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Corona-Leugner und Impfgegner machen gegen Kirchen mobil

In uckermärkischen Kirchen und in der Berliner Gethsemane­kirche kam es zu Übergriffen und Störungen von Gottesdiensten. Das wollen sich Verantwortliche in den Gemeinden nicht gefallen lassen.

Kiezanwohner, die am Montagabend zahlreiche Botschaften über den Platz vor der Gethsemanekirche gespannt hatten. Unter anderem: "Schutz für dieses besondere Gotteshaus". Foto: Uli Schulte-Döinghaus

Von Uli Schulte-Döinghaus

Der „Judenstern“ machte das Morden einfacher. Wer ihn trug, war logistisch leicht auszusortieren, vogelfrei für Deportation und Vernichtungstod. So konnte der nationalsozialistische Terror wüten, während die meisten Deutschen wegsahen oder zustimmten. Kaum ein Symbol prägt wohl seine Zeit so sehr wie der „Judenstern“ die Jahre der Vernichtung des europäischen Judentums.

Heute erlauben sich Corona-Leugner, Neofaschisten und Impfgegner die Unverschämtheit, während Demonstrationen nachempfundene „Judensterne“ mit der Inschrift „ungeimpft“ zu tragen oder als Aufkleber unentdeckt an Wänden anzubringen. Größenwahnsinnig fantasieren sie sich in die Nachfolge von Menschen, die verfolgt und vernichtet wurden. Kirchen und kirchliches Eigentum in der Uckermark (also rund um Prenzlau) wurden in der Weihnachtszeit gezielt zu Objekten, die mit „ungeimpft“-Aufklebern beklebt wurden. Besonders heftig wurde die weihnachtliche EKBO-Kampagne „Jetzt ist die Zeit der Freude“ verunstaltet.

„Das ist tatsächlich eine Besonderheit, die wir hier nicht kannten“, kommentiert Reinhart Müller-Zetzsche, Superintendent des Kirchenkreises Uckermark. Die betroffenen Kirchengemeinden hätten Straf­anzeige wegen des Verwendens von Nazi-Symbolen bei der hiesigen Polizei gestellt, sagt Müller-Zetzsche. „Außerdem ist es Sachbeschädigung, unsere Sachen mit solchem Müll zu bekleben“, sagt der Chef des Kirchenkreises, zu dem zehn Pfarrsprengel gehören.

Offenbar waren und sind uckermärkische Kirchen zu Angriffszielen von Corona-Leugnern und Impfgegnern geworden, weil dort die Corona-Regeln sehr genau umgesetzt werden, um die Besucher zu schützen, mit Abstandsgeboten in den Bankreihen, Auflagen für Gemeinde- und Chorgesang, Maskenpflicht während Veranstaltungen und Gottesdiensten. Die Maskenpflicht sei vereinzelt von Gottesdienstbesuchern in Familienstärke missachtet worden, „offenbar, um zu provozieren“, sagt Superintendent Müller-Zetzsche. Vergesslichkeit könne nicht der Grund sein, frische Masken gibt es an jedem Kircheneingang. 

Diese Besucher, grummelnd und kopfschüttelnd, seien aus dem Gottesdienst hinauskomplimentiert worden. Unverständlich sei es, dass ihre Provokation später teils achselzuckend, teils sogar zustimmend von anderen Gottesdienstbesuchern kommentiert wurde: „Na, so streng hätte der Pfarrer auch nicht sein müssen!“ „Schon seltsam“, sagt Pfarrer Reinhart Müller-Zetzsche am Telefon, „dass dann nicht der kritisiert wird, der die Regeln verletzt, sondern derjenige, der den Regelverstoß sichtbar gemacht hat.“

Einer seiner uckermärkischen Amtskollegen, Pfarrer Thomas Dietz, wird aktuell dafür kritisiert, dass er mit öffentlich gebotenen Vorsichtsmaßnahmen am und im Evangelischen Seniorenzentrum Gutshaus Ludwigsburg fahrlässig umgehe. 

Es gab bereits Beschwerden. Auf einen Gastkommentar von Dietz in der Zeitung zum Thema Corona – zu finden auf der Webseite des Pfarrsprengels – schrieb Müller-Zetzsche gar eine Replik. 

Pfarrer Dietz im Pfarrsprengel Schönfeld ist kein Befürworter der Corona-Schutzmaßnahmen. Er sieht die Seelsorge und die Weitergabe der christlichen Botschaft in Gefahr. Seine Positionen äußert er offen und lädt in kirchlichen Räumen zu Veranstaltungen mit Kritikern ein. Im Gutshaus Ludwigsburg, wo von der Kirchengemeinde einzelne Seniorenwohnungen vermietet werden, besteht keine Maskenpflicht und auf der Homepage des Pfarrsprengels www.kirche-schoenfeld.org sind unter „Sonstiges“ offene Briefe zur Corona-Krise und auch Manuskripte von Vorträgen von Kritikern der Corona-Infektionsschutzmaßnahmen nachzulesen. 

Auf einer von Dietz’ Veranstaltungen lauschten 80 Zuhörer in der Malchower Kirche den Verlautbarungen eines Redners – dicht an dicht und maskenfrei, wie Zeitungsfotos zeigen. Das zuständige Ordnungsamt unternahm offenbar nichts, und Superintendent Müller-Zetzsche wundert sich über eine gewisse „Luschigkeit“, die sich in der Region breitgemacht habe – im Einzel­handel und der Gastronomie, aber auch bei Ämtern und Behörden. Und trotzdem:  Was zählt, ist im Gespräch bleiben.

„Maske auf“ lautete hingegen der eindeutige Aufruf des „Gethsemane-Kiezes“, an den sich am Montagabend alle rund 100 Teilnehmer hielten. Sie hatten sich vor der Gethsemane-Kirche in Berlin-Prenzlauer Berg versammelt, auch um gegen die missbräuchliche Verwendung des Begriffs „Montagsdemo“ zu protestieren, der von Corona-Leugnern und Impfgegnern im Viertel fast an jedem Wochenanfang missbraucht wird. Das wollen die Nachbarinnen und Nachbarn der „Gethsemane­kirche“ nicht hinnehmen, die vor und während der Zeit der friedlichen Revolution 1989/1990 Zufluchts- und Versammlungsort für DDR-Oppositionelle und Friedensaktivisten war.

Von diesem Gotteshaus und ihren Gemeindegliedern gingen Impulse für Demokratie und Freiheitswillen aus. „Schutz für diese besondere Kirche“, stand am Montag auf einem der handgefertigten Banner, die von Kiezbewohnern an eine Wäscheleine quer über den Platz geklammert waren. Aljona Hofmann, Pfarrerin der Gethsemane­kirchengemeinde würdigte vor den versammelten Nachbarinnen und Nachbarn deren bürgerschaftliches Engagement. Sie erinnerte an Krawalle und Geschmacklosigkeiten – „ich dachte, ich bin im falschen Film“ –, mit denen Impfgegner und Corona-Leugner kurz vor Weihnachten „Politische Andachten“ störten, weil sie die Widerstands­geschichte der „Gethsemanekirche“ für sich reklamieren wollten. Um dies zu verhindern, versammelt sich der „Gethsemane-Kiez“, zu dem auch zahlreiche Gemeindeglieder gehören, regelmäßig an Montagabenden.

Auf Twitter ist die zivilgesellschaftliche Gruppe der Gegendemonstranten unter @gethsemane_kiez unterwegs und berichtet über die Ereignisse rund um die Gethsemanekirche.

Nach den letzten Ereignissen in Wittenberge und der Region riefen der Kirchenkreis Prignitz und das Demokratieforum Wittenberge am 11. Januar zu einer Veranstaltung unter dem Motto: „Aushalten – Innehalten – Gegenhalten“ in Wittenberge auf – eine öffent­liche Aktion mit Superintendentin Eva-Maria Menard, Bürgermeister Oliver Hermann und vielen anderen. In der kommenden Ausgabe Nr. 3 von „die Kirche“ werden wir darüber berichten. Unsere in der Prignitz ansässige Reporterin Susanne Atzenroth war vor Ort und hat Eindrücke gesammelt.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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