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Vergiss mein nicht

Foto: Alice – Museum für Kinder im FEZ-Berlin

„Jetzt hat es Opa wenigstens bequem“, hörte Sibylle Sterzik einen kleinen Jungen sagen, der einen Sarg zum Selbst-Reinklettern ausprobierte. Die interaktive Ausstellung „Erzähl mir was vom Tod“ im Berliner FEZ führt Kinder an das tabuisierte und doch so wichtige Thema Sterben heran. Sibylle Sterzik besuchte die Ausstellung.

<span style="font-size: 11px;">Foto: <span>Alice – Museum für Kinder im FEZ-Berlin</span>



Über den Tod zu sprechen, fällt nicht leicht. Anders in der Ausstellung „Erzähl mir was vom Tod“ im Berliner Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ). Vor kurzem besuchten junge Erzieherinnen und Erzieher mit ihren Lehrerinnen das Museum.

Von Sibylle Sterzik

Ein kleiner Junge kommt herein. Hippelig läuft er durch die Ausstellung. Da entdeckt er einen weißen Sarg. Der Deckel steht offen. Zur Seite geschoben, lässt er den Blick auf das cremefarbene Innenpolster frei. Der Junge schiebt den Deckel ganz beiseite, kletterte in den Sarg und legte sich hinein. Auf einmal wirkt er völlig entspannt und seelenruhig und sagt: „Jetzt hat es Opa wenigstens bequem.“

Auf solche interaktiven Erlebnisse setzt die Ausstellung „Erzähl mir was vom Tod“ im Museum Alice im Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in der Berliner Wuhlheide. 2002 wurde sie hier entwickelt und das erste Mal gezeigt. Danach tourte die Schau durch viele Großstädte. Seit April 2017 ist sie zurück und bis Juli 2018 zu sehen.

Eltern kommen mit ihren Kindern, Großeltern mit den Enkeln. Kita-Gruppen und Schulklassen können sich vormittags für eine Führung anmelden und das Begleitprogramm mitmachen. Mit einem Archäologen die uralte Grabstelle und das Skelett erforschen. Bestattern zuhören, die von ihrer Arbeit erzählen. „Ihr“ Paradies gestalten.

Mit dem Reisepass ins Jenseits

An diesem Donnerstag sind etwa 20 angehende Erzieherinnen und ein Erzieher mit ihren Lehrerinnen aus Herrenberg in Baden-Württemberg angereist. Die Ausstellung entdeckten sie im Internet. Super, da wollen wir hin, hieß es. Wirklich? Potsdamer Platz, Fernsehturm, Shoppen im Primark – das sind doch angesagtere Ziele für junge Leute zwischen 18 und 21. Aber eine Ausstellung über den Tod? „Ich möchte lernen, wie ich mit Kindern über den Tod reden kann“, sagt Sinem (19). Lehrerin Lea Weber findet es wichtig, dass sich ihre Studentinnen und Studenten selbst mit dem Thema auseinandersetzen. Im Lehrplan komme das nicht direkt vor.

Sonja Baltruschat (31) und Claire Weber (19) führen durch die Ausstellung. Beide arbeiten im Museum mit, begleiten Kita- und Schulklassen sowie Auszubildende, vor allem in sozialen Berufen. „In diesem Jahr waren es schon etwa 40 Fachführungen. Das Bedürfnis, zu sehen, wie man dieses Thema inszenieren kann, ist groß“, sagt Museumspädagogin Pia Grotsch.

In einem großen Raum, der mit rotem Teppich ausgelegt ist, entstehen durch Trennwände zwölf kleine Räume. Jeder lädt dazu ein, etwas zu entdecken. Ohne Schuhe gehts los, auf Strümpfen oder mit blauen Tüten über den Schuhen. Der rote Teppich sorgt für warme Füße und farbenfrohes Ambiente. Schwarz ist hier nur der Einreisestempel. Mit dem befördert Antja, die charmant lächelnde Dame an Schalter 1 des Reisebüros, die Gruppe „ins Jenseits“. Laut knallend stempelt sie das Visum in die Reisepässe. Darin ist Interessantes zu lesen, etwa „dass Tod und Leben zusammen gehören, aber wir das in unserer Kultur oft vergessen und den Tod unsichtbar machen, weil wir nicht darüber sprechen“. Der Reisepass ist Eintrittskarte, Wegweiser und interaktives Arbeitsheft zugleich.

An der Zeitmaschine vorbei geht es ins Innere: eine große Sanduhr. Mit ihr lässt sich die Zeit anhalten. Mal schnell und mal langsam rinnt der Sand, wie die Zeit im Leben. „Achtung, ihr verlasst jetzt das Diesseits!“ So steht es an der Ausgangstür des „Uhren-Raums“.

Im Paradiesgarten ist eine echte Grabstelle aus dem 6. Jahrhundert zu entdecken. Sonja und Claire betrachten mit den Auszubildenden das Skelett genauer. Daneben finden sich zahlreiche Grabbeigaben – Originale aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte. Sie erzählen etwas über die Vorstellung von Tod und Jenseits in den Kulturen. Am Kopf der Mumie erkennt eine junge Frau einen Kamm. Für die Ewigkeit noch die Haare schön gemacht? Auch das gehört zur Vorbereitung der letzten Reise ins Jenseits. Ebenso wie Kerzen als Licht auf dem Weg.

Heute wären es wohl Taschenlampen, meint Claire nebenbei. Die Gruppe, eben noch ziemlich nachdenklich, lacht. Das Eis ist gebrochen. Sonja und Claire verstehen ihr Handwerk. „Was würdet ihr in einem Koffer mitnehmen wollen?“, fragen sie. Plötzlich greift das Thema in die Gegenwart. Wohin geht es mit dem Koffer nach dem Tod? Gedanken dazu hängen auf Zetteln über den Köpfen angeklammert an einem Netz. Auf einem fragt Johnny: „Lieber Sven, wir hoffen, es geht dir gut. Wie ist dein Leben jetzt?“

Gegenüber das Zimmer mit dem weißen Sarg. An Wänden, Decke und auf dem Boden kleben Todesanzeigen. Alle scheinen zu rufen: „Vergiss uns nicht!“ Lara bleibt betroffen stehen. Sie hat den Tod in der Familie schon erlebt. Als ihre Oma starb, die wie eine zweite Mutter für sie war, war sie als Elfjährige dabei. Später, bei ihrem Opa, kam sie zu spät, bedauert sie. Warum? „Ich hätte ihm gern noch gesagt, wie gern ich ihn hab.“

Hier kann sie ihm „einen lieben Gruß schreiben“. Überall hängen schon Nachrichten ins Jenseits: „Liebe Mama, ich vermisse dich so sehr“, schreibt ein Kind. Ein anderer protestiert: „Der Tod ist Scheiße.“ Positiver klingt: „Alle, die sterben, sind frei.“ Wie wichtig es ist, sich zu erinnern: „Ein Mensch ist erst tot, wenn er aus den Gedanken seiner Lieben verschwunden ist.“

Halt geben Menschen, die bereit sind, über den Tod zu reden

Sessel, Stehlampe, Plattenspieler und Fotoalben stehen im Raum der Erinnerung. Was bleibt von den Verstorbenen? Wie erinnern wir uns an sie? „Der Sessel riecht wie früher“, stellt Lea Weber fest. Die 31-Jährige findet gut, wie die Ausstellung dazu anregt, mit Kindern über den Tod zu reden. Ihren Schülerinnen und Schülern möchten sie vor allem Handwerkszeug mitgeben und Interesse wecken, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Sie selbst hat mehrere Todesfälle miterlebt. Halt gaben ihr Menschen, die sie in den Arm nahmen und bereit waren, mit ihr über den Tod zu reden. „Das Wichtigste ist, nicht allein zu sein, einen Halt zu haben.“ Bekannte starben, die sich selbst das Leben nahmen. Das war schrecklich. „Früher bezog ich das auf mich, fühlte mich schuldig. Wut war auch mit dabei.“ Das Erlebte schob sie „in eine gefühlsmäßige Kühlschrankecke in ihrem Kopf“. Inzwischen hat sie gelernt loszulassen und zu akzeptieren, wenn ein Mensch sich so entscheidet.

Kübra Baltaci hat auch schon Bekanntschaft mit „Gevatter Tod“ gemacht. „Bei uns wird der Tote gewaschen“, erzählt die 20-jährige türkische Muslima. Die rituelle Reinigung und das letzte Gebet finden in der Moschee statt: „Cenaze Namazi“. Die Familie lädt ein, alle kommen, sagt sie. Am offenen Sarg nahm sie Abschied von ihrem geliebten Opa. „Ich habe ihn umarmt und geküsst. Das war krass. Er war richtig kalt.“ Der Tote wird in ein weißes baumwollenes Tuch gewickelt. Zum Grab trägt man ihn in einer einfachen Holzkiste. Ohne Sarg, nur mit dem Tuch – im Tod sind alle gleich – bettet man ihn in die Erde.

Einen Zaubertrank kann man sich im Labor der Unsterblichkeit brauen. Das Rezept ist natürlich ein Geheimnis, sagt Sonja augenzwinkernd. „Und überlegen mit den Kindern: Was ist dein Lebenselixier, was macht dich stark?“, sagt Claire. „Es ist schön zu sehen, wie hier über den Tod nachgedacht wird“, findet Sinem. Als die 19-Jährige mit zehn Jahren ihren Onkel verlor, „wusste ich nicht, was der Tod ist“. Kindern sollten viel früher etwas darüber erfahren, meint sie.

Museumskoffer zum Ausleihen

Stille herrscht im Kino-Raum. Ein Film erklärt mit wenigen Strichzeichnungen, wie ein Mensch stirbt. „Das war sehr beeindruckend“, sagt der Fotograf Steffen Giersch, der selbst vor kurzem seine Mutter zu Grabe getragen hat.
„Vergissmeinnicht“ heißt der ausleihbare Museumskoffer, der das Thema Tod, Trauer und Erinnern spielerisch streift. Damit können Ängste abgebaut werden, sagt Pia Grotsch. Wie ein kleiner Sarg steht er da, ein Schwergewicht mit seinen 40 Kilo Material darin: Arbeitsblätter, Filme, Bilder und eine Urne, die sich Kinder aus der Nähe ansehen können. Mit schwarzem Hut und Schleier spielen Kinder eine Beerdigung nach. Sie probieren aus, wie man einen Gruß auf einer Trauerschleife formuliert. Die „mobile Mitmachausstellung“ entwickelte das Museum für Sepulkralkultur (Trauer- und Begräbniskultur) in Kassel für Grundschüler. Schulen können ihn ausleihen.

Auf dem Kinderaltar im Raum „Mexikanisches Totenfest“ steht ein Totenschädel aus Marzipan. „Der wird von Kindern mit Zuckerguss dekoriert“, erzählt Sonja. Alles ist bunt und fröhlich. Mexikaner picknicken zum „Dia de los Muertos“ am Grab, singen und tanzen. Kinder schminken sich. Das Volksfest soll dem Tod den Schrecken nehmen. „Meine Familie macht das jedes Jahr“, bestätigt eine junge Mexikanerin aus der Gruppe.

Bunt gekleidet zur Beerdigung?

Auch in Deutschland muss Beerdigung nicht immer schwarz sein. Lea Weber hat erlebt, dass auf einer Todesanzeige im Lehrerkollegium stand: „Bitte kommt alle bunt gekleidet.“ Und sie fügt hinzu: „Als Christ müsste ich eigentlich eine große Party machen, weil es schön ist, wenn ein Mensch zu Gott geht.“

Und dennoch: Keiner beschäftigt sich gerne mit dem Ende des Lebens. Manche Eltern im FEZ flüchten förmlich, wenn sie mitbekommen: „Hier geht es gar nicht um Alice im Wunderland? Um den Tod? Das ist doch nichts für Kinder.“ Kinder aber nehmen auf Tabus keine Rücksicht. Die Ausstellung unter Schirmherrschaft des Wittenberger Theologen Friedrich Schorlemmer nimmt das auf: „Kinder gehen viel unbekümmerter mit dem Thema Tod um als Erwachsene“, sagt Sonja. „Sie fragen einfach, was das ist, Tod, probieren alles aus, wollen genau wissen, was passiert.“
Spielerisch, unsentimental, nicht belehrend lädt die Schau zu einer Reise ins Jenseits ein. „Würdet ihr mit Kindern in die Ausstellung kommen?“ Auf Claires Frage zum Abschluss antwortet die Gruppe einhellig mit: „Ja.“

„Erzähl mir was vom Tod“ für Kinder ab 5 Jahre und Erwachsene im Alice-Museum im FEZ in der Wuhlheide in Berlin. Bis zum 1. Juli 2018. Geöffnet: Sa+So von 12–18 Uhr, Kurzferien: Mo–Fr 10-18 Uhr.

Führungen für Schulklassen: Di–Do 9, 11, 13, 15 Uhr. Reservierung, (030) 53071-333, reservierung(at)fez-berlin.de

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1. "Jeder einzelne Austritt schmerzt" Wolfgang Banse Die Kirchenaustritte sind hausgemacht.Hauptamtlich Tätige tragen zum größten Teil dazu bei.Die Aussage von Herrn Stäblein:"Jeder einzelne Austritt schmerzt", sind hohl und bleiben es.Frau Christina Bammel, Herr Christian Stäblein vertreten die EKBO nach innen , wie nach außen, im Bezug KdÖR, ihnen ist die Austrittszahlen zu zu schreiben, ohne wenn und aber.Der EKBO kann man eine gewisse Unfreundlichkeit bezeichnen, gegenüber Glieder, die Kunden sind. Effizient, Qualität kommen nicht tragen.WSie auch.Volkskirche war en die Gliedkirchen in der EKD nie, im Bezug Staatskirche.Menschen, gläubige Menschen leiden unter den Strukturen der Kirche, unter Arbeitnehmende, die in der Kirche ihren Dienst versehen.Dies und jenes wird experimentiert, Gläubige werden als Marionetten geführt, an Fäden gezogen.Demokratie ist nicht erleb, erfahrbar!Um 360Grad müßten sich die Kirchen innerhalb der EKD drehen, damit sie wieder Salonfähig werden.Wertschätzung erfährt nicht jede und jeder.Standesdünkel, Klassengesellschaft innerhalb der Kitrche ist erleb, erfahrbar.YAuch der Gleichheitsgrundsatz kommt nicht immer in den Kirchen zum Tragen."Haste was, bist de was", dies wird gelebt.Nicht identifizierbar ist es, wenn ein leitender Geistlicher, hier Bischof Stäblein, auf eien Podium aggressiv wird, im Bezug auf einen Pastor der SELK, hier Pastor.Dr.Dr.hc. Martens.Laut Ausgabe eines Gemeindebriefes, soll Herr Stäblein folgendes gessagt haben:"Der AltLutheraner nimmt uns alle Asylanten weg".Dies ist zu missbilligen!Der besagte Pfarrer tut etwas, mehr, als andere.Er arbeitet für vier.Seine Leistungen lassen sich sehen, zu würdfigen, was ertut, auch mit großen gesundheitlichen Problemem, wie Fieber.Nicht umsonst hat die Nachrichten Agentur IDEA Herrr Pfarrer Dr. Dr.hc Gottfried Martens vor Jahren als Pfarrer des Jahres gewählt. Kann Herr Stäblein, auch damit auf warten?!Der Zusammenhalt in den SELK Kirchengemeinden ist größer, als in den Kirchengemeinden der Amtskirche.Wo Anonymität vorhanden ist.Ein Ruck muss gehen, was die Kirchenleitung der EKBO betrifft. Nicht weiter so, wie bisher, sondern anders, mit Herz.Wieviel Kirchenglieder hatte die EKBO zu Beginn der ASmtszeit von Herrn Stäblein.Wieviel hat sie jetzt?Nicht ab, um aussitzen ist gefragt, sondern pastoralen Dienst.KLirche für andere sein, wie Dietrich Bonhoeffer es formulierte, dann hat die Kirche eine relle Überlebenschance.
2. Taufe Konfrimation Horst H. Krüger Mein Vorschlag: Verzcht auf die Konfirmation und statt dessen eine Kindersegnung und die Taufe dann Statt der Konfirmation. Taufe als Glaubenstaufe und Aufnahme in die Kirche, da spielt dann das Alter keine Rolle mehr wenn der Wunsch des Gläubigen vorhanden ist.
3. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.

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