Von Uli Schulte Döinghaus
Wenn in einer steinalten Dorfkirche ein bisschen Putz von der Wand blättert und einen faustgroßen Flecken hinterlässt, dann ist das eigentlich nichts Besonderes. Wäre da nicht der Zufall und die Neugier. So war es in der über 800 Jahre alten Dorfkirche in Lobbese. Das 350-Seelen-Dorf im Fläming ist etwa gleichweit von Treuenbrietzen und Niemegk entfernt und gehört zum Pfarrbereich Niemegk.
In Lobbese mit seinen 50 Kirchenmitgliedern arbeiten überraschend viele Freiwillige mit, wenn es gilt, das Gemeindeleben zu organisieren: die monatlichen Gottesdienste vorbereiten oder Konzerte und Kulturveranstaltungen organisieren. Einer von ihnen sah sich einen merkwürdig mehrfarbigen Fleck etwas genauer an, den Bröckelputz vor dem Altarraum hinterlassen hatte. Er erspähte feine Strukturen und Konturen, Farben und Formen, wenngleich schon etwas verblasst. Es sind vermutlich Teile einer Wandmalerei, die dem Weißtünch geopfert worden war: ein gewölbter Zweig, an dem Blätter und rötliche Früchte wachsen, darüber – wie ein Ornament gespannt – ein hellbraunes Band mit grünen Tupfern, das Ganze von Linien eingefasst.
Pfarrer Daniel Geißler war fasziniert und mobilisierte Geldgeber für ein restauratorisches Gutachten. Es stellt sich heraus: Vermutlich ist der gesamte Triumphbogen vor dem Altar unter dem Putz mit Ranken, Bändern, Ringen und Linien verziert – ganz in der Art des Jugendstils. Die kleine Kuppel, die sich als Apsis über dem dahinter liegenden Altar wölbt, ist unter dem Putz als blaues Sternenzelt ausgemalt. Dazu passt, dass die Kirche 1898 restauriert und die Wände im Innenraum zu dieser Zeit ausgemalt wurden, wie ein altes Foto dokumentiert.
Ältere Gemeindeglieder bestätigen diese fantasievollen Ausschmückungen im Jugendstil, die noch bis Mitte der 1960 Jahre zu sehen gewesen sein sollten. Im Rahmen einer weiteren Kirchenrenovierung wurde damals geweißt, bis von den Ornamenten nichts mehr übrig war. In der damaligen Landeskirche hatte ein Kirchenbaurat und Kunstbeauftragter namens Winfried Wendland das Sagen. Er hinterließ in zahlreichen Kirchen schlohweiße Innenräume.
Mindestens der Triumphbogen und die Apsis sollen wieder hergestellt werden, darauf haben sich Denkmalschutzbehörden und Kirchengemeinde verständigt. Die Arbeiten sollen noch in diesem Jahr beginnen. Der „Förderkreis Alte Kirchen“ hat die Lobbeser Kirche zur „Dorfkirche des Monats April 2022“ ausgezeichnet und finanzielle Unterstützung zugesagt.
„Die Kirchengemeinde hat erhebliche Eigenmittel mobilisiert“, sagt Pfarrer Geißler. Er selbst, „Herr“ über beinahe zehn Dorfkirchen, übt sich zurzeit in einer Fertigkeit, in der er es im Laufe seiner fast 10-jährigen Amtszeit notgedrungen zu einer gewissen Meisterschaft gebracht hat: im Ausfindigmachen und Beantragen von Fördermitteln, um in der Lobbeser Dorfkirche den Jugendstil neu erblühen zu lassen.