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Dankbare Erinnerungen

3. Oktober: 30 Jahre Wiedervereinigung. Zwei junge Frauen, beide geboren in den alten Bundesländern, heute in Berlin Pfarrerinnen, erinnern sich.

Deutsche Einheit
Foto: Bernd Scheumann/CC0

Von Rebekka Weinmann und Lena Müller

Ich erinnere mich: Ich war sechs Jahre alt, als meine Eltern mich gefühlt mitten in der Nacht weckten und sagten: „Du musst jetzt fernsehen.“ Dann saß ich da mit meinen Schwestern und wir sahen die berühmten Bilder der Menschen, die um und auf der Mauer tanzten.  

Ich erinnere mich, wie eine alte Dame mir erzählte, was für eine ­Befreiung es für sie war, endlich in der Natur der Mark Brandenburg spazieren ­gehen zu können. 

Ich erinnere mich, wie meine Mutter unsere Nachbarin bat, bei ihrer Verwandtschaft im Osten ­einen Milchtopf zu bestellen. 

Ich erinnere mich, dass meine Kollegin sich immer selbst auf Fotos suchte, weil sie damals dabei war, auf der Mauer. 

Ich erinnere mich, wie mir meine Brieffreundin aus Südkorea schrieb, dass sie von einer Fried­lichen Revolution wie in Deutschland auch für ihr Land träume. 

Ich erinnere mich, wie ein Freund, geboren in Meißen, mir seinen Impfpass zeigte und ich neidisch war, weil der so schön rot war. 

Ich erinnere mich, dass mir meine Eltern nach ihrer Ägyptenkreuzfahrt verwundert von ihren ersten Gesprächen mit Menschen aus den neuen Bundesländern ­berichteten. Ich erinnere mich, wie ein Freund mir erzählte, dass er mit vier Jahren von der Staatssicherheit verhört worden war, weil er eine Postkarte an ­einem Luftballon aufsteigen ließ, in der Hoffnung, ­jemand würde ihm antworten.

Ich erinnere mich und ich bin dankbar für meine Freunde aus Leipzig, der schlesischen Ober­lausitz, Marzahn, dem Vogtland, ­Branden-burg,  die ich nie hätte kennenlernen können, die ich liebe. Ich bin dankbar, dass wir ­zusammen spontan nach Rügen fahren können. 

Ich bin dankbar dafür, dass wir wie selbstverständlich zusammen mit einem Bier in der Hand im ­Mauerpark sitzen können und die ganze Nacht diskutieren, ohne Angst haben zu müssen, die eigene Meinung zu ­sagen. Ich bin dankbar für unsere Meinungsfreiheit. 

Ich bin dankbar, dass ich mit meinem Opi einfach so durchs Brandenburger Tor laufen kann und er mir erzählt, wie es war, als alles noch anders war. 

Ich bin dankbar, dass ich rausfahren kann nach Brandenburg, an den See, zum Pilze sammeln und Endmoränen bewundern. 

Ich bin dankbar, dass ich mir ­aussuchen durfte, dass und was ich studiere. Ich bin dankbar dafür, wenn wir vormittags im Schrebergarten ­Äpfel ernten, die uns nachmittags mit Streuseln und Schlagsahne glücklich machen. 

Ich bin dankbar, dass ich keine Angst haben muss, wenn ich von Hessen nach Thüringen fahre. Ich bin dankbar, dass meine Nachbarin vor ihrem Tod noch einmal von ihren Nichten und Neffen umarmt wurde und vor Glück strahlte. 

Ich bin dankbar, dass es Berliner Kinder gibt, die sich gar nicht mehr vorstellen können, wie es war, als ihre Stadt mal geteilt war. 

Ich bin dankbar für das Wunder der Friedlichen Revolution und den Mut derer, die damals auf die Straße gingen und „der Stadt Bestes“ suchten. Ich bin dankbar für alle, die auch heute noch der Stadt Bestes suchen und für sie zu Gott beten; denn so spricht Gott: „Wenn’s ihr wohl geht, so geht’s euch auch wohl. Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“ (Jeremia 29,7+11).

Rebekka Weinmann (links) ist Pfarrerin und Lena Müller Vikarin in der Berliner Kirchen­gemeinde Tiergarten. Lena Müller ist 1991 in Viernheim geboren und Rebekka Weinmann 1983 in Mainz. 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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