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Liegestütze und Jahreslosung

Eine Jahreslosung für Trostsuchende. Und für die, die keinen Trost finden

Jahreslosung 2021
Sportliche Übung: einander zu halten. Foto: pixabay

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist 
Lukas 6,36

Von Christian Stäblein

Heu – das Wort gehört für Ilse Aichinger zu den besonderen, wie Schnee. Es sind für sie die Künder vom Vergangenen, Vergänglichen. Heu etwa erzählt vom Sommer, von der Üppigkeit. Dem Gewesenen. Man möchte einmal seufzen. Schon wegen der gleichen Laute. Heu. Ach, wenn doch wieder Sommer ist. Aber Schnee ist auch schön. Seufz. Ja, man kann das Jahr mit einem großen Seufzer beginnen. Der muss gar nicht aus Traurigkeit herrühren, kann einfach ein tiefes Durchatmen sein, eine kurze Unter­brechung in dieser Zeit, die steht und rennt zugleich. 

Das Seufzen mit dem schönen eu aus Heu steckt auch in der Jahreslosung für 2021, zugegeben ein wenig versteckt, aber einmal entdeckt, ist es nicht zu überhören. Oiktirmones ist das griechische Wort, das hier für barmherzig steht, oiktirmones, eine ganz und gar praktische, tätige Barmherzigkeit, keine Theorie von Barmherzigkeit, ein Mitseufzen. Werdet Mitseufzende, wie euer Vater im Himmel ein Mitseufzender ist. Eine Jahreslosung für Trostsucherinnen und -sucher, für alle, die ihn darin finden, dass Gott sich erbarmt. Und auch für die, die keinen Trost finden. Heu. Das Korn von gestern. Und unser himmlischer Vater ernährt uns doch! 

Neben diesem sprachpoetischen Zugang zur Jahreslosung – inspiriert von Ilse Aichinger, deren Geburtstag sich dieses Jahr zum 100. Mal jährt – will ich den biblisch-theologischen nicht übersehen. Der 36. Vers im 6. Kapitel des Lukasevangeliums – Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist – ist dort eine Art Gelenkstelle. Man weiß nicht genau, wohin er gehört. Zum Abschnitt unmittelbar vorher, wo es um Feindesliebe geht? Oder zur direkt auf den Vers folgenden Passage, die sich dem Umgang mit Fehlern widmet, denen der anderen und vor allem der eigenen. Bald schon folgt der Hinweis auf zu ziehende Splitter im Auge (der anderen) und zuvor Balken (im eigenen Auge). Dazwischen der Aufruf zum Barmherzig-Sein, quasi als Gelenk, als das alles Verbindende. Glauben ohne Barmherzigkeit versteift, wird unbeweglich. Liegestütze und Jahreslosung könnte man also, in Anlehnung an Manfred Stolpes tägliches Vorhaben Losung und Liegestütze, fürs neue Jahr empfehlen.   

In den bewegungsarmen Zeiten nehme ich mir das immer wieder vor – und schaffe es doch nicht so viel, wie ich wünschte. Dann hilft die Jahreslosung. Seid barmherzig heißt auch: Sei barmherzig damit, dass du gerade nicht vollkommen bist. Die Parallelstelle zum Lukasvers steht im Matthäusevangelium, da wird überliefert: Seid ihr nun vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist. Im ersten Moment denke ich: Gut, dass nicht das die ­Jahreslosung ist, klingt schnell nach Überforderung. Andererseits: Bei Matthäus geht es mit der Vollkommenheit immer um die Gerechtigkeit – und die sollen und wollen wir im neuen Jahr gewiss nicht hintenanstellen. Also lieber das Verbindende suchen. Das ist bei Matthäus und bei Lukas ja die Methode, wie gerecht sein und barmherzig sein real wird: durch nach­ahmen. Wer lächelt nicht zurück, wenn er oder sie angelacht wird?! Oder seufzt mit, erbarmt sich, weil sich erbarmt wurde. 

Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen – hat der Gesundheitsminister schon im letzten April gesagt. Und für mich damit irgendwie die Jahreslosung vorweggenommen. Jedes Jahr, so scheint es manchmal, hat die Jahreslosung, die es verdient oder besser: die es braucht. Im vergangenen Jahr mit „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ der Schrei des hilfesuchenden ­Vaters einer kranken Tochter, zerrissen und bedürftig. Dieses Jahr nun die Mahnung Barmherzigkeit zu üben: verzeihen, bleiben, seufzen. Ein stetes Werden darin, denn wie für das ganze Glaubensleben gilt auch hier richtig übersetzt: Es ist ein stetes barmherzig Werden, nie schon ein fertiges Sein. 

Ilse Aichingers Gedicht „Heu“ endet mit den Worten der „Gewissheit, dass es keinen Trost gibt, aber den Jubel, Heu, Schnee und Ende“. Wer Ilse Aichinger dieses Jahr wieder liest, wird feststellen, dass es bei ihr wahrlich keinen billigen Trost gibt. Sondern wirklich tröstliches Aushalten. Auf den Jubel hin. Ein gesegnetes Jahr 2021 wünsche ich Ihnen!

Christian Stäblein ist Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-­schlesische Oberlausitz.

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1. "Jeder einzelne Austritt schmerzt" Wolfgang Banse Die Kirchenaustritte sind hausgemacht.Hauptamtlich Tätige tragen zum größten Teil dazu bei.Die Aussage von Herrn Stäblein:"Jeder einzelne Austritt schmerzt", sind hohl und bleiben es.Frau Christina Bammel, Herr Christian Stäblein vertreten die EKBO nach innen , wie nach außen, im Bezug KdÖR, ihnen ist die Austrittszahlen zu zu schreiben, ohne wenn und aber.Der EKBO kann man eine gewisse Unfreundlichkeit bezeichnen, gegenüber Glieder, die Kunden sind. Effizient, Qualität kommen nicht tragen.WSie auch.Volkskirche war en die Gliedkirchen in der EKD nie, im Bezug Staatskirche.Menschen, gläubige Menschen leiden unter den Strukturen der Kirche, unter Arbeitnehmende, die in der Kirche ihren Dienst versehen.Dies und jenes wird experimentiert, Gläubige werden als Marionetten geführt, an Fäden gezogen.Demokratie ist nicht erleb, erfahrbar!Um 360Grad müßten sich die Kirchen innerhalb der EKD drehen, damit sie wieder Salonfähig werden.Wertschätzung erfährt nicht jede und jeder.Standesdünkel, Klassengesellschaft innerhalb der Kitrche ist erleb, erfahrbar.YAuch der Gleichheitsgrundsatz kommt nicht immer in den Kirchen zum Tragen."Haste was, bist de was", dies wird gelebt.Nicht identifizierbar ist es, wenn ein leitender Geistlicher, hier Bischof Stäblein, auf eien Podium aggressiv wird, im Bezug auf einen Pastor der SELK, hier Pastor.Dr.Dr.hc. Martens.Laut Ausgabe eines Gemeindebriefes, soll Herr Stäblein folgendes gessagt haben:"Der AltLutheraner nimmt uns alle Asylanten weg".Dies ist zu missbilligen!Der besagte Pfarrer tut etwas, mehr, als andere.Er arbeitet für vier.Seine Leistungen lassen sich sehen, zu würdfigen, was ertut, auch mit großen gesundheitlichen Problemem, wie Fieber.Nicht umsonst hat die Nachrichten Agentur IDEA Herrr Pfarrer Dr. Dr.hc Gottfried Martens vor Jahren als Pfarrer des Jahres gewählt. Kann Herr Stäblein, auch damit auf warten?!Der Zusammenhalt in den SELK Kirchengemeinden ist größer, als in den Kirchengemeinden der Amtskirche.Wo Anonymität vorhanden ist.Ein Ruck muss gehen, was die Kirchenleitung der EKBO betrifft. Nicht weiter so, wie bisher, sondern anders, mit Herz.Wieviel Kirchenglieder hatte die EKBO zu Beginn der ASmtszeit von Herrn Stäblein.Wieviel hat sie jetzt?Nicht ab, um aussitzen ist gefragt, sondern pastoralen Dienst.KLirche für andere sein, wie Dietrich Bonhoeffer es formulierte, dann hat die Kirche eine relle Überlebenschance.
2. Taufe Konfrimation Horst H. Krüger Mein Vorschlag: Verzcht auf die Konfirmation und statt dessen eine Kindersegnung und die Taufe dann Statt der Konfirmation. Taufe als Glaubenstaufe und Aufnahme in die Kirche, da spielt dann das Alter keine Rolle mehr wenn der Wunsch des Gläubigen vorhanden ist.
3. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.

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