Von Claus-Jürgen Wizisla
Die SozialarbeiterInnen und FürsorgerInnen der Berlin-Brandenburger Diakonie, ehemals Innere Mission und Hilfswerk, gedenken ihrer Leitenden Fürsorgerin Ruth Leichsenring. Sie wurde am 4. Mai 1938 in Chemnitz geboren und ist im nahen Auerswalde aufgewachsen. Sie stammt aus einer christlichen Familie und gehörte der Jungen Gemeinde an. Trotz ihres sehr guten Abiturs wurde ihr das Biologiestudium verwehrt. Daraufhin entschied sie sich für einen kirchlichen Beruf und begann als eine der Ersten die von Kirchenrat Bohm eingerichtete und geleitete Fürsorgeausbildung im „Zivilwaisenhaus Potsdam“. Neben den theoretischen Kursen absolvierte sie längere Praktika in Borna und Ferch und sammelte vielseitige Erfahrungen in den kommenden fünf Jahren in der Leipziger Stelle. Daraufhin wurde ihr die fachliche Verantwortung für die FürsorgerInnen im Bereich der Brandenburger Kirche übertragen. In der Nachfolge von Christa Nauck übernahm sie auch noch die Leitung der Fürsorge-Kreisstellen in den Ostberliner Gemeinden mit über 100 Mitarbeitenden sowie in der Behinderten-, Gehörlosen- und Suchtarbeit.
Es ist ihre Berufung gewesen, für andere Menschen so zu sorgen, wie es dem Willen und Wirken Jesu Christi entspricht: Einer trage des Anderen Last. Sie hatte einen wachen Blick und ein offenes Ohr für die an Leib und Seele Notleidenden, ob es sich um Familien mit körperlich oder geistig Behinderten handelte oder um Frauen im Schwangerschaftskonflikt, um seelisch Kranke oder Suchtgefährdete, Arbeitslose oder Flüchtlinge. Sie konnte mit ihnen fühlen und sie verstehen und die notwendige Hilfe nicht als Ratschlag von außen geben, sondern im Gespräch gemeinsam wahrnehmen und als verborgene Kraft entdecken. Ihr heiterer Humor trug auch zur Lösung von Konflikten bei. Verletzungen und negativ wirkende Spannungen erfasste sie in ihrer aufmerksamen, besonnenen Art.
Diese Grundhaltung hat sie den Mitarbeitenden ermittelt. Und wenn zu DDR-Zeiten Kolleginnen oder Ratsuchende unter Benachteiligung litten, ging sie mit ihnen von Pontius zu Pilatus, damit ihnen Recht geschehe. Ihr besonderes Interesse galt der Weiterbildung in den Sozialwissenschaften. Da haben wir als die dafür Verantwortlichen die aktuellen Fragen gemeinsam behandelt. Ich vergesse nicht, wie sie nach der Wende für die Anerkennung ihrer Schutzbefohlenen durch die westliche Diakonie gekämpft hat. Die neue Rechtslage studierte sie als Erste, damit auch ihre Kolleginnen weiterhin für Notleidende sorgen können. Als gewählte Frauenbeauftragte überzeugte sie durch ihr Beispiel. Als Sprecher für viele sage ich Gott Dank für Ruth Leichsenring. Sie war eine echte Fürsorgerin. Der treue Gott vollende ihr Leben in seinem ewigen Reich.
Claus-Jürgen Wizisla war Diakoniepfarrer von 1978 bis 1996.
Die Trauerfeier für Ruth Leichsenring und ihre Bestattung erfolgen am Freitag, dem 26. April, 11.30 Uhr, in und bei der Evanglisch-Lutherischen Kirche in Auerswalde bei Chemnitz.