem ist aber in der Tat, dass die AfD dem Islam nicht die gleichen Rechte einräumen will wie den anderen Religionsgemeinschaften. Insofern muss die AfD vonseiten der Kirchen kritisiert werden. Alle demokratischen Kräfte müssen zusammenwirken.

Müssen die Kirchen jetzt politischer werden?

Da haben wir ein Problem. Einerseits sagen die Kirchen: Wir reden nicht mit der AfD. Andererseits haben vor allem im Osten Deutschlands sehr viele Menschen AfD gewählt. Wenn die Kirchen mit diesen Wählern nicht mehr reden wollen, dann können sie mit 25 Prozent der Bevölkerung nicht mehr reden. Insofern muss die Kirche ihre Strategie überdenken. Zwar muss die AfD ein politischer Gegner der Kirchen sein, weil die Botschaft Jesu Christi eine universale Botschaft ist. Eine nationalistische, exkludierende Haltung der AfD passt mit dem Evangelium nicht zusammen. Wenn die Kirchen dem Evangelium treu bleiben wollen, müssen sie in massive Opposition zu dieser Partei gehen. Gleichzeitig ist es aber so, dass auch Christen die AfD wählen. Und mit diesen Menschen muss man im Gespräch bleiben.

Hat die Kirche etwas falsch gemacht?

Die Evangelische Kirche hat jahrzehntelang eine politische Position vertreten, die mit sozialdemokratischen und grünen Positionen fast identisch war. Ich glaube, die Kirche muss insofern kirchlicher und weniger politisch werden, als dass sie parteipolitisch weniger identifizierbar ist. Die Botschaft des Evangeliums kann nicht einfach in das Parteiprogramm der Grünen oder der SPD übersetzt werden.

Muss sich die Kirche jetzt an die Seite des Islam stellen?

Auf jeden Fall. Wir müssen zusammen mit den Muslimen und Juden die Religionsfreiheit verteidigen. Da sitzen wir in einem Boot. Die Situation jetzt ist so, wie wir sie 1933 schon hatten. Damals hat kein Mensch die Juden verteidigt, als man sie exkludieren wollte. Jetzt will man den Islam ausschließen, selbstverständlich müssen wir uns da an die Seite der Muslime stellen. Die AfD fordert, islamische Bildungseinrichtungen zu schließen. Hier in Berlin wird gerade ein Institut für islamische Theologie eingerichtet. Selbstverständlich müssen die Kirchen diese Einrichtung unterstützen. Denn wir wollen einen gebildeten Islam im Lande.

Der Soziologe Holger Lengfeld sagt, dass sich die AfD-Wähler „kulturell zurückgesetzt“ fühlen. Kommt es jetzt zu einem Kulturkampf?

Ein Problem haben wir seit zwei Jahrhunderten: Die Kirchen waren und sind bis heute eine bürgerliche Veranstaltung. Im 19. Jahrhundert haben die Kirchen den Kontakt zur Arbeiterschaft und den weniger gebildeten Schichten verloren, und dieser Prozess hat sich verstärkt. Wenn man sich heute die Berufszugehörigkeit bei den Kirchenmitgliedern anschaut, sieht man, dass die Kirchen unter der Arbeiterschaft nicht verankert sind. Das gilt insbesondere für den Osten Deutschland.

Das Bildungsbürgertum ist das Milieu, in dem die Kirchen florieren. In Zukunft kommt es darauf an, Kontakt zu anderen Milieus zu bekommen. Es hilft dann nicht, auf die AfD zu schimpfen. Sondern man muss überlegen, was man diesen Wählern, die meistens Protestwähler sind, anbieten kann. Daher würde ich der soziologischen Analyse zustimmen. Die Distanz ist riesig. Sie soll aber nicht zum Kulturkampf werden, sondern man muss überlegen, was man gegen diese Distanz tun kann.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen den Islam integrieren, aber auch die Islamgegner. Im Grunde ist die Aufgabe jetzt komplexer geworden. Man kann nicht nur den Islam verteidigen, sondern man muss andererseits auch die Islamkritiker, an den Punkten, wo sie zum Teil Recht haben, ernst nehmen. Sie müssen wieder das Gefühl bekommen, dazuzugehören. Wir haben dasselbe Problem wie im mittleren Westen der USA. Wenn sich die Menschen fremd im eigenen Land fühlen, dann hat das Land ein Problem.

Kann es eine Lösung sein, dass die CDU/CSU wieder eine christliche Hegemonie im Land verkörpert?

Nein, eine christliche Leitkultur wollen wir nicht. Das führt in die Irre. Was man stärken kann, ist ein Beheimatungsgefühl. Im Osten haben die Menschen in der Vergangenheit ihre Kirchen im Dorf wieder aufgebaut, haben Geld gespendet und Arbeitszeit investiert. Das fand ich ein gutes Zeichen. Die Kirchen müssen sich auf den Dörfern mehr engagieren, in den ländlichen Räumen, die zwar immer mehr ausdünnen, aber in denen sich die Menschen zugehörig und beheimatet fühlen wollen. Im Moment machen wir es so, dass die Pfarrbezirke riesiger werden, weil man die Pfarrstellen nach Kirchenmitgliedern zählt.

Wie könnte Kirche gegensteuern?

Man müsste die Pfarrstellen nach sozialen Brennpunkten aussuchen, und fragen: Wo brauchen wir Pfarrerinnen und Pfarrer, die mit den Menschen im Gespräch bleiben? Das hat die katholische Kirche in Bayern jahrzehntelang gemacht und den Leuten ein Heimatgefühl gegeben, indem sie mit ihnen die Rituale und Feste im Jahreskreislauf vollzogen haben. Diese Rituale drücken einen zivilgesellschaftlichen Konsens aus. Menschen entwickeln eine religiöse Bindung zum Gemeinwesen. Das darf nicht nationalistisch, nicht hegemonial oder leitkulturell werden. Aber es ist gut, wenn es durch Rituale Bindungen an das Gemeinwesen gibt, das aber als solches pluralistisch verfasst sein muss. Es geht nicht um neue Weltanschauungskämpfe, sondern um Umgangsformen, die eine emotionale Bindung aller an das Gemeinwesen ermöglichen. An der Stelle ist die faschistische Rhetorik der AfD katastrophal. Da müssen die Kirchen massiv protestieren, aber sich gleichzeitig um die AfD-Wähler bemühen.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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