Von Linda Ahrens
Wer die Seidelstraße 39 in Berlin-Reinickendorf besuchen will, muss alles abgeben: Jacke, Schlüssel, Handy, Tasche. Alles wandert in ein Schließfach. Die Anweisungen geben zwei Vollzugsbeamte, die hinter einer Glasscheibe sitzen. „Die Besucherkarte dürfen sie nicht verlieren“, mahnt eine Beamtin streng. Schließlich öffnen sich die gelben Schleusen mit einem Geräusch, als würde ein Vakuum aufgehoben. Der Weg auf das Innengelände ist damit freigegeben und eine Gruppe junger Studenten steht nun auf dem Hof der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel.
Hier begrüßt uns Rainer Dabrowski. Er ist ein kräftiger Mann mit dunklen Augen, Bart und kurzgeschorenen Haaren. Er sieht so aus, wie ich mir einen Seemann vorstelle. Doch Rainer Dabrowski ist kein Seemann, sondern seit 23 Jahren Pfarrer und Seelsorger in der JVA Tegel. Regelmäßig führt er Gruppen hinter die Mauern und will seine Arbeit damit greifbar machen.
Routiniert beginnt er die Führung und lenkt uns über das Gelände. Immer mit seinem dicken, klappernden Schlüsselbund in der Hand. Überall schließt er für uns auf und hinter uns wieder zu. Wir gehen die Außenmauer entlang, an einem der 13 Wachtürme vorbei. Sie sind schon lange nicht mehr besetzt, stattdessen wurden Zäune gebaut, die das Gelände in überschaubare Abschnitte gliedern. „Eine Sparmaßnahme“, erklärt uns Dabrowski, wobei der Seelsorger skeptisch schaut. Er ist der letzte evangelische Seelsorger in Tegel mit einer vollen Stelle. Auch hier mangelt es an Geld.