Von Cornelia Saxe
„Ich hätte gern den Sonnenuntergang, das Abendrot und den pazifischen Ozean“, gebe ich lachend meine Bestellung am Telefon auf. Der junge Mann am anderen Ende der Katalog-Hotline lacht mit. Nach den vielen Online-Bestellungen für Weihnachten habe ich im neuen Jahr ganz altmodisch zum Hörer gegriffen, um bei meinem Einkauf mit jemandem zu reden und nicht nur endlose Zahlenkombinationen in die Tastatur zu tippen. Nüchtern betrachtet habe ich gerade einen Pullover in Orange, einen Badvorleger in Rot und eine Hose in Blau bestellt. Und ich gebe es offen zu: Ich habe mich von den Farbennamen Sonnenuntergang, Abendrot und Pacific Ocean verführen lassen, die mitten im Winter einen Strandurlaub suggerieren. Bei den Leinenshirts in Lagune und Tiefseepetrol konnte ich mich gerade noch beherrschen.
Jetzt ist die Zeit, wo die Kataloge mit der Frühlings- und Sommermode in meinen Briefkasten flattern. Vor allem die Labels mit den Naturtextilien verwenden viel Mühe darauf, den Kundinnen die Ware schon allein durch die Farbbezeichnungen schmackhaft zu machen. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen, wenn ich von Kleidern in Safran, Himbeere, Papaya, Vino und Nougat lese. Erst recht, da ich seit einer halben Ewigkeit nicht mehr zum Essen ausgegangen bin. Ich sehe mich in einer Seidenbluse in Grapefruit zu einem Faltenrock in Malaga mit meinem Liebsten bei einem Drei-Gänge-Menü sitzen. Beim anschließenden Besuch in der Bar danach male ich mir aus, wie ich zur Hochsteckfrisur ein rückenfreies Oberteil in Kurkuma oder Muskat trage.
Während draußen vor dem Fenster ein grauer Neuköllner Wintertag sein Dasein fristet, schießen in den Werbeblättern die Wortkreationen wild ins Kraut. Bei einem der Marktführer für ökologische Mode habe ich mehr als zehn verschiedene Bezeichnungen für Grün gezählt. Während ich in Gedanken federnden Schrittes barfuß über eine Wiese laufe, habe ich mir schon ein Wickelkleid in Seegras und eine Fleecejacke in Salbei bestellt. Dazu ein Paar Sneaker in Moosgrün. In meiner Fantasie bin ich jetzt beim Waldbaden angekommen. Fehlt nur noch die sportliche Regenjacke in Libellenblau und der praktische Outdoor-Pullover in Nelkenrot.
Warum ist eigentlich noch niemand auf den Trichter gekommen, ein elegantes Kleid „Du Ewige im Himmel“, eine Hose mit vielen Taschen „Gottes Segen“ oder eine Schirmmütze „Gut behütet“ zu nennen? Das wäre doch auch mal eine Idee.