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Drei Häuser für Hirschluch

Mit dieser Ausgabe startet „die Kirche“ eine Fastenreihe. Sie ist angelehnt an die Fastenaktion der Evangelischen Kirche: „Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus“. Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft erzählen, wofür sie sich einsetzen und warum sie sich von Gegenwind nicht entmutigen lassen.Los geht es mit der Hausleiterin der Evangelischen Jugendbildungsstätte Hirschluch in Brandenburg. Barbara Hink wurde nicht nur einmal belächelt. Trotz Gegenwind ließ sie nicht locker, um die nicht nur mit einem neuem Anstrich, sondern mit neuen Häusern ins 21. Jahrhundert zu holen.

Jugendbildungs- und ­Begegnungs­stätte ­Hirschluch
Eine Fastenwandergruppe 2019 in der Jugendbildungs- und ­Begegnungsstätte ­Hirschluch nahe Storkow.

Von Barbara Hink

Fasten ist wie ein Großputz im eigenen Haus, das unsere Seele schon neun Monate vor der Geburt bezogen hat. Da zu jedem sich lösenden körperlichen Knoten auch seelischer Inhalt gehört, gehen Körper und Seele Hand in Hand.

Oft laufen wir Gefahr, einfach nur so dahinzuleben und uns von unseren Bedürfnissen leiten zu lassen. Unsere Gefühle vermischen sich immer wieder mit den negativen Emotionen unseres Umfelds. Vielleicht fühlt es sich an, als lege sich eine Staubschicht aus Lustlosigkeit und Routine auf unsere Seele. 

Mit jedem auf Augenhöhe
Bevor ich nach Hirschluch kam, spielte ich mit dem Gedanken, Kinderdorfmutter zu werden. Bei einer Supervision fragte man mich, was das Wichtigste sei, das mir meine ­Eltern mitgegeben haben. Meine Antwort kam ziemlich schnell: „Mit allen Menschen auf Augenhöhe zu reden.“ Egal ob ich mit einem Kind den Sand bewundere, für das Zeit noch keine Rolle spielt, ob ich mit dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck bei einer Begegnung ein Gespräch führe oder mit einem Nachbarn über’n Gartenzaun.

Am gleichen Abend der Super­vision saß ich mit meinen Kindern beim Abendessen und stellte ihnen die gleiche Frage. Meine jüngste Tochter antwortete auch ziemlich schnell und sehr fest: „Dass es immer einen Plan B, C oder D gibt ohne Ärger, Frust und Verzweiflung.“ Das hat mich sehr gerührt. 

Genau diese Eigenschaften geben mir auch das Gottvertrauen. Er steht hinter mir wie Eltern hinter ihren Kindern. Er hält mich fest, wenn ich es brauche, lässt mich los und gibt mir Entscheidungsfreiheit. Wenn ich traurig bin oder hinfalle, gibt er mir Halt, mich wieder aufzurichten. ­Genauso nah ist er mir bei Erfolgs­erlebnissen, meinen Enkelkindern und tollen Urlaubserfahrungen in den letzten Jahren. 

Und so waren Gott und mein Glaube an Nächstenliebe auch bei all meinen Ideen und Aufgaben in und um Hirschluch bei mir. Sehr oft hat er zu mir in der Art gesprochen, dass Kinder und Jugendliche einen Ort wie Hirschluch brauchen, an dem sie die Nähe und Nächstenliebe so wie ich erleben dürfen. 2011 war das Jahr, in dem ich meine Arbeitsstelle in der Evangelischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Hirschluch als Haus­leiterin antrat. Aus dem Rheinland auf zu neuen Ufern, ohne Familie und Freunde und meinem ganzen Umfeld. Ich freute mich auf die Aufgabe, hatte aber genauso viele Ängste. 

Mein Glaube half mir zu sagen, dass alles gut und richtig sein würde. So habe ich Hirschluch von 2011 bis 2012 beobachtet und mich in Brandenburger eingelebt und die Landeskirche, Landesregierung, Kirchen­kreise, Stadt und Menschen kennengelernt.

2013 kamen dann die ersten „echten“ Visionen, welche mich auf neue Ideen und ins Gespräch mit ­vielen wichtigen Menschen brachte. Im selben Jahr lud ich Personen ein, die Hirschluch nah standen und denen der Ort wichtig ist, zu einer Klausurtagung ein. Frei nach dem französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer, Frauen und Kinder zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer, Frauen und Kinder die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Ich habe erzählt, ich möchte, dass jedes Brandenburger Schulkind einmal in seiner Schullaufbahn drei Nächte in Hirschluch verbringt und die Magie dieses besonderen Ortes spüren kann. Dafür müssen wir Hirschluch ins 21. Jahrhundert holen. Damit stand der Plan fest. 

Das Ergebnis der Tagung trug ich mit einem befreundeten Architekten und mit den fleißigen Mitarbeitern zusammen. Zuerst mussten wir zeigen, dass Hirschluch schwarze Zahlen schreiben kann. Trotz notwendiger Renovierungsarbeiten an einzelnen Häusern mussten wir beweisen, dass man uns vertrauen kann. Alle meine Mitarbeitenden taten ihr persönlich Bestes. Guter Service, gutes Essen und ganz wichtig, den Gast spüren zu lassen, dass er uns wichtig ist und wir uns freuen, dass er da ist und ein Stück Nächstenliebe erfährt.

Durch mehrere kleine Fördermöglichkeiten und Sponsoring von Farbe und Holz konnten Reparaturen durchgeführt werden, immer mit dem Konzept im Hinterkopf und dem Spruch, den die Mitarbeitenden der Haustechnik mittlerweile im Schlaf können: „Die Häuser, die wir abreißen wollen, reparieren wir mit einem rostigen Nagel. Die Häuser, die wir erhalten, bekommen einen Stahlnagel und die Neuen einen ­silbernen Nagel.“ Obwohl ich des­wegen auch manche Diskrepanz mit meinem Vorstand hatte, der meinte,  der eine oder andere Nagel sei aus Platin.

So entwickelte sich Hirschluch Stück für Stück. Zuerst bekamen wir mehr Bäder, moderne Medien und viel frische Farbe an die Wände. Auch das Außengelände wurde immer mehr zur Wohlfühloase. Durch die tolle Lage der Einrichtung braucht es dazu nur wenig. Und dann habe ich überall erzählt, dass wir für die Neubauten mindestens drei Millionen brauche. Da wurde ich zum zweiten Mal belächelt. Man sagte mir: Ich hätte Glück, bekäme ich 500000 Euro. 

Manchmal verlor ich die Energie, aber sie kam wieder

Es gab sehr wohl Zeiten, da habe ich den Glauben verloren oder erkennen müssen, dass die Energie, die ich daran setzte, diese meine Einrichtung Hirschluch zu präsentieren und Netzwerke zu knüpfen, sehr an mir zehrte. Eigentlich wollte ich doch eingekuschelt auf meiner Couch bei einem guten Buch und einer schönen Tasse Tee sein. 

Aber ich wurde nicht müde, es immer wieder zu erzählen. Ob bei dem früheren Generalsuperintendenten Martin Herche, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, der damaligen Referatsleiterin Christina-Maria Bammel im Evange­lischen Konsistorium, der Generalsuperintendentin Theresa Rinecker, dem Bildungsbeirat, Kirchenorganisationen, dem Landrat Rolf Lindemann, der Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg Britta Ernst, der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Franziska Giffey, Bürgermeisterin Cornelia Schulze-Ludwig und vielen anderen.

Über die Jahre 2013 bis 2018 habe ich allen von dem Traum für Hirschluch erzählt und sie mit meiner Sehnsucht angesteckt. Jeder, der von dem Gedanken angetan war, suchte nach Möglichkeiten, Hirschluch tatkräftig zu unterstützen und tat das. Ob durch Fürsprache, Geldspenden oder Hilfe bei den Behörden.

So kam der Dienstag vor Ostern 2018. Silvia Kolodziej, Klaus Waiditschka und ich hatten Land-, Kirche-, Kreis - und Stadtmitarbeitende an einen runden Tisch geladen. Zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass wir mehr als drei Millionen brauchen würden. Wir präsentierten unsere Vorstellungen inklusive der Wünsche unserer Gäste. Die Kostenschätzung dafür lag bei circa vier Millionen Euro. Und wer schon mal gebaut hat weiß, dass jeder Bau etwa 25 Prozent länger und teurer wird.

Am Ende des Gesprächs sagte Karsten Friedel vom Referat Bildung des Landes Brandenburg, dass er mit 2,3 Millionen aus Mitteln des ehemaligen SED-Vermögens, der damals führenden DDR-Partei, helfen würde. Auch die Landeskirche erklärte, sie wolle eine Summe in den Haushalt 2020/21 stellen. Kreis und Stadt Storkow sagten uns Begleitung in allen Genehmigungsverfahren zu. So gut aufgestellt konnten wir Ostern feiern.

Bagger und Tieflader tun seit Januar ihr Werk

Dann kamen die echten Aufgaben. Unendlich viele Anträge, Genehmigungen, Gutachten und Untersuchungen, sowie manche Altlast, die uns überraschte. Von fehlenden Grundrissen und Bauunterlagen für die vorhandenen Gebäude, einem leeren Katasterauszug, auf dem Hirschluch nicht existiert, von Trinkwassergenehmigungen, die nicht auffindbar waren und Leitungen, die nicht dort verliefen, wo sie es sollten, können Geschichten erzählt werden.

95 Jahre sind auch aus Ver­waltungssicht nicht spurlos an Hirschluch vorbei gegangen. Viele unvorstellbare Dinge im Laufe von fast einem Jahrhundert sind geschehen und mussten auf den heutigen Standard gebracht werden. Nun ist aber auch dieser Teil der Arbeit geschafft. Alle Genehmigungen liegen mit Gottes Hilfe und der vieler netter Sachbearbeiter von Kommune und Landkreis vor. 

Seit Januar gibt es viel Bewegung anderer Art in Hirschluch. Bagger und Tieflader haben ihr Werk getan und die drei Gebäude Heimleiterhaus, Fuchsbau und Waldhütte abgerissen und abtransportiert. Mit Wehmut aber auch viel Freude sehen wir nun den Neubauten mit den Namen Fuchsbau, Waldhütte und silberner Mond, dem Seminarhaus, entgegen und vertrauen auf die Handwerker, Firmen und auf Gottes schützende Hand, dass nun auch die modernen schönen Häuser fristgerecht gelingen mögen.

Und immer zwischendurch die kleinen und großen Dinge, den ­Bestand im Laufen zu halten und zu verbessern, wie WLAN auf dem Gelände. Im Haus der Stille bekamen alle Zimmer ein eigenes Bad. Im Haus Güldene Sonne wurden die Zimmer, der Seminarraum und die Bäder saniert. Der Zeltplatz hat ein Sanitärkomplex und der Vogelbauer verfügt nun auch über sanierte Bäder.

Alles in allem waren die letzten acht Jahre mühsam, aber voller schöner Höhepunkte und somit möchte ich enden. „Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten.“

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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