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Bittende Frau

Anhand von ­Gemälden greift Pfarrer Ralf-Günther Schein die Themen der Sonntage zwischen Erntedank und Ewigkeitssonntag auf. Was können sie uns für heute mitgeben? In dieser Ausgabe geht es um die Begegnung Jesu mit der kanaanäischen Frau

Miniatur aus dem Egbert-Codex aus Trier zur Kanaanäischen Frau (Matthäus 15,26ff.). Egbert-Codex, Handschrift 24,fol.35v Repro: Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier/Stadtarchiv Trier

Von Ralf-Günther Schein

„Die Kraft des Glaubens“ ist das Leitthema am 17. Sonntag nach Trinitatis. Das Evangelium nach Matthäus (15,21ff.) erzählt von der Glaubenskraft einer Frau, die nicht zum ­jüdischen Volk gehört.

Jesus ist nach einer Ausein­andersetzung mit den Pharisäern enttäuscht über den geheuchelten Glauben seiner Landsleute. Er ­wandert mit den Jüngern in das ­heidnische Gebiet nördlich von ­Galiläa. Jesus sagt: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir“ (Matthäus 15,8).

In der Fremde wird Jesus von einer kanaanäischen Frau angesprochen. Sie muss von seiner Fähigkeit Wunder zu wirken gehört haben und bezeichnet ihn als „Sohn Davids“. 

Jesus fühlt sich nicht zuständig


Da ihr Kind „von einem bösen Geist übel geplagt wird“, bittet sie als eine ­sorgenvolle Mutter lautstark um ­Erbarmen und Hilfe. Doch Jesus und seine Jünger fühlen sich hier in der Fremde nicht zuständig. Seine ­Sendung, seine Zeit, seine Kraft gelten den Kindern Israels. Ihnen sollen Augen und Herzen aufgehen für die kommende Heilszeit, die Gott schenken will.

Doch die besorgte Mutter lässt in der Liebe zu ihrem Kind nicht locker Jesus zu bitten. So erteilt sie am Ende ihm und seinen Jüngern mit ihrer Hartnäckigkeit eine Lektion. Die Frau macht deutlich, dass Gottes Heils-willen nicht an Ländergrenzen Halt macht. Als Jesus sagt: „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“ Die Frau antwortet: „Aber doch essen die Hunde die Brosamen, die unter den Tisch ihrer Herren fallen.“ Jesus ist überrascht von der Stärke, dem Mut und der Echtheit des Glaubens dieser Frau. So erfährt sie Hilfe und „ihre Tochter wurde gesund zu ­derselben Stunde“.

Dieser Begegnung Jesu mit der heidnischen Frau hat das Perikopenbuch des Bischof Egbert aus Trier (977–993) zwei Szenen gewidmet. Das Buch entstand um 985 im Stil der ­Reichenauer Malerschule. Auf den Bildern wollte man vor allem den theologischen Aussagen der Evangelientexte Ausdruck verleihen. Dabei spielten die dargestellten Gebärden und die Farben eine wichtige Rolle. Der Malermönch aus Reichenau zeigt die Bitte und Erhörung der Frau und die Veränderung im Verhalten Jesu mit ein­fachen Mitteln.

Die Kleidung Jesu und der Frau haben dieselben Farben


Knappe Worte kennzeichnen die handelnden Personen auf den Miniaturen. So steht „CHANANEA“ über der Frau. Sie trägt eine weiße Tunika und ein violettes Obergewand mit goldenem Saum. Ihre geöffneten Hände sind ausgestreckt und damit Ausdruck der Bitte um Heilung ihrer kranken Tochter. Dabei bewegt sich die Frau auf Jesus zu, doch er wendet sich – eingerahmt von zwei Jüngern – von der Fremden ab. Seine ­segnende Handhaltung drückt aus, dass er mit seinen Jüngern als Lehrer im Gespräch ist. 

Mit den Buchstaben „IHC XPC“ und dem goldenen Nimbus ist Jesus als der Christus gekennzeichnet. Das verhüllte Buch in seiner linken Hand kennzeichnet ihn zugleich als das „fleischgewordene Wort Gottes“. Auffallend ist, dass er, wie die Frau, eine weiße Tunika und ein purpurnes Obergewand trägt.

Der Apostel links neben Jesus – als „PETR“  gekennzeichnet – wendet sich mit einem Redegestus Jesus zu und will ihn dazu bringen, das nervige Geschrei der Frau nicht zu beachten. Der andere Jünger, nur mit „AP“ für Apostel benannt,  hebt sogar abwehrend beide Hände und ist im Begriff weiterzugehen.

Die zweite Miniatur macht das Drängen der kanaanäischen Frau noch deutlicher. Sie verneigt sich vor Jesus, wie man sich damals vor einem König verneigte und ihre Hände sind noch weiter geöffnet. Jesus, der jetzt aus dem abweisenden „Rahmen“ der beiden Jünger heraustritt, wendet sich nun der bittenden Frau ganz zu. Er spricht mit ausgestrecktem Arm und der Segensgeste zu ihr und deutet damit die Worte des Evangeliums an: „Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe wie du willst. Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.“

Der Malermönch hat die besondere Verbindung zwischen Jesus und der heidnischen Frau durch die schon erwähnte identische Kleidung beider gekennzeichnet. Er wertet sie und ihren Glauben damit auf und macht sie zu einem Sinnbild für die Kirche aus den heidnischen Völkern, deren Haupt Jesus Christus ist.

Das rot-violette Purpur war lange die Farbe der Gewänder römischer Kaiser und galt – auf Christus ­bezogen – als Zeichen seiner Weltherrschaft. Violett ist zu gleichen Teilen aus Rot und Blau gemischt, den Farben des Blutes und des ­Himmels. Es gilt als Verbindung des Menschlichen und Göttlichen.

Alle Völker sind eingeladen, sich Jesu Predigt zu öffnen


Jesus, der Gottessohn, trägt darum oft in der Passion ein violettes Gewand, als Ausdruck der Voll­endung seiner Menschwerdung. Mit dem goldenen Saum an beiden ­Gewändern wird die Dimension der Ewigkeit angedeutet. Weiß ist die Farbe der Reinheit, der Vollkommenheit, des Sieges und des Lichts, der Verklärung und der Auferstehung Jesu. Durch die identische Farbgebung der Gewänder von Jesus und der ­Kanaanäerin macht der Maler auch deutlich, dass über diese Geschichte hinaus alle Völker eingeladen sind, sich dem heilsamen Reden und Handeln Jesu zu öffnen, seinem Sieg der Auferstehung und dem ­Geschenk des ewigen Lebens.

Im zweiten Bild zum Evangelium neigen sich nun auch die Jünger der Frau zu. Mit der Hand am Herzen ­begreift Petrus, dass Jesu Wirken über die Grenzen Israels hinaus weist, die besondere Erwählung des jüdischen Volkes wird damit nicht in Frage gestellt. Petrus trägt ein rotes Gewand, das schon auf seinen Märtyrertod weist. Die Frau statuiert mit ihrem Glaubensmut ein Exempel. Sie hilft Jesus und den Jüngern Grenzen zu überspringen. In der frühen Christenheit hat man noch lange um diese Grenzüberschreitungen gerungen. Für uns heute ist es selbstverständlich, nicht nur im Blick auf die ­Ökumene.

Dieses Evangelium kann uns in „einer schlaffen und glaubensarmen Zeit“ (Evangelisches Gesangbuch  136,2) Ermutigung sein, nicht damit nachzulassen, Gott mit unserem Drängen und Beten in den Ohren zu liegen.

Die auf den Miniaturen dar­gestellte Verbindung zwischen Jesus und der bittenden Frau sind ein Sinnbild dafür, dass sich Christus zu denen beugt, die gebeugt sind vom Kummer und von Dämonen der Angst.  So können wir uns – aufgerichtet von IHM – aufrichtig den Nöten des Alltags zuwenden. Vom Mut und der Hartnäckigkeit jener Frau und der Offenheit Jesu dürfen wir uns anstecken lassen, um der Nächstenliebe willen Grenzen zu überschreiten. Denn Gottes grenzenlose Barmherzigkeit ist nicht rationiert, beschränkt oder begrenzt auf bestimmte Volkszugehörigkeit oder Inhaber eines Taufscheins. Und die Kraft des Glaubens hat einen weiten Horizont.

Die kanaanäische Frau
Zu Matthäus 15, 21–28 

Da geht ein Leben vor die Hunde, unter den Tisch gefallen, geplagt von brotlosen Künsten und Dämonen.

Die Brosamen der Reichen müssen reichen, doch reichlich sind sie nicht.

Doch nun reicht`s, Du Sohn Davids!

Lass uns mit Gott über Mauern springen,
mach aus Brotsamen Samen für das Brot des Lebens.

Denn ich glaube an den weiten Horizont deiner Güte.

Sie lässt kein Leben einfach so unter den Tisch fallen!

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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