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Der Pfarrer der Wende

Martin-Michael Passauer wird 80 Jahre alt. Stimmen von Weggefährten.

Martin-Michael Passauer. Foto: epd

Vergebung und Versöhnung zu leben und zu stärken, dafür steht der Theologe Martin-Michael Passauer. Als Pfarrer in Ostberlin war er eine wichtige Identifikationsfigur während der Friedlichen Revolution und als Berliner Generalsuperintendent vermittelte er in den 1990er Jahren zwischen Ost und West. Am 20. Januar wird Martin-Michael Passauer 80 Jahre alt.

Begegnungen auf Augenhöhe


Von Michael Heinisch-Kirch

„Wie heißt noch mal der Mann mit dem nach Star Wars klingendem Kirchentitel, der mit ohne Haare?“, fragt mich eine aus Bosnien ­stammende Erzieherin im SozDia-Jugendklub Tube in Berlin-Lichtenburg. „Ick will wissen, was er sagt: Ist Kirche Grund für Krieg und Vertreibung? Oder ­Lösung bei Streit?“ Ihre Beschreibung ist ganz eindeutig: „Du meinst den Ex-General­superintendenten Martin-Michael Passauer“, sage ich, „da bist du bei ihm genau richtig!“

Sie kennt Martin-Michael Passauer aus ­diversen Veranstaltungen, die er in unserer SozDia mit­gestaltet. Ihm geht es in unserer diakonischen Arbeit vor ­allem um die Menschen in unseren Einrichtungen, um die Frage nach dem Sinn der Arbeit derer, die dort tätig sind. Was das mit Kirche zu tun ­haben könnte. Nein, das stimmt nicht, es geht ihm darum, was das Wirken und Sein der Menschen mit unserem Zusammenleben und ­unserer Zukunft zu tun hat. Für  ­Passauer ist dies wohl dasselbe.

Ja, ich kann sicher sein, auch die Erzieherin mit ihrer persönlichen Geschichte ist bei Martin-Michael Passauer genau richtig. Er wird ihr auf ­Augenhöhe begegnen, interessiert daran, was sie zu sagen hat. 

So habe ich Passauer vor 40 Jahren in Ostberlin als Stadtjugendpfarrer kennengelernt. Unverändert bis heute: Der Schlüssel für ihn ist die Begegnung von Menschen. Das Interesse am ­Anderen. Das Zuhören. Nicht als Kirchenfürst, sondern als Mensch, mit dem Wissen um die eigene Fehlbarkeit!

Und so begegneten wir uns zum Beispiel nicht ganz zufällig im Juni 1989 in der Sophienkirche an­gesichts mehrerer tausend Stasi-Schergen. Sie hatten die Kirche ­umstellt. In die Kirche hatten sich ein paar Dutzend Menschen ­ge­rettet, Regime-Kritiker, die sich angesichts des DDR-Wahlbetruges den Mund nicht mehr verbieten ­lassen wollten. 

Wir brüllten uns mit eher kurzen Hauptsätzen öffentlich an, was jetzt zu tun sei. Passauer als Pfarrer, ich als Demonstrant. Verhandeln? ­Konfrontieren? Eskalieren? Beten? Martin-Michael Passauer und ich waren alles andere als beste Freunde. Es wusste ja niemand, das später der Begriff „Friedliche Revolution“ in der Rückschau erfunden werden würde – die logische und wahrscheinliche Perspektive war Einsperren und „Sonderbehandlung“ durch die ­Stasi. Die Erlebnisse dieser Zeit prägen Martin-Michael Passauer bis heute. Das Übernehmen von Verant­wortung und die beständige Suche nach friedlichen Lösungen, egal wie schlecht die Ausgangs­bedingungen sind, das ist er.

Unsere Kirche hatte eine Sternstunde, als sie ihn zum General­superintendenten berief. Die Auf­gabe seit den 1990er Jahren ganz klar: Die seit Generationen völlig unterschiedlich sozialisierten Kirchen, die Ost- und West-Kirche, zu gemeinsamer Verständigung zu führen. Verständigung gibt es nur in der Folge von Begegnung, ­„Brücken“ müssen eben erkannt oder neu gebaut werden. Also nimmt er sich die Zeit, organisiert Visitationen in allen Gemeinden und Kirchenkreisen, und fragt ­dabei unablässig nach den diakonischen Akteur*innen im Umfeld. Denn durch Diakonie wird Kirche für sehr viele Menschen konkret.

Unlängst antwortete er auf die Frage, weshalb er sich eigentlich – obwohl doch längst aus dem Dienst als Generalsuperintendent aus­geschieden – noch immer in der diakonischen SozDia-Stiftung engagiert: „Wenn ich die SozDia als Bild vor Augen habe, dann sehe ich viele Farben. Es ist ganz bunt, kraftvoll und voller Bewegung.“ Ja, lieber Martin-Michael Passauer, genau da gehörst du dazu. Bis dann!

Sozialdiakon Michael-Heinisch Kirsch ist Vorstandsvorsitzender der SozDia-Stiftung mit Sitz in Berlin.

Feiner Humor


Von Sibylle Sterzik

Martin-Michael Passauer vergisst nicht. Seine Karten, Briefe oder E-Mails zum Geburtstag oder zu besonderen Ereignissen sind ein Fest und Wertschätzung pur. Er dankt nicht nur für den Dienst an und in der Kirche, er würdigt detailliert und mit Menschenkenntnis, wofür sich jemand einsetzt und wie er oder sie das tut. Er zeigt sich nahbar und stellt sich unterstützend hinter den Jubilar, die Jubilarin. Jedes Geburtstagskind, jeder Adressat fühlt sich von ihm gesehen und erkannt. Niemals amtlich oder in Behördendeutsch, immer von Herzen kommend und mit dem genauen Blick für die Fähigkeiten eines Menschen. Unzählige Male tat er das auch in Artikeln in der Kirchenzeitung. Oft gab er den entscheidenden Hinweis, damit jemand nicht vergessen wird. Wir als ­Redaktion gratulieren ihm von Herzen und wünschen ihm, dass er gesund bleibt, von Gott jeden Tag gesehen wird und seinen wachen Blick für Menschen und ­Ereignisse und seinen feinen ­Humor behält. 

Mit geöffneten Armen


Von Ellen Ueberschär

Mein Anfang mit Martin-Michael Passauer war ein Abschied. Sein ­Abschied aus dem Stadtjugendpfarramt in Berlin in den frühen 1980ern. Ein Hauch von Freiheit, Gottvertrauen und jugendlicher Aufbruchstimmung lag in der ­Sophienkirche. „Passi“ machte gar nicht viel. Ohne dass ich genau ­erinnere, was er sagte: Er gab uns Worte und Mut und Hoffnung mit auf den Weg, die uns aufrecht durch den demütigenden DDR-­Alltag ­gehen ließen. 

Viel später schrieb er rück­blickend von der „Kraft der Kirche“, die im Fasten und Beten, zwei sehr alten christlichen Tugenden, ­steckte. „Vor allem bei jüngeren Christen“, so Passauer, sei es sehr beliebt gewesen. Und ich war eine von ihnen, denke ich und füge ­hinzu: Ohne die Ermutigung zur Wachheit und Nüchternheit, den richtigen Zeitpunkt zum Handeln nicht zu verschlafen, wären wir nie darauf gekommen, dass Fasten und Beten wirksame Mittel gegen ­politische Bedrückung wären. Ohne die Anleitung zur Gelassenheit ­hätten wir nicht erfahren, dass die alten christlichen Tugenden wirksame Mittel gegen den tristen ­Alltag sein könnten. 

Wenn es eine Geste gibt, die ­Passauer beschreibt, dann sind es die zur Umarmung geöffneten ­Arme. Die symbolische Bereitschaft zur Versöhnung, zur Vergebung war und ist ein Markenzeichen ­seines Wirkens in den Ämtern, die er innehatte. 

Das bedeutet keineswegs, dass Passauer nicht gewusst hätte, worauf es ankommt und ­wohin es gehen soll. Er war und blieb über den ­Parteien, weil er­ ­seiner Rolle als Vermittler und ­Versöhner treu bleiben wollte – in der Kommission zur Aufarbeitung der Polizeigewalt am 7./8. Oktober 1989, als Sachverständiger der ­Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, als Generalsuperintendent des wiedervereinigten Berlins und nicht zuletzt als Vorsitzender des Kuratoriums der St. Elisabeth-Stiftung. 

Die diakonische Seite von ­Martin-Michael Passauer – die ­übrigens in seinem Wikipedia-­Eintrag fehlt – ist die logische ­Fortschreibung seiner vermittelnden Grundhaltung. Mit großer Menschenkenntnis und Freude ­begleitet er bis heute die soziale ­Arbeit der Kirche. 

Ellen Ueberschär ist Vorständin der Stephanus-Stiftung mit Sitz in Berlin. 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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