Von Tilman Asmus Fischer
„Warum tut sich die evangelische Kirche das an?“, fragte der Kabarettist Martin Buchholz provokant. Ihm oblag die Herausforderung, am 25. Oktober in die Diskussionsveranstaltung „Die Schatten der Reformation“ einzuführen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte im Berliner Radialsystem einige Prominenz aufgefahren, um öffentlichkeitswirksam am Ende des Themenjahres „Reform und Toleranz“ zu unterstreichen: Selbstverständlich wissen die Organisatoren der Luther-Dekade um die Ambivalenz, die Toleranz im Kontext von Werk und Wirken des Reformators hat.
Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider formulierte die Pole dieser Spannung einleitend als den Einsatz für Wahrheit und die Unfähigkeit, diese in Vielfalt zu denken. Auf dem Podium ließ RBB-Moderator Jörg Thadeusz die „Opfer der Reformation“ zu Wort kommen: Herausragende Vertreter von Religionsgemeinschaften, denen Luther und seine Nachfolger eben nicht mit Toleranz begegneten. Neben dem jüdischen Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik und der muslimischen Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor waren dies Repräsentanten nicht-lutherischer Kirchen. Pastor Wolfgang Krauß nahm als Vertreter der Mennoniten teil, während die baptistische Kirchenhistorikerin Andrea Strübind wesentlich zu einer der zentralen Erkenntnisse des Abends beitrug: Eine Reduzierung der Reformation auf Luther und den Thesenanschlag von Wittenberg führt zu einer fortgesetzten Ausgrenzung anderer reformatorischer Bewegungen. Das gilt nicht nur für die „nach-lutherischen“ Baptisten und Mennoniten, sondern ebenso für die Böhmischen Brüder, die bereits im 15. Jahrhundert wirkten.