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Das Warten geht weiter

Für die Betroffenen bringt der jüngste Bundestagsbeschluss in Sachen Organspende keine Wende

Organspendeausweis Kirche
Organspendeausweis. Foto: pixabay

Von Sibylle Sterzik (mit epd)

Frank D. hatte Glück. Er wartete nicht lange auf ein neues Herz. Trotzdem war es „die Hölle für ihn“, sagt seine Freundin Sabine Hoffmann. Er bekam kaum Luft und war so schwach, dass er sich kaum allein bewegen konnte.  

Die medizinischen Möglichkeiten der Transplantation sind weit fortgeschritten. Dabei ist es in diesem Jahr gerade 70 Jahre her, dass die erste Organübertragung beim Menschen glückte. Am 17. Juni 1950 gelang Richard Lowler und James West im Little Company of Mary Hospital in Chicago die erste Transplantation einer Niere und damit die erste Organverpflanzung von Mensch zu Mensch in der Geschichte der ­Medizin. 

Ein zweites Leben

Auch Frank D. bekam durch die Transplantation ein zweites Leben geschenkt. Es dauerte knapp vier Jahre. Für ihn war es eine zweite Geburt. „Er konnte noch sehen, dass seine Tochter Abitur gemacht hat“, erinnert sich Sabine Hoffmann. Bis er starb, sagte er jeden Tag: ,Es ist das größte Geschenk, das ich jemals bekommen habe.‘“ Eine weitere Transplantation überlebte er nicht.  

Fast 10 000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan, um überleben zu können, unter ihnen viele Kinder. Darunter sind auch rund 1800 von Blindheit bedrohte Menschen, die auf der Warteliste für eine Augenhornhaut stehen. Dem stehen 932 Organspender im Jahr 2019 gegenüber. Deutschland ist damit Schlusslicht in Europa. Um die Zahl zu erhöhen, wollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Gesetz auf den Weg bringen, durch das jede Bürgerin und jeder Bürger automatisch Organspendende werden, es sei denn sie widersprechen. 

Doch der Bundestag entschied anders. Er beschloss am 16. Januar mit einer deut­lichen Mehrheit, dass es bei der bisherigen Zustimmungslösung bleiben soll – mit einigen Ergänzungen. Diese sehen vor, dass Bürgerinnen und Bürger stärker sensibilisiert werden sollen. Mindestens alle zehn Jahre sollen sie 

direkt auf das Thema angesprochen werden. Wer ab dem Alter von 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll auf dem Amt Informationsmaterial bekommen. Beim Abholen soll man sich im Amt oder später zu Hause in ein neues Online-Register eintragen können – mit Ja oder Nein. Hausärzt*innen als Vertrauenspersonen sollen regelmäßig über die Organspende und Fragen dazu beraten. 

Fazit: Organe und Gewebe dürfen nach dem Tod weiterhin nur entnommen werden, wenn die Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat, einen Organspendeausweis besitzt oder die Angehörigen der Entnahme zugestimmt haben. Das Warten auf ein Organ geht also weiter.  

„Die Entscheidung macht mich traurig. Für die Menschen, die auf Organe warten, wurde damit keine Entscheidung getroffen, die ihre ­Situation verbessert“, sagt Sabine Hoffmann. Dabei seien 68 Prozent der Bevölkerung bereit, ein Organ zu spenden. Das haben Umfragen im Vorfeld der Abstimmung ergeben. Und in den Fällen, in denen ein Hirntod vorliegt und die für eine Organspende in Betracht kommen, liegt die Zustimmungsrate in Deutschland bei 75 Prozent. Dennoch besitzen trotz Spenderwillen nur 38 Prozent einen Organspendeausweis.

Vermutlich hatten neben den Kritikern in den Bundestagsfraktionen, vor allem der Grünen, FDP und Linken, an der Widerspruchslösung auch die Kirchen ihren Anteil an dieser Entscheidung. In einem Brief an alle Abgeordneten des Bundestags hatten evangelische und katholische Kirche „erhebliche rechtliche, ethische und seelsorgerliche“ Bedenken geäußert. Der Staat „würde damit tief in den Kern­bereich der menschlichen Existenz eingreifen“, hieß es darin. 

Kirchen begrüßen Beschluss

So begrüßten beide großen Kirchen denn auch die Entscheidung der Parlamentarier*innen in einer gemeinsamen Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD. Auch die kirchlichen Wohlfahrtsverbände und der Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) begrüßten, dass die Organspende freiwillig bleibt. 

Diakoniepräsident Ulrich Lilie sagte, jetzt müsse es vor allem darum gehen, diese freiwillige Entscheidung in der Praxis qualifiziert umzusetzen, sodass sich viele Menschen gut beraten fühlen. Auch die Kirchen betonten in ihrer Erklärung, die Gesellschaft sei nun als Ganze herausgefordert, alles zu unterstützen, was die individuelle Organspendenbereitschaft befördert. Caritas-Präsident Peter Neher wies darauf hin, dass die Abläufe in den Krankenhäusern im Hinblick auf Betreuung und Information „erheblich verbessert werden können, damit mehr Organe gespendet werden“. 

Enttäuscht zeigte sich der Chef des großen diakonischen Trägers Bethel, Ulrich Pohl. Er sagte dem epd, eine Chance sei vergeben worden, den schwer kranken Menschen, die auf eine Organspende warten, besser zu helfen als bisher. Scharfe Kritik übte auch der Leiter der Stiftung Eurotransplant, Bruno Meiser. Der Mediziner, der das Transplantationszentrum des Klinikums der Universität München leitet, erinnerte daran, dass vor 20 Jahren ähnliche Regelungen in den Niederlanden beschlossen wurden. Das habe zur niedrigsten Spenderate in ganz Europa geführt.

Das befürchtet auch Jens-Peter Erichsen. Der Pfarrer für Bildung und Ehrenamt im Kirchenkreis Oderland-Spree lebt seit 22 Jahren mit einer gespendeten Niere und ­findet es „schade, dass die Hoffnung vieler Betroffener, die auf eine Verkürzung der Wartezeit auf eine lebensrettende Transplantation durch die Widerspruchslösung gehofft hatten, nun nicht erfüllt wird“. Obwohl die Praxis in anderen Ländern zeige, wie hilfreich sie für Menschen sein könne, die auf eine Organtransplantation angewiesen sind, sei sie nicht mehrheitsfähig gewesen. Mit dem jetzigen Beschluss verbinde er „wenig Hoffnung auf eine signifikante Steigerung der Transplantationszahlen“.

Auch wenn das Ergebnis aus Sicht der Betroffenen mehr als enttäuschend ist: Viele Menschen beschäftigen sich nun mit dem Thema. 

Aufgrund der vielen Klicks war die Internetseite „organspende-info.de“ zeitweise nicht erreichbar, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die die Seite betreibt, mitteilte. Um den Effekt geht es: sich zu informieren und zu entscheiden. Damit Ärzte im Notfall handeln können und Angehörige im Ernstfall nicht selbst die erdrückende Last der Entscheidung tragen müssen. 

Mehr unter Informationen finden Sie unter: www.organspende-info.de 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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